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Sylvia Pantel: Kinder sind Grundrechtsträger

Redebeitrag zur Familienpolitik

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Walter-Rosenheimer, als Erstes möchte ich klarstellen: Kinderrechte sind im Grundgesetz vorhanden, weil Kinder Grundrechtsträger sind; ihre Rechte werden, solange sie selber nicht sagen können, was sie wollen, von ihren Eltern wahrgenommen, und ansonsten wacht die Allgemeinheit darüber.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das möchte ich hier noch mal klarstellen: Kinder sind Grundrechtsträger.

Als Nächstes möchte ich sagen: Ich finde es sehr schwer zu verstehen, wenn die AfD hier behauptet, dass Großfamilien derzeit vom Staat keine Anerkennung bekommen. Ich kann das nicht bestätigen. Ich habe fünf Brüder, ich bin also in einer großen Familie aufgewachsen. Ich habe selber auch fünf Kinder großgezogen mit meinem Mann. Insofern weiß ich, worauf wir damals verzichten mussten – wir waren trotzdem glücklich – und was wir bis heute an familienpolitischen Leistungen vorangebracht haben. Ich finde, wir alle können sehr stolz auf das sein, was wir mittlerweile alles für unsere Familien in Deutschland leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])

Mittlerweile gibt es wieder mehr Familien mit drei oder mehr Kindern in Deutschland. Ich bemerke einen spürbaren Mentalitätswechsel, auch in der Politik. Vielen Kolleginnen und Kollegen ist die Bedeutung von Familien, gerade auch von Familien mit vielen Kindern, sehr wohl bewusst; hier möchte ich ganz klar auch diejenigen einbeziehen, die selber keine Kinder haben, aus welchen Gründen auch immer. Eine allgemeine Stigmatisierung und Herabwürdigung von Mehrkindfamilien, von der die AfD in ihrem Antrag schreibt, stelle ich gerade derzeit in unserer Gesellschaft nicht fest, eher eine Wertschätzung von Familienarbeit.

Im Jahre 2015 gab es 871 000 Haushalte mit Mehrkindfamilien. Im Jahre 2019 sind es schon 977 000 Haushalte. Auch die Geburtenziffer entwickelt sich im langfristigen Trend positiv. 1995 hatten wir in Deutschland den historischen Tiefstand von 1,25 Geburten pro Frau, 2005 waren es schon 1,34 Geburten pro Frau, und im Jahre 2019 lagen wir bei 1,54 Geburten pro Frau. Im langfristigen Vergleich steigt also die Geburtenrate in Deutschland. Das ist ein Erfolg gegen den demografischen Wandel, und das hat auch etwas mit einer guten, verlässlichen Familienpolitik zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Antrag der AfD „Aktive Familienpolitik durch Baby-Willkommensdarlehen“ wäre hingegen keine kluge Familienpolitik. Warum sollten sich Eltern zusätzlich mit 10 000 Euro auf fünf Jahre beim Staat verschulden? Wir hingegen haben ab 2021 erneut eine Erhöhung des Kindergeldes durchgesetzt. Das sind bei einem Kind auf fünf Jahre gerechnet 13 000 Euro, bei zwei Kindern 26 000 Euro und bei drei Kindern fast 40 000 Euro, und von diesem Geld fordert der Staat kein bisschen zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit entlasten wir Familien wirklich.

Darüber hinaus steigt 2021 auch die Gesamthöhe der Freibeträge, der Kinderfreibetrag sowie der Freibetrag für Betreuung, Erziehung, Ausbildung. Werden die Eltern gemeinsam veranlagt, steigen die Freibeträge für 2021 insgesamt um 576 Euro auf 8 388 Euro im Jahr.

Auch das Elterngeld hat sich als Familienleistung in Deutschland bewährt. Von der Bevölkerung wird es sehr geschätzt. Unsere Varianten – Basiselterngeld, Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus – bedeuten eine große Wahlmöglichkeit für die Familien. Elterngeld bekommen Mütter und Väter, die nach der Geburt ihres Kindes nicht oder vorerst nur wenig berufstätig sind. Der Staat unterstützt die Familien mit mindestens 300 Euro und maximal 1 000 Euro im Monat, abhängig vom jeweiligen Nettoeinkommen. Das Elterngeld ist ein Erfolgsmodell. Gerade in diesem Haushalt haben wir den Etat des Elterngeldes um 88 Millionen Euro auf nunmehr über 7 Milliarden Euro erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit dem Schulbedarfspaket entlasten wir Eltern nicht nur beim Schulstart. Wir bieten einen Zuschuss für den Kauf von Schulmaterialien. Eltern und Alleinerziehende haben Anspruch auf 150 Euro Unterstützung pro Schuljahr, wenn sie den Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten. Nicht nur junge Schüler haben einen Anspruch auf dieses Geld und diese Unterstützung, sondern auch Jugendliche bis 25 Jahre, wenn sie eine Berufsschule oder eine allgemeinbildende Schule besuchen.

Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen, fördern wir den Kitaausbau bis 2021 mit insgesamt bis zu 5,4 Milliarden Euro. Für die Ganztagsbetreuung in den Grundschulen stellen wir von 2020 bis 2021 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Für die Eigentumsbildung haben wir das Baukindergeld eingeführt – nun gibt es für den Zeitraum bis März 2021 insgesamt 10 Milliarden Euro –, und das nehmen sehr, sehr viele Familien in Anspruch.

Meine Damen und Herren, das sind finanzielle Unterstützungsleistungen, die zeigen, dass uns die Familien wichtig sind. Wir leisten viel für unsere jungen Familien und unterstützen die Wahlfreiheit in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So treten wir auch dem demografischen Problem wirklich wirksam entgegen.

Mit unseren familienpolitischen Leistungen sind wir im EU-Vergleich gut aufgestellt. Die AfD lobt Frankreich besonders. Aber das französische Kindergeld wird erst ab dem zweiten Kind gewährt. Zwar ist die Geburtenrate in Frankreich noch höher; aber seit 2014 sinkt sie kontinuierlich. Unsere Familienleistungen sind deutlich höher und besser als die in Frankreich, gerade für einkommensschwache Familien sind wir Spitze in Europa.

Lassen Sie mich zuletzt auf den Antrag auf Einführung eines ermäßigten Steuersatzes für Babywindeln eingehen. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung der Umsatzsteuer nach dem Mehrwertsteuersystem eine Gesamtkonzeption, die bereits Grundbedürfnisse des Familienkonsums umsatzsteuerlich begünstigt. Also sind wir nicht „familienblind“, wie Sie schreiben, sondern wir sehen sehr wohl genau hin. Dabei werden – das ist besonders bedeutsam – kindbezogene Dienstleistungen wie zum Beispiel die Tagesbetreuung im Kindergarten oder die Leistungen der Jugendhilfe

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

nach dem SGB VIII grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Die Lieferungen von Lebensmitteln, Schulbüchern und Malbüchern unterliegen ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz.

Der Europäische Gerichtshof hat aber in seinem Urteil bereits festgestellt, dass wir bei der Umsatzsteuerermäßigung wie zum Beispiel bei Säuglingsbekleidung und Kinderschuhen gegen die vereinheitlichten Vorgaben der Mehrwertsteuerrichtlinie verstoßen. Deshalb wäre die Begünstigung von Lieferungen von Babywindeln, Kinderbekleidung oder Spielzeug ebenso nicht zulässig.

Es ist nicht eine einzelne Maßnahme, die gute Rahmenbedingungen für Familien schafft. Wir bieten ein vielfältiges Angebot und unterstützen unsere jungen Eltern. Wir wollen ihnen mit unseren Rahmenbedingungen Lust auf Familie machen, und das zeigen wir; das habe ich gerade ausgeführt. Deshalb lehnen wir, wie Sie sich denken können, die AfD-Anträge ab.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)