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Thomas Heilmann: "In der Tat brauchen wir mehr Homeoffice"

Rede zur Durchsetzung des Homeoffice-Gebotes

Herr Präsident! Meine Damen und Herren hier im Saal und draußen an den digitalen Endgeräten! Liebe Grüne, Ihr Antrag ist ganz genau von vorgestern. In der Coronakrise geht ja alles ganz schnell, und da kann es irgendwie schon mal passieren, dass auch ein relativ neuer Antrag vom letzten Dienstag nicht mehr ganz aktuell ist.

Am Dienstag haben Sie ihn formuliert, und schon heute, am Donnerstag, also ganze zwei Tage später, ist die dritte Ihrer drei Forderungen in einem hier verabschiedeten Gesetz aufgegriffen worden. Wir haben hier vor wenigen Stunden darüber diskutiert und es dann verabschiedet: das erhöhte und vereinfachte Kinderkrankengeld. Die Debatten, die wir vorhin dazu geführt haben, müssen wir ja jetzt nicht wiederholen.

Kommen wir deswegen zu Ihrer anderen Forderung. Sie wollen gesetzlich vorschreiben, dass alle Bürotätigkeiten ins Homeoffice wechseln.

(Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– In Ihrer Rede klang das ein wenig anders. – Wenn die Art der Tätigkeit es zulässt, so schreiben Sie in Ihrem Antrag, dann soll man damit in das Homeoffice wechseln müssen. So ist Ihr Antrag zu verstehen; sonst macht er ja gar keinen Sinn.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zuhören! Lesen!)

– Sie haben den Antrag vor zwei Tagen geschrieben. Wir haben ihn alle so gelesen. Wenn Sie das so nicht meinen, dann sind wir uns schon mal ein Stück näher.

Ihr Antrag ist aber auch deswegen ein typischer Oppositionsantrag,

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil er es durch Verordnung regelt!)

weil er einen wichtigen Faktor erwähnt, aber nicht wirklich aufgreift. Die größten Defizite beim Thema Homeoffice hat nämlich leider der öffentliche Dienst, und zwar auch in den zwölf Bundesländern, in denen die Grünen mitregieren.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da auch drin! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ja, das steht mit einem Satz darin, dass der öffentliche Dienst nicht vorbildlich sei. Punkt. Aber die Frage, wie wir das ändern, kommt da in keinem Satz vor. Und ehrlich gesagt ist meine Auffassung, dass wir Politiker uns immer auch an die eigene Nase fassen müssen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann fangen Sie doch an!)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Kollege Heilmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

 

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Wir dürfen nicht von anderen etwas verlangen, was wir selber nicht erfüllen können. – Gerne eine Zwischenfrage.

 

Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege, ich habe wirklich eine ganz kurze Frage. Wenn es eine Arbeitsschutzverordnung gibt, würden Sie mir zugestehen, dass sie dann für den öffentlichen Dienst und die Behörden genauso gilt wie für alle anderen Arbeitsstätten auch und dass Ihre Argumente von eben deswegen nicht zusammenpassen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Ihre Fragestellung ist leicht verwirrend, weil dann, wenn man alle diejenigen ins Homeoffice schickt, wo es geht, wie Sie sagen, im öffentlichen Dienst ja das Problem da entsteht, wo es keine digitale Akte gibt, oder da, wo es wie in Berlin noch nicht mal für 10 Prozent der Leute eine VPN-Leitung gibt. In der Logik Ihres Antrags müsste man dann sagen: Es geht leider nicht. Und dann können alle im öffentlichen Dienst noch weiter in ihren Büros bleiben. Und das führt ja dann in der Logik Ihres Antrags dazu, dass sie eben doch nicht ins Homeoffice müssen. Und das kritisiere ich, dass Sie Missstände im öffentlichen Dienst hinsichtlich der Bestrebungen, wie wir mehr Leute ins Homeoffice kriegen, zwar mit einem Wort erwähnen, im Zweifel aber keinerlei Lösungsperspektive aufzeigen. Und das, ehrlich gesagt, ist für eine Partei, die regieren will, nicht genug.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unabhängig von der Frage, wie man mit dem öffentlichen Dienst umgeht, hat Ihr Antrag noch einen zweiten Nachteil; denn er liest sich so – auch bei Ihrer Rede, Frau Müller-Gemmeke, die ich gerade hörte, entstand der Eindruck –, als wenn Sie sagen wollten: Nun, die Privaten haben einen Lockdown, Theater und Kultur haben einen Lockdown, die Schulen haben einen Lockdown, und die Wirtschaft muss jetzt auch einen Lockdown kriegen. – So liest sich das ja, obwohl das nicht genau so da drinsteht.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das Gegenteil! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Na ja, wissen Sie, in der Kommunikation ist es immer so, dass Sie nicht das voraussetzen können, was sich der Absender vielleicht gedacht hat, sondern in Rechnung stellen müssen, wie es beim Adressaten ankommt. Und ehrlich gesagt, anders kann man das nicht lesen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Müller-Gemmeke, Sie haben gerade gesagt – –

(Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Nun quatschen Sie doch nicht die ganze Zeit dazwischen!

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Leute, wir wollen doch fertig werden. Jetzt beruhigen Sie sich doch bitte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

 

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Frau Müller-Gemmeke, Sie haben gerade gesagt, es würde gearbeitet, als wenn es keine Pandemie gäbe. – Ehrlich gesagt, das trifft überhaupt nicht meine Beobachtungen. Ich kenne in Berlin überhaupt keinen Betrieb, der für seinen Bürobetrieb nicht irgendeine Form von Pandemiekonzept hat. Ich kenne gar keinen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann machen Sie sich mal schlau!)

Ich lese auch in den sozialen Medien oder in irgendwelchen nicht repräsentativen Umfragen wie in der „Zeit“, dass es offensichtlich solche Fälle geben soll,

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele!)

und dann müssten wir gegen diese Fälle in der Tat etwas tun. Da brauchen wir aber wirklich keine Arbeitsschutzverordnung.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass das, was der Bundespräsident morgen zusammen mit dem DGB und dem BDA vorhat, der erste richtige Schritt ist, nämlich: Wir führen jetzt in einem Appell allen Beschäftigten und allen Arbeitgebern vor Augen,

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die MPK hat das schon angesprochen!)

wie wichtig das Thema Homeoffice ist – da sind wir uns ja einig –, und fordern sie auf, dass sie da mehr tun sollen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Lockdown appellieren wir!)

In der Tat brauchen wir mehr Homeoffice. Wir brauchen natürlich auch mehr Schichtdienste, und wir brauchen mehr Testungen.

Ihr Antrag spielt ja ein bisschen auf die Frage an, ob die Mutationen uns nicht noch mal zu weiteren Maßnahmen zwingen werden.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Das ist heute Abend noch nicht mit Gewissheit zu sagen. Ich glaube, wir hoffen alle, dass das nicht notwendig ist.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist präventiv!)

– Aber wenn das so ist, dass Ihr Antrag präventiv ist, dann hätten Sie es reinschreiben sollen. – Wenn dem so wäre, dann gäbe es aus unserer Sicht bessere Maßnahmen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche denn?)

Wie wäre es denn mit einer Obergrenze für das gleichzeitige Nutzen von Büros? Das machen ja auch viele. Ich kenne eine Anwältin, die kommt morgens um 5 Uhr und ist um 9 Uhr wieder raus aus ihrem Büro, damit dann eine Angestellte da arbeiten kann.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die regeln das halt mit so einer Schichtlösung. Da steht aber in Ihrem Antrag nicht drin.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich persönlich kann mir vorstellen, dass wir sagen: Wir entzerren das weiter, wir entzerren das auch in Produktionsbetrieben. Wie damals beim gestaffelten Schulbeginn wollen wir einen gestaffelten Schichtbeginn.

Nun muss man sagen, dass viele, viele Großbetriebe ja schon sehr gute Konzepte haben und auch noch intensiv Statistik darüber führen. Ein DAX-Konzern rechnet vor, dass nur 5 Prozent derjenigen in der Belegschaft, die mit Corona infiziert sind, sich auch im Betrieb angesteckt haben. Das heißt, das Risiko draußen ist größer als das Risiko drinnen mit Pandemiekonzept.

Wenn es schlecht laufen sollte, dann wäre es aus meiner Sicht richtig, dass wir neben der Obergrenze für das Büro und Homeoffice-Geboten – das ist ja das Thema Ihres Antrags – weitere Pandemiekonzepte erwarten. Ich warne davor, die Wirtschaft in weitem Umfang runterzufahren. Das wird alles noch viel teurer als das vorherige – auch mit unglaublichen sozialen Folgen, nicht nur wirtschaftlichen Folgen.

(Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Und ich warne davor, dass ein Lockdown auch für Europa schlechte Folgen hat. Der Lockdown der deutschen Wirtschaft führt dazu, dass wir faktisch die Lieferketten für ganz Europa unterbrechen werden.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwischenfrage!)

Insofern: Ich verstehe die Intention Ihres Antrags, aber ich kann ihm leider nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)