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Torbjörn Kartes: Der Minijob ist ein wichtiger und richtiger Teil unseres deutschen Arbeitsmarktes

Redebeitrag zum Antrag zur Stärkung des Sozialversicherungssysteme

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste – es sind zwar nur wenige da – auf den Tribünen! Ich möchte zu Beginn ganz deutlich sagen: Unser gemeinsames Ziel ist und bleibt, dass möglichst viele Menschen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, für die Rente ansparen können, auf eigenen Füßen stehen, im Erwerbsleben Halt finden und ihren Kindern ein Vorbild sind. Und das beste Mittel gegen Armut ist, die Menschen in Arbeit zu bringen, und zwar in sozialversicherungspflichtige Arbeit. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen. Das haben wir in den letzten Jahren – das kann man, glaube ich, so sagen – auch äußerst erfolgreich getan, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Minijob – das unterscheidet uns dann, glaube ich – ist ein wichtiger und richtiger Teil unseres deutschen Arbeitsmarktes. Er wird von vielen Menschen in unserem Land gewollt und genutzt – das gilt für Schüler, für den Rentner, für die Studentin –, die sich etwas dazuverdienen wollen. Hunderttausende Menschen haben darum dieses Modell gewählt und sind damit auch sehr zufrieden. Die Darstellung in Ihrem Antrag ist also einmal mehr sehr einseitig und wird der Realität in unserem Land nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Haben Sie die DIW-Studie nicht gelesen?)

Der Unterschied zwischen uns ist: Wir verschließen die Augen auch nicht davor, dass es sehr viele Menschen gibt, die einen Minijob ausüben, weil sie es müssen, weil ihr reguläres Einkommen nicht ausreicht oder weil sie überhaupt kein anderes Einkommen haben. Das gehört zur Wahrheit, und das beschreiben Sie auch zutreffend in Ihrem Antrag. Aber es gibt eben beide Seiten. Sie glauben doch nicht wirklich, dass mit der faktischen Abschaffung des Minijobs, die Sie heute ins Plenum eingebracht haben, alle diese Menschen plötzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt würden. Und parallel dazu wollen Sie dann mit sofortiger Wirkung auch noch den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das miteinander zu tun?)

und das in dieser Zeit. Da kann ich Ihnen nur sagen: Ich halte das für unverantwortlich und glaube auch, das konterkariert am Ende unsere Bemühungen, dass in dieser Krise möglichst wenige Menschen ihren Job verlieren. Daher werden wir Ihren Antrag auch ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben die Feststellung der Mindestlohnhöhe auch bewusst einer unabhängigen Kommission anvertraut, insbesondere auch, um politischen Überbietungswettbewerb zu verhindern. In diesem Sinne ist die weitere Entwicklung des Mindestlohns schon festgelegt. Er wird von derzeit 9,35 Euro bis Mitte 2022 auf 10,45 Euro steigen. So weit sind wir dann also auch nicht mehr auseinander. Das geht aus meiner Sicht in die richtige Richtung und ist Ergebnis einer Gesamtabwägung. Ich halte das insgesamt für vernünftig. Das ist sicher nicht so populär wie Ihr Vorschlag, aber, ich glaube, es ist im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung unseres Arbeitsmarktes.

Sie kritisieren in Ihrem Antrag auch noch andere Punkte, auf die man gar nicht alle eingehen kann. Sie sagen, die Landwirtschaftslobby – so bezeichnen Sie es – hätte durchgesetzt, dass die sogenannte 70-Tage-Regelung temporär auf 115 Arbeitstage ausgeweitet worden ist. Schlimmer noch, Sie wollen diese Regelung eigentlich im Ganzen abschaffen; denn Sie sagen jetzt: Jede Beschäftigung muss ab dem ersten Euro der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegen.

Dazu kann ich Ihnen nur das Folgende sagen: Die 70-Tage-Regelung ist für unsere heimische Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung. Jeder, der auf einem Hof war, weiß das auch. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist – das sage ich ganz deutlich –, dass diese Regelung durch die Koalition Anfang 2019 unbefristet im SGB IV verankert worden ist. Sie hat sich während der Übergangsphase auch schon bewährt. Sie hat zu keinen sozialpolitisch bedenklichen Entwicklungen geführt. Die Anzahl der kurzfristigen Beschäftigungen hat sich auch kaum verändert. Deswegen hat sich diese Regelung bewährt.

Insbesondere Saisonarbeitsbetriebe haben mit ihr die Chance, ihren saisonalen Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Ohne diese Saisonarbeitskräfte könnten Betriebe wie zum Beispiel bei mir zu Hause im Rhein-Pfalz-Kreis, wo ganz viel Gemüse mit arbeitsintensiven Kulturen angebaut wird, dichtmachen. Das müssen die Menschen einfach wissen; denn den Bedarf, den diese Betriebe haben, können sie mit Mitarbeitern aus Deutschland überhaupt nicht decken. Deswegen ist es gut und richtig, dass die sozialversicherungsfreie und kurzfristige Beschäftigung von Saisonarbeitskräften dauerhaft verankert worden ist. Wir wollen, dass unsere Landwirte in Deutschland auch weiterhin regionale Produkte erzeugen, anbauen und ernten können. Dafür brauchen wir auch den Einsatz von Saisonarbeitskräften. Das gehört auch zur Wahrheit. Wir werden ihn – das kann ich Ihnen sagen – auch in Zukunft sicherstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt kritisieren Sie die Ausweitung auf 115 Tage und sagen: Das ist eine weitere Aushöhlung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. – Ich bin der Meinung: Auch das kann man so nicht stehen lassen. Es war eine temporäre Lösung, sie ist mittlerweile beendet, und sie diente einzig und allein dem Gesundheitsschutz und dem Infektionsschutz. Wir hatten im März und im April große Schwierigkeiten, Saisonarbeitskräfte nach Deutschland zu bekommen. Es war sinnvoll, dass sie temporär länger geblieben sind und wir diese Arbeitskräfte nicht so oft auswechseln mussten. So konnten wir am Ende auch die Ernte einfahren. – Das ist genau so gewesen, und wenn Sie zu den Höfen gehen, dann werden Sie das auch hören. Es ging also um den Infektionsschutz und nicht um eine Aushöhlung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.

Wir stehen also vor großen Herausforderungen und kämpfen dafür, dass möglichst wenige Menschen ihren Job in dieser Krise verlieren und unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird.

Ihren Antrag, glaube ich, brauchen wir in dieser Krise nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)