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Gunther Krichbaum: "Das Arbeitsprogramm der Kommission ist ambitioniert"

Rede zum Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2018

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist vielleicht ein etwas sperriges Thema. Deswegen erläutere ich für unsere Zuschauer auf der Tribüne und die Zuhörer draußen in einem Satz, worum es überhaupt geht. Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission wird regelmäßig zum Ende des Kalenderjahres vorgelegt. Es skizziert dann das, was sich die Europäische Kommission im laufenden Jahr vornimmt. So lässt sich das für das Jahr 2018 unterteilen in jene legislative Vorhaben, Gesetzesvorhaben, die aufgrund der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament noch bis – ich sage es einmal vorsichtig – Ende Mai 2018 auf den Weg gebracht werden müssen, damit sie dann auch bis 2019 umgesetzt werden.

Der zweite Teil des Kommissionsprogramms legt dann seinen Schwerpunkt darauf, was tatsächlich bis 2025, also längerfristig, im Hinblick auf die Fortentwicklung der Europäischen Union umgesetzt werden soll. Diese Vorhaben, die die Europäische Kommission vorgelegt hat, verdienen auch grundsätzlich die Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion. Da geht es um Themen wie beispielsweise die Vollendung der Sicherheitsunion, die weitere Bekämpfung des Terrorismus, aber auch um einen Austausch zwischen den Datensystemen, damit die Länder der Europäischen Union wechselseitig darauf zugreifen können. Es geht letztlich darum, dass wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden verbessern.

Es geht auch um Themen der sozialen Gerechtigkeit, beispielsweise darum, dass wir eine europäische Arbeitsmarktbehörde einrichten wollen. Dies geht nicht so weit, dass damit eine europäische Arbeitslosenversicherung verbunden wäre; aber es soll gewährleistet sein, dass ­Jobangebote untereinander besser austauschbar und damit besser zugänglich werden.

Die Freihandelsabkommen mit Japan, Singapur und den Mercosur-Staaten – um nur einige wenige zu nennen – stehen auf der Agenda, vor allem auch – ich kann jetzt aus Zeitgründen natürlich nicht auf alles eingehen – die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Wir haben im Augenblick noch keine funktionierenden Ausschussstrukturen. Aber mit Blick auf den Kalender sollte die Aufmerksamkeit schon auf einen Punkt gelenkt werden: Nächste Woche findet nicht nur ein Euro-Gruppen-Treffen statt, sondern auch der sogenannte Ecofin, also der Finanzministerrat. Da steht auf der Tagesordnung, dass eine sogenannte Orientierungsdebatte darüber geführt werden soll, wie der ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus, in einen europäischen Währungsfonds überführt werden soll.

Diese Debatte hat es durchaus in sich. Ich glaube, es ist deswegen wichtig und richtig, dass die Bundesregierung sehr frühzeitig darauf hinweist, dass wir die Rechtsgrundlage des Artikels 352 AEUV, wie es etwas sperrig heißt, nicht als gegeben ansehen. Es ist eine Art Generalklausel, die die Kommission immer gerne dann heranzieht, wenn sie keine andere Grundlage findet. Aber die Anwendung der Generalklausel bedingt eines, nämlich dass wir eine Regelungslücke hätten. Die ist hier nicht vorhanden – ganz im Gegenteil! Wenn man eines Tages tatsächlich den ESM in einen europäischen Währungsfonds überführen möchte, dann ginge das nur über eine Änderung der Verträge. Da würde der Bundestag ein gehöriges Wort mitzusprechen haben.

Ich verweise an dieser Stelle nur – wiederum aus Zeitgründen – auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; denn schon damals, als wir den ESM eingeführt und etabliert hatten, hatte das Bundesverfassungsgericht in der entscheidenden Verhandlung in ­Karlsruhe sehr viel Wert auf die Feststellung gelegt, wie denn die Mehrheiten zustande gekommen waren. Ob jetzt hier im Sinne des Artikels 79 Grundgesetz eine Zweidrittelmehrheit erforderlich wäre, kann zunächst dahinstehen; aber damals ist eine entsprechende Entscheidung getroffen worden. Insofern können solche Entscheidungen auch in Zukunft nur mit einer verfassungsändernden Mehrheit hier im Deutschen Bundestag getroffen werden.

Das gilt ganz besonders vor dem Hintergrund der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung, die der Deutsche Bundestag trägt. Deswegen sei an dieser Stelle schon heute sehr klar gesagt – auch im Hinblick auf die Debatte nächste Woche im Ecofin –, dass wir darauf pochen – wir bitten darum, die Kommission darauf hinzuweisen –, dass es mit dieser Generalklausel mit Sicherheit nicht getan ist und wir auf einer Vertragsänderung bestehen müssen. Ich bitte, diese Position entsprechend in Brüssel zu vertreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Georg Link [FDP])

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Arbeitsprogramm der Kommission ist ambitioniert; es ist gut und, wie gesagt, in vielen Teilen auch unterstützenswert. Die Umsetzung wird aber nur funktionieren, wenn wir dann endlich wieder eine handlungsfähige Regierung in Berlin haben,

(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Die Bundesregierung ist handlungsunfähig! Er hat das scharf erkannt!)

damit hier wieder eines der europapolitischen Schwung­räder steht. Ich glaube, das sind wir Europa ganz besonders schuldig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)