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Axel Müller: Alle Extremisten sind Feinde der rechtsstaatlichen Demokratie

Redebeitrag zur Prüfung des Verbots der "Antifa"

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich korrigiere Sie ungern. Aber ich heiße nicht Alex, sondern Axel Müller. – Das nur zu Beginn.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über zwei Anträge der AfD-Fraktion, die beide die gleiche Zielrichtung haben: ein Verbot der Antifa. Jedoch bereits der Titel des Antrags „Demokratie erhalten – Bundesweites Verbot der Antifa prüfen“ entlarvt die Antragsteller einer nicht zu überbietenden Einseitigkeit und Unaufrichtigkeit. Er suggeriert, nur die im politischen Spektrum extrem links angesiedelten Gruppen, zu denen die Antifabewegung zweifelsfrei gehört, seien die Bedrohung schlechthin für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Die anderen können Sie auch verbieten!

In Wahrheit ist es doch so, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass alle Extremisten – gleich ob von links oder rechts – die Feinde der rechtsstaatlichen Demokratie sind. Daher darf eine wehrhafte Demokratie – das sind die schmerzhaften Lehren, die wir aus der Weimarer Republik ziehen – weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind sein. Der Antrag der AfD zeugt jedoch von einer kaum zu überbietenden Einäugigkeit. Beide Anträge schielen nur auf den Extremismus von links und blenden den von rechts nahezu vollständig aus. Das kann man, wenn man politisch so gestrickt ist wie die AfD, objektiv betrachtet, ja sogar noch verstehen: Niemand sägt sich gerne den Ast ab, auf dem er mit drauf sitzt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was ich Ihnen, meine Damen und Herren von der AfD, jedoch nicht durchgehen lasse, sind die Halbheiten, mit denen Sie Ihren Antrag begründen. Zur Untermauerung Ihrer Behauptung, die Gefahren, die vom Linksextremismus ausgingen, stellten heute nach den Gefahren des islamistischen Terrors eine der größten Bedrohungen für Gesellschaft, Demokratie und Staat dar, verweisen Sie auf zwei Verfassungsschutzberichte aus den Jahren 2017 und 2018.

Als ehemaligem Richter kommt mir eine Zeugenbelehrung in den Sinn. Der Zeuge wird darauf hingewiesen, dass er a) wahrhaft aussagen muss, also b) nicht Falsches sagen darf, aber c) auch vollständig aussagen muss. Wer wie Sie im Jahre 2020 einen Antrag mit der entsprechenden Zielrichtung eines Verbots der Antifa und linksextremistischer Kräfte stellt, muss doch auch die enorme Zunahme des Linksextremismus begründen können. Der allgemein zugängliche neueste BKA-Bericht über politisch motivierte Kriminalität für das Jahr 2019 spricht eine ganz andere Sprache als Sie in Ihren Anträgen. 2019 waren es 41 177 politisch motivierte Straftaten; 22 342 mussten dem rechten Spektrum zugeordnet werden, und 9 849 hatten einen linken politischen Hintergrund.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Sie verteidigen die Antifa ja besser als die Linken!)

Der Rest konnte nicht zugeordnet werden.

Hasskriminalität, aber auch Fremdenfeindlichkeit und die Zahl antisemitischer Straftaten haben in erschreckender Weise zugenommen. Um nicht in das übliche Rechts-links-Schema zu verfallen, das oftmals hier im Hause bemüht wird, sage ich in aller Deutlichkeit: Wir von der Union, aber auch die überwiegende Mehrheit in diesem Land – ich gehe davon aus, auch in diesem Haus – lehnt jede Art von politischem Extremismus ab.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daher ist die von der AfD im wahrsten Sinne verkürzte Darstellung der Wirklichkeit unredlich – unredlich schon deswegen, weil sie von den eigenen Verstrickungen in die rechte Szene ablenkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Eines steht doch jetzt schon fest: An Widersprüchlichkeit ist der Antrag nicht zu überbieten. In drei der fünf Schlusspunkte verlangen Sie, dass der Verfassungsschutz gegen die Antifa tätig werden müsse. Nachdem bekannt geworden war, dass der Verfassungsschutz den „Flügel“ und die Junge Alternative als Verdachtsfall einstufen würde, hat der Ehrenvorsitzende der AfD, Herr Gauland, gegenüber der „Bild am Sonntag“ gesagt, dass er die Abschaffung des Verfassungsschutzes für nicht falsch halte.

(Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!)

Interessant auch, wie sich der rechte Frontmann Höcke zum Verfassungsschutz äußert: Er stuft ihn als „Exekutivorgan für den völkerauflösenden und als pervers zu bezeichnenden Geist eines George Soros“ ein.

(Widerspruch bei der AfD – Zuruf von der FDP: Aber ja!)

Woher kommt eigentlich Ihr Sinneswandel in Bezug auf den Verfassungsschutz?

Zu guter Letzt sind beide Anträge auch instinktlos und das Ergebnis eines ganz bewussten Ablenkungsmanövers. Sie werden in einer Woche eingebracht, in der der Prozess gegen die mutmaßlich rechtsterroristischen Mörder des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begonnen hat, in einer Woche, in der der brandenburgische Innenminister gesagt hat, dass der dortige AfD-Landesverband künftig auch der Beobachtung durch den Verfassungsschutz unterliege, nicht zuletzt, weil Herr Kalbitz, AfD-Fraktionsvorsitzender, zusammen mit dem thüringischen FDP- – Entschuldigung, AfD-Landesvorsitzenden Höcke bis vor Kurzem noch eine der Galionsfiguren der äußersten Rechten der AfD war.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Freud’scher Versprecher!)

Beide hatten in der Vergangenheit Verbindungen zu rechtsradikalen Kreisen, Herr Kalbitz sogar zur HDJ.

Meine Damen und Herren, wir lassen uns vor diesen einseitig beladenen Karren der AfD nicht spannen und lehnen ihre Anträge daher ab.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)