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Bettina Margareth: Kinder und Familien brauchen gut qualifizierte Richter mit mehr Berufserfahrung

Rede zur Änderung des Versorgungsausgleichsgesetzes

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Familienpolitikerin habe ich, wie Sie wissen, vor anderthalb Jahren eine Stellungnahme der Kinderkommission zur Qualitätssicherung in Kindschaftsverfahren zur einstimmigen Verabschiedung gebracht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In einigen Punkten stimmt diese Stellungnahme auch mit Ihrem Antrag, dem dritten, mit dem ich mich jetzt beschäftigen möchte, überein.

Was ist der Hintergrund? Kindschaftsverfahren – so drückte sich auch ein Anzuhörender, Professor Ernst, in der Anhörung etwas drastisch aus – würden in der deutschen Justiz etwa so behandelt wie Verfahren, bei denen es um einen Streitwert von 5 000 Euro geht, vor allen Dingen durch geringere personelle Ausstattung und eingeschränktes Widerspruchsrecht. Das ist aus Sicht der Familienpolitiker nicht befriedigend, jedenfalls nicht aus meiner.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn sehr häufig geht es um lebenswichtige Entscheidungen, von deren Güte das Leben eines Kindes doch maßgeblich beeinträchtigt sein kann – eben wenn sie nicht gut sind. Diese Entscheidungen sollten anders bewertet werden.

Besonders schmerzlich – darüber haben wir damals in der KiKo auch mit Fachleuten, Sachverständigen diskutiert –: Es gibt zu oft Entscheidungen, die die am meisten Betroffenen, nämlich die Kinder und Jugendlichen, nicht akzeptieren können, weil sie ihnen nicht oder nicht genügend erklärt, nicht nachvollziehbar begründet werden und weil man ihnen oft auch gar nicht zuhört.

Die Kinderkommission hat gefolgert: Richter und andere Verfahrensbeteiligte müssen vor Antritt ihres Amtes als Familienrichter, Gutachter oder Sachverständige wichtige Zusatzqualifikationen besitzen. Die Richter müssen Gutachten und Äußerungen der Verfahrensbeistände wie auch der Erwachsenen und Kinder bewerten können. Sie müssen mit Familien, in denen die Konstellationen heute komplizierter sind, in schwierigen Lagen umgehen können. Ein ungutes Omen dabei ist übrigens, dass nun auch Bayern die Anforderungen im Familienrecht für das Staatsexamen zurückfahren will. Ich meine: Das ist nicht unbedingt der richtige Weg; denn Kinder und Familien brauchen gut qualifizierte Richter mit mehr Berufserfahrung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Ziel sind wir uns also gar nicht so uneinig; es geht um den Weg. Ich will auch darauf hinweisen, dass einige Fortschritte zu verzeichnen sind. Es wurde in der Anhörung zuletzt gesagt, die Richter nähmen deutlich mehr Fortbildungen zu Kindschaftssachen und zu Fragen der Kindeswohlgefährdung in Anspruch. Auch hat eine Arbeitsgruppe des Familiengerichtstags im letzten August die Mindestanforderungen an Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht angehoben. Also: Es geschehen Dinge, und das ist gut.

Vor allem aber gibt es Bewegung zwischen Bund und Ländern. So hat – es ist angesprochen worden – die Bundesregierung im Pakt für den Rechtsstaat mit den Ländern mehr Qualitätssicherung in der Rechtspflege vereinbart. Zur Umsetzung soll Mitte des kommenden Jahres berichtet werden. Ich erwarte mir davon weitere Fortschritte, wenn es darum geht, entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag verbindliche Regelungen für Richterfortbildungen mit den Ländern anzustreben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Die Länder könnten den Beispielen Nordrhein-Westfalen, zuletzt Hamburg oder auch Baden-Württemberg folgen und eine Fortbildungspflicht etablieren, die auch materiell abgesichert ist. Der Bund sollte auch Anhörungen von jüngeren Kindern einschließlich Dokumentation verpflichtend machen, was auch Anforderungen an die Räumlichkeiten stellt, für die ja wiederum die Länder zuständig sind.

Zweitens und letztens. Erwartungen haben wir auch an das Familienministerium bei der Berücksichtigung problematischer Kinderschutzverläufe in der Reform des Jugendhilferechts. Auch hier geht es um Rechte der Kinder und um Personalqualifikation. Ihre Forderung nach Ombudsstellen halte ich für berechtigt.

Zusammenfassend. Wir stimmen im Ziel der Erreichung höchster Qualität im familiengerichtlichen Verfahren überein und haben entsprechende Erwartungen an die Bundesregierung und die Länder, in denen Sie, liebe Grüne, ja auch vielfach mitregieren und mitgestalten können. Es muss mehr geschehen, aber das geht nur zusammen. Deshalb können wir als Familienpolitiker –

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Wiesmann.

 

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):

– Ihrem auch in dieser Hinsicht ungeduldigen Antrag heute nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wollte ich gerade klatschen! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das macht nichts!)