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Axel Müller

Axel Müller: "Nur ein Rechtsstaat hat die Macht und die Möglichkeiten, gegen Unrecht vorzugehen"

Rede zur internationalen Lage der Menschenrechte von LSBTTI

Wir debattieren unter diesem Tagesordnungspunkt sehr unterschiedliche Themenbereiche, die aber einen gewissen Zusammenhang aufweisen. Es geht jeweils um Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung Minderheiten darstellen.

Zum einen geht es um das das Ergebnis einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zur internationalen Lage der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen.

Und zum anderen beschäftigen wir uns mit einem Antrag der Fraktion Die Linke, der einen Stopp der geschlechtszuweisenden Operationen an Kindern verlangt.

Der vorgenannten Reihenfolge entsprechend werde ich zunächst in der Kürze der mir zugestandenen Redezeit einen Überblick zum Ergebnis der Großen Anfrage geben.

Auf die sich über 16 Seiten erstreckenden 102 Fragen der Antragsteller hat die Bundesregierung eine 57‑seitige Antwort geliefert, was schon angesichts des Umfangs und der inhaltlichen Präzision, mit der die Fragen beantwortet werden, belegt, dass das Thema der Bundesregierung und auch den sie tragenden Fraktionen wichtig ist.

So bekommen wir neben vielen anderen Informationen mitgeteilt, dass Homosexualität in 70 Ländern dieser Erde strafrechtlich verfolgt wird und teilweise mit langjährigen Freiheitsstrafen, in Äthiopien sogar mit „lebenslänglich“ geahndet wird.

Ich will nicht verschweigen, dass dies auch bei dem unsäglichen § 175 des Strafgesetzbuchs alter Fassung in Deutschland in der Vergangenheit so geschehen ist. Es ist daher gut, dass es uns gelungen ist, diese Zeit zu überwinden und diejenigen, die davon betroffen waren, zu rehabilitieren.

Es zeigt aber auch, welch hohes Gut unsere rechtsstaatliche Demokratie ist, die wir daher angesichts der jüngsten Ereignisse in den letzten Tagen und Wochen mit aller Kraft gegen ihre Feinde verteidigen müssen. Denn nur ein Rechtsstaat hat die Macht und die Möglichkeiten, gegen Unrecht vorzugehen und am Ende dem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen.

Daher kann ich mich den einleitenden Worten der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage auch uneingeschränkt anschließen.

Die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Gleichheit und vor allem Gleichwertigkeit aller Menschen beinhaltet – eigentlich sollte dies keiner besonderen Erwähnung mehr bedürfen – selbstverständlich die Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Transgender. Denn die Menschenrechte sind universell, gelten vorbehalts- und ausnahmslos und sie sind unteilbar.

Daher sind alle Handlungen, die eine Einschränkung dieser unverbrüchlichen Rechtspositionen bedeuten könnten, abzulehnen, und Bestrebungen, die dies infrage stellen, müssen mit allen Mitteln unterbunden werden.

Dies bringt mich zum zweiten Unterpunkt des Tagesordnungspunktes, zum Antrag der Linken, der ein Verbot der sogenannten geschlechtsangleichenden Operationen bei Kindern verlangt.

Diese Operationen, deren Zahl auf circa 2 000 pro Jahr geschätzt wird, sind einerseits ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und andererseits ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Selbstbestimmung. Die Entscheidungsgewalt zur Erteilung der notwendigen Einwilligung in den medizinischen Eingriff, der die Strafbarkeit der Behandler entfallen lässt, kann nach meiner Überzeugung nur beim Betroffenen selbst liegen, sie kann also nicht von den Eltern ausgeübt werden, bei drohenden Gesundheitsgefahren oder gar Lebensgefahr muss bei Minderjährigen dem Betroffenen ein neutraler Verfahrenspfleger, den das zuständige Gericht zu bestellen hat, zur Seite gestellt werden.

Die Einzelheiten dafür gilt es zu erarbeiten, und darauf haben sich die Koalitionsfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Nach meinem Kenntnisstand ist ein Referentenentwurf in der Ausarbeitung. Die Dinge wollen jedoch wohlüberlegt sein, um auch Platz für interdisziplinäre Diskussionen, die bei diesem Thema unerlässlich sind, zu schaffen, und dazu braucht es Zeit, und diese Zeit nehmen sich die Koalitionsfraktionen. Für Schnellschüsse ist hier kein Platz. Aus unserer Sicht ist der gestellte Antrag momentan überflüssig, da wir an dem Thema dran sind, sodass der Antrag von uns daher auch nicht mitgetragen wird.