Skip to main content

Thomas Heilmann: Die Arbeitslandschaft verändert sich massiv und darauf müssen wir reagieren

Redebeitrag zur Modernisierung des Arbeitsrechts - Mobiles Arbeiten

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Johannes Vogel! Die Rede meines Vorredners hat mich zu der Frage gebracht: Warum sind eigentlich die Liberalen in den Niederlanden so viel erfolgreicher als in Deutschland? Das ist jetzt ein bisschen weit weg vom Thema; aber da fällt mir der ein oder andere Grund ein.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weil die eine Grundrente haben in den Niederlanden – Zuruf von der FDP)

– Auch eine gute Bemerkung. Für die, die es nicht gehört haben: weil die da halt regieren und hier nicht. – Aber gut, lassen wir das jetzt.

Zum mobilen Arbeiten. Lieber Johannes Vogel, die Frage wird völlig zu Recht gestellt. Die Arbeitslandschaft verändert sich massiv, natürlich auch durch Corona, und darauf müssen wir reagieren. So weit, so richtig. Die Fragen: „Wie gehen wir mit dem flexiblen Arbeiten um?“ und: „Wie gehen wir mit den elf Stunden Pause um?“, sind natürlich berechtigte Fragen. Von den Antworten bin ich, ehrlich gesagt, enttäuscht; denn die Lage hat sich doch dramatisch geändert:

Erstens. Die Dinge sind längst im Fluss – wir müssen sie nicht in Gang bringen –, und zwar natürlich wegen Corona. Wir müssen uns doch eher die Frage stellen: „Wie begrenzen wir Homeoffice?“, anstatt noch mehr Leute noch länger ins Homeoffice zu senden. Das sind doch ganz neue Fragestellungen, die wir haben.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch klare Regeln!)

Das trennt uns leider auch von den Sozialdemokraten, die die Frage mit dem Recht auf Homeoffice so thematisieren, dass wir jetzt erst mal anfangen müssen, zu üben, wie es im Homeoffice ist. Die Übungen finden jetzt durch die Schließungen im November leider doch in besonderem Umfang statt.

Zweitens. Wir von der Union – das ist ja öffentlich geworden – haben uns dazu eine Menge neuer Antworten überlegt. Ich hätte mir von der Opposition gewünscht, dass sie diese Notwendigkeit erkennt.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Ist das die Unionsmeinung oder deine?)

Der erste Punkt ist: Wenn die Leute so viel mobil oder im Homeoffice arbeiten, dann stellt sich die Frage der Begrenzung. Also: Wie schaffe ich mir dann wirklich Blöcke, in denen ich abschalten kann, in denen ich nicht arbeite? Und deshalb ist eine unserer ersten Forderungen, zu sagen: Wir wollen ein Recht auf Nichterreichbarkeit haben. Das ist bei mobilem Arbeiten technologisch ganz einfach.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Herzlich willkommen! Das hat Die Linke schon vor zwei Jahren vorgeschlagen! Aber super!)

– Wir haben das schon in einem Buch geschrieben; aber jetzt ist es eben auch Thema der Fraktion. Insofern können wir uns über die Urheberschaft gerne streiten. Wir haben dafür sogar eine technische Lösung vorgeschlagen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Kollegin Krellmann hat das doch schon gesagt!)

Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist: Wir müssen natürlich verhindern, dass Arbeitgeber mobil Arbeitende dahin gehend unter Druck setzen, dass sie ihre verdienten Pausen nicht nehmen. Die meisten Arbeitgeber behandeln ihre Beschäftigten auch sehr anständig, aber wie immer gibt es da auch ein paar schwarze Schafe. Deswegen ist entscheidend, dass der Arbeitnehmer, wenn wir die Arbeitszeit flexibilisieren, über seine Arbeitszeit wirklich selber entscheiden kann und nicht durch seinen Arbeitgeber faktisch oder gar juristisch zu etwas gezwungen wird.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Jetzt ist es allerdings so – da hat der Kollege Vogel recht –, dass sich die Arbeitnehmer illegal verhalten, wenn sie erst mit ihren Kindern essen und dann ihre E-Mails bearbeiten, weil sie dann bis zum nächsten Morgen nicht auf die elf Stunden Ruhezeit kommen.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Nein! Was ist denn da mit den Betriebsvereinbarungen? – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie bis 10 Uhr arbeiten, können sie um 9 Uhr wieder anfangen. Das ist kein Problem!)

– Na ja, aber ich habe ein bisschen größere Kinder. Da esse ich mit denen auch gerne mal länger und bearbeite um halb zwölf meine E-Mails. Dann kann ich natürlich nicht um 8 Uhr morgens wieder arbeiten, damit ich schon um 9 Uhr hier sitzen kann.

Nun bin ich kein Angestellter; deswegen hinkt das Beispiel. Aber früher war das anders: Ich bin ja erst seit drei Jahren im Parlament. Insofern ist das natürlich eine Frage. Natürlich sind da haufenweise Leute ständig in der Illegalität, und da müssen wir sie ganz dringend herausholen,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, die Arbeitnehmer sind nicht in der Illegalität! Der Arbeitgeber kann in dieser Illegalität sein, aber nicht andersrum!)

– Der Arbeitgeber hat natürlich eine Schutzpflicht. Er muss darauf achten, dass die Arbeitszeiten ordentlich eingehalten werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau, der Arbeitgeber, aber nicht die Beschäftigten!)

Wenn der Arbeitgeber Arbeitszeitkonten führen lässt, dann müsste er die Arbeitnehmer darüber belehren, dass sie nicht gegen die Arbeitszeitregeln verstoßen dürfen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder er macht einen Tarifvertrag!)

– Frau Müller-Gemmeke, wenn Sie es so sehen, dass die Menschen das selber machen dürfen, dann können Sie unserem Vorschlag ja zustimmen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welchem Vorschlag denn?)

Wir sagen ja: Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dürfen das alleine entscheiden. Der Arbeitgeber kann selbstverständlich nicht verlangen, dass sie bis Mitternacht arbeiten und dann am Morgen um 7 Uhr wieder mit der Arbeit anfangen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es einen Gesetzentwurf?)

Darüber sind wir uns ja völlig einig; das kann nicht angeordnet werden.

Die dritte große Regelung ist – da sind wir uns in der Koalition weitestgehend einig –: Wir müssen beim Thema Versicherungen auch eine Lösung für diejenigen finden, die im Homeoffice sind.

Wir gehen noch einen Schritt weiter und sagen: Wir sollen die Leute nicht zu lange im Homeoffice einsperren; das ist auf Dauer nicht gut.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alternierend!)

Wir sehen ja in dem Großtest Corona, dass das auch sehr negative Folgen hat. Deswegen müssen wir den Leuten die Gelegenheit geben, ihre Arbeit auch von ihrem Privaten zu trennen.

Wenn wir nicht wollen, dass sie pendeln, wenn wir also nicht wollen, dass sie wieder ins Büro fahren, dann ist eben unser Vorschlag, zu sagen: Dann lasst uns doch Co-Working-Spaces, oder auf Deutsch: Nachbarschaftsbüros, in den ländlichen Räumen schaffen. Es gibt jede Menge Immobilien, die tagsüber sowieso leer stehen. Das sind Vereinsheime, Gemeindezentren, Kirchengemeinden und was es da sonst alles gibt. Warum führt das nicht dazu, dass die Leute mit dem Fahrrad nur ein paar Meter weit fahren, dann da arbeiten und nur gelegentlich in ihr Büro pendeln, sagen wir jetzt mal zwei Tage die Woche oder auch nur einen? Das wäre eine sehr pragmatische Lösung, und auch dafür müssen wir etwas finden.

Ob uns das alles noch in dieser Legislaturperiode, die sich dem Ende zuneigt, gelingt, das wissen wir nicht.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Für so was gibt es ganz viele betriebliche Beispiele!

Aber wir als Union jedenfalls werden für die nächste Legislaturperiode mit einem ganzen Set an Vorschlägen kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)