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Ansgar Heveling: Wir müssen uns dem digitalen Wandel mit einer angemessenen Finanzierung anpassen

Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Parteien sind das Scharnier zwischen dem deutschen Volk und den politischen Entscheidungsgremien. Parteien sind für unsere Demokratie unentbehrlich. Von funktionierenden Parteien hängt das Funktionieren unserer Demokratie ab; davon sind wir fest überzeugt. Das ist auch das politische Konzept unserer parlamentarischen Demokratie, des Grundgesetzes.

In Deutschland besteht die Parteienfinanzierung aus drei Säulen: Mitgliedsbeiträge, Spenden und staatliche Finanzierung. Es wurde ein System für die Parteienfinanzierung geschaffen, das eine kluge Balance zwischen eigenständiger Mitteleinwerbung und staatlicher Finanzierung schafft. Der Gedanke, der hinter der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien steht, ist: Parteien sollen alle Meinungen vertreten können und dabei die gleichen Chancen haben. Dafür brauchen sie einen gewissen finanziellen Grundstock, selbstverständlich abhängig von ihrer gesellschaftlichen Verwurzelung, sprich: vor allem abhängig von ihrem Wahlerfolg.

Den Grundstock stellen wir aus staatlichen Mitteln zur Verfügung. Parteien sollen nicht ausschließlich auf private Mittel angewiesen sein, damit sie nicht von einzelnen finanzkräftigen Gönnern abhängig sind. Gleichzeitig sind Parteien aber eben gerade keine Staatseinrichtungen, sondern privatrechtlich als Vereine organisiert. Ich sage es mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: Das Grundgesetz erfordert, dass die Parteien ihren Charakter „als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen“ wahren.

(Beifall der Abg. Elisabeth Winkelmeier-­Becker [CDU/CSU])

Damit diese Staatsfreiheit der Parteien gewährleistet wird, können Parteien nie mehr staatliche Mittel bekommen, als sie selbst beisteuern. Die Selbstfinanzierung hat Vorrang vor der Staatsfinanzierung. Diesen Grundsatz tastet auch der jetzt vorliegende Gesetzentwurf nicht an.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zur Parteienfinanzierung Stellung genommen und Leitplanken aufgestellt. Dazu gehört auch die „absolute Obergrenze“. Die absolute Obergrenze beinhaltet das Finanzvolumen, das für alle Parteien zusammen zur Verfügung steht. Die Höhe der absoluten Obergrenze für die Parteienfinanzierung ist im Parteiengesetz geregelt.

Um gleich eventuelle Missverständnisse auszuräumen: Worauf bezieht sich die absolute Obergrenze? Das Bundesverfassungsgericht sagt ausdrücklich, dass „in die Berechnung des höchstzulässigen Anteils staatlicher Mittel an der Finanzierung der Parteien – die weder mit den Parlamentsfraktionen noch den sogenannten parteinahen Stiftungen identisch sind … – die ihnen unmittelbar aus der Staatskasse zufließenden Zuwendungen vollständig einzubeziehen“ sind.

Diese absolute Obergrenze ist aber eben nicht in Stein gemeißelt. Das Bundesverfassungsgericht hat die absolute Obergrenze unter einen Vorbehalt gestellt: „solange die bestehenden Verhältnisse keine einschneidende Veränderung erfahren“.

Durch den Prozess der Digitalisierung hat sich eine Zäsur ergeben, die als einschneidende Veränderung vor allem in Bezug auf Kommunikationsverhältnisse betrachtet werden kann. Mit dem heutigen Gesetzentwurf wollen wir daher die Obergrenze von circa 165 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro anheben, also um etwa 15 Prozent.

Was erwarten wir denn heute von den Parteien? Bürgernähe und Dialog, und zwar ernsthaften Dialog. Um die Erwartungen zu erfüllen, die wir im Jahr 2018 als Bürgerinnen und Bürger an die Parteien richten, reicht dann eben nicht mehr nur ein Umschichten. An die Parteien werden ganz neue Anforderungen im Meinungsbildungsprozess gestellt – in der externen Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch in der internen Meinungsbildung der Parteien selbst.

(Beatrix von Storch [AfD]: Das geht mit 165 Millionen Euro nicht? – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Davon kriegt ihr ja auch was! Also seien Sie doch ruhig!)

Alle diskutieren mit und sollen mitdiskutieren, jeder in seinem oder ihrem gewünschten Forum: per E-Mail, Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, in den Kommentarspalten der Medien und weiter auch ganz klassisch per Brief, per Telefon, in der Verbandszeitschrift, im Rundfunk und analog bei Ortsverbandstreffen, am Marktplatzstand, in den Bürgersprechstunden oder Themenabenden. Auf allen diesen Kanälen müssen Parteien mittlerweile innerhalb kürzester Zeit reagieren, und gleichzeitig hat sich auch die Entscheidungsfindung in den Parteien selbst verändert. Auch hier geht es darum, die Basis ernsthaft einzubeziehen. Mitgliederentscheide und Urwahlen sind die Stichworte dazu.

Diese Entwicklungen sind gut. Die politische Entscheidungsfindung wird damit nicht nur partizipativer, sie wird auch transparenter; sie muss viel mehr erklären. Die moderate Anhebung der finanziellen Ausstattung dient dazu, diese Partizipation im veränderten digitalen Zeitalter zu gewährleisten und damit die Funktionsfähigkeit der Parteien aufrechtzuerhalten.

Die Zeiten ändern sich und damit auch die Ansprüche an uns und die Parteien. Was wir erhalten wollen, ist unser großartiges politisches System, die Demokratie. Daher müssen wir uns dem digitalen Wandel anpassen, und für die Anpassung an diese einschneidenden Veränderungen müssen wir auch die Finanzierung der Parteien angemessen anpassen.

Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)