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Torbjörn Kartes: "Wir brauchen praxistaugliche Stufenpläne"

Gutes Leben und gute Arbeit für alle – Eine geschlechtergerechte Krisen- und Zukunftspolitik ist nötig

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Coronakrise ist für viele eine Zumutung, und besonders hart trifft sie die Familien in unserem Land. Diese leisten gerade Großartiges, insbesondere wenn sie sich um die Betreuung und die Beschulung ihrer Kinder kümmern müssen. Es stimmt dabei ganz sicher auch, dass die Krise Frauen, insbesondere Mütter, deutlich härter trifft. Sie haben in Summe weniger Einkommen, und sie leisten mehr Sorgearbeit. Insofern finde ich es gut und richtig, dass wir heute über Geschlechtergerechtigkeit in der Krise debattieren.

Es gibt dazu heute eine wahre Vielfalt an Anträgen: von der FDP, von den Grünen und von den Linken; das haben wir schon gehört. Die Anträge beinhalten aber teilweise, muss man sagen, eher ein Sammelsurium dessen, was Sie schon immer politisch wollten, wofür es hier im Haus aber keine Mehrheiten gibt und hoffentlich auch nicht geben wird.

Ich kann Ihnen aus Zeitgründen nur wenige Beispiele nennen – diese überraschen nicht wirklich –: Im Antrag der Linken liest man unter anderem die Forderungen, Minijobs abzuschaffen, den Mindestlohn sofort auf 12 Euro festzulegen und die wöchentlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden zu senken. Ich finde, das wäre eine Spitzenidee, vor allem für die Firmen, die in dieser Krise gerade besonders gebraucht werden, vielleicht weil sie in Sonderschichten Impfstoffe oder anderes produzieren. Denen sagen wir dann: Macht keine Überstunden mehr, das ist ab sofort verboten. – Wie soll das eigentlich gehen? Sie würden unserer Gesellschaft einen Bärendienst erweisen. Deswegen werden wir die Anträge ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir lehnen sie übrigens aus vielen Gründen, die wir hier im Plenum schon oft genug vorgetragen haben, ab, aber allen voran aus zwei Überlegungen heraus, die jetzt, glaube ich, prioritär sind.

Der erste Grund ist, dass wir uns fokussieren müssen. Wir wollen vor allem, dass die Familien ihren Alltag zurückbekommen. Daher ist es entscheidend, dass wir alles dafür tun, dass Kitas und Schulen wieder verlässlich öffnen können, dass Kinder ihre sozialen Kontakte wiederbekommen und dass ihr Recht auf Bildung geachtet wird. Dazu brauchen wir priorisiertes Impfen, wir brauchen Schnelltests, und wir brauchen praxistaugliche Stufenpläne. Das hat, glaube ich, Priorität. Darum sollten wir uns zuvorderst kümmern; das tun wir auch. Wenn wir das geschafft haben, dann müssen wir sicherlich eine Bestandsaufnahme machen, wo wir beim Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Krise tatsächlich stehen.

Der zweite Grund ist, dass die Anträge ganz außer Acht lassen, dass wir gerade fortlaufend dabei sind, am Thema Geschlechtergerechtigkeit zu arbeiten. Durch das Elterngeld, das wir gerade erst reformiert haben, wird es Eltern immer mehr möglich, Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich und gleichberechtigt zu teilen. Wir verbessern ständig – zuletzt mit einer Milliardenspritze für die Länder – die Betreuung in den Kitas. Wir werden auch den Anspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen umsetzen. Damit schaffen wir das, was Eltern wirklich brauchen, wenn beide Elternteile arbeiten wollen, nämlich echte Wahlfreiheit. Das ist die richtige Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Morgen – um das nur ganz kurz zu streifen – bringen wir einen Gesetzentwurf ein, in dem es um mehr Frauen in Führungspositionen geht. In 60 Prozent der DAX-Vorstände sitzt immer noch keine einzige Frau. Keine Frage: Das ist zu wenig. Daran werden wir jetzt arbeiten.

Eine Fraktion hat übrigens heute keinen Antrag vorgelegt, und das ist die AfD-Fraktion. Vielmehr hat sie ihn erst am Freitag von der Tagesordnung genommen – er war eigentlich die ganze Zeit angekündigt – und überweist ihn jetzt im vereinfachten Verfahren. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich glaube, der Antrag ist Ihnen selbst peinlich – er muss Ihnen peinlich sein –; denn Sie fordern darin die Beendigung aller Gleichstellungspolitik, und Sie schreiben, dass die Diskriminierung und Stigmatisierung von Männern zu unterlassen ist. Dies begründen Sie dann mit Artikel 3 Absatz 2 unseres Grundgesetzes, den Sie aber offensichtlich nicht bis zum Ende gelesen haben. Denn da steht ja gerade der Satz und das Gebot – ich zitiere –:

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang von der staatlichen Schutzpflicht hinsichtlich der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung. Also ist es ganz sicher kein Auftrag, jetzt nicht mehr politisch tätig zu werden und die Maßnahmen einzustellen, sondern es geht darum, dass bestehende Nachteile abgebaut werden; genau das ist unser Auftrag, nichts anderes. Das haben Sie offensichtlich gar nicht verstanden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will einen Aspekt noch erwähnen aus Ihrem Antrag: dass entsprechend mütterfreundliche Regelungen geschaffen werden sollen, um Mütter zu entlasten. Wenn man den Antrag liest – ich habe es tatsächlich gemacht –, dann denkt man: Na ja, jetzt müssten ja ein paar Vorschläge kommen, ein paar konkrete Vorschläge von Ihnen, was Sie da jetzt eigentlich genau wollen. Dazu findet man aber wie immer nichts; in dem Antrag steht nichts dazu.

Ich will nicht ungerecht sein: Da steht, Sie wollen, dass sich die Beratung vor und während der Schwangerschaft am Wohl von Mutter und Kind zu orientieren hat. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben mittlerweile zwei kleine Kinder. All die Beratungen, die wir rund um die Geburt, davor und danach, erfahren haben, haben sich immer am Wohl von Kindern orientiert und nie an irgendeiner Ideologie.

Das zeigt einfach, wie intensiv Sie sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt haben. Es geht Ihnen wie immer nur um Überschriften, um die Schlagzeile, aber nicht um den Inhalt. Deswegen sind Sie alles, aber Sie sind ganz sicher keine Alternative für die Familien in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen einfach nur abschließend sagen, was wir wollen: Wir wollen, dass Frauen tatsächlich dieselbe Wertschätzung erfahren wie Männer. Wir wollen, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, wenn sie sich auf einen Job bewerben. Und wir wollen, dass ein Kind und berufliche Karriere möglich sind. Daran arbeiten wir weiter mit ganzer Kraft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)