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Stephan Stracke: Wir brauchen mehr Flexibilität

Rede zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes

Ein herzliches Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Freunde! Die derzeitige Diskussion zeigt die gesamte Spannbreite der Debatte. Die einen wollen mehr Reglementierung, die anderen mehr Flexibilisierung. Dahinter stehen tatsächlich veränderte Anforderungen unseres Arbeitsalltages, die wir ja zu Recht beschreiben. Das derzeitige Arbeitszeitgesetz bietet allerdings bereits einen abgestuften Flexibilisierungsrahmen: gerade für die Tarifvertragsparteien und beispielsweise auch dann, wenn es um Saisonarbeit geht. Allerdings sehe auch ich: Wir brauchen mehr Flexibilität, es besteht weiter gehender Flexibilisierungsbedarf, und wir brauchen zusätzliche Spielräume für unsere Tarifpartner.

Das ergibt sich zum einen aus der Unternehmenssicht.

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn es darum geht, in Wertschöpfungsketten zu bestehen, Kundenzufriedenheit herzustellen, dann bedarf es entsprechender Flexibilisierungselemente. Nur dann kann ein Unternehmen am Markt entsprechend bestehen.

Das ergibt sich zum anderen aber auch aus der Arbeitnehmersicht: Die Arbeitnehmer wollen mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Freiheiten, sie wollen mehr Raum, um ihr Berufsleben mit den Anforderungen des tagtäglichen Lebens verknüpfen zu können,

(Beifall des Abg. Michael Theurer [FDP])

insbesondere was Sorgetätigkeiten in Erziehung und Pflege angeht.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rückkehrrecht auf Vollzeit zum Beispiel!)

Deswegen brauchen wir eine neue Balance, eine neue Balance zwischen den Flexibilisierungserfordernissen der Unternehmen, Frau Müller-Gemmeke, und den Flexibilisierungswünschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Arbeitszeit ist immer ein Maßanzug, der beiden passen muss, sowohl dem Unternehmer als auch dem Arbeitnehmer. Aus guten Gründen haben wir gesagt: Wir weisen diese Aufgabe den Tarifvertragspartnern zu. Dort ist sie gut aufgehoben. Wir wollen aber zugleich dafür kämpfen und auch dafür sorgen, dass es in diesem Bereich zu zusätzlichen Spielräumen kommt. Dabei geht es in dieser Diskussion nicht um mehr Arbeit, vielmehr wollen wir, dass das, was derzeit geleistet wird, flexibler verteilt wird. Das ist das Stichwort, unter dem die Diskussion läuft.

Wir haben uns innerhalb der Koalition darauf verständigt, Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen zu schaffen. Ja, ich hätte mir an dieser Stelle mehr Mut gewünscht – mehr Mut dahin gehend, dass die Tariföffnung auch für nichttarifgebundene Unternehmen möglich gewesen wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die SPD war in diesem Bereich noch nicht so weit.

(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Gott sei Dank!)

Aber ich glaube, wir machen mit den Experimentierräumen einen Anfang und beleben nochmals die Diskussion.

Was die Ruhezeiten angeht, muss ich der FDP sagen: Ich glaube, wir müssen angesichts der Diskussion, die zwischen den Tarifvertragsparteien und innerhalb der Gewerkschaften sehr streng und kontrovers geführt wird, aufpassen, die Debatte jetzt nicht einseitig mit der Diskussion um Ruhezeiten zu belasten. Klar ist: Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf den Tarifvertragsparteien die Regelung der Ruhezeit überlassen; das ist auch richtig so. Allerdings würde ich die Diskussion damit nicht belasten wollen.

Wir sollten zunächst einmal damit anfangen, in der Verteilung der Arbeit flexibler zu werden. Das versuchen wir über die Experimentierräume zu erreichen. Wir hoffen, dass wir unsere Überlegungen in der Koalition, gerade was die befristete Arbeitszeit angeht, zusammen mit den generellen Überlegungen zur Arbeitszeit in einem arbeitsrechtlichen Gesamtpaket auf den Weg bringen können. Das ist unsere Erwartungshaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage? Das würde Ihre Redezeit verlängern.

Stephan Stracke (CDU/CSU):

Ja, gerne.

Jutta Krellmann (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Ich habe mir das ziemlich lange angehört, aber zum Schluss ist es mir einfach zu viel geworden. Wissen Sie was: Sie schaffen Experimentierräume und reden davon, dass das Arbeitszeitgesetz auf diesem Weg per Tarifvertrag geöffnet werden soll.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das ist die Frage?)

Was passiert denn, wenn ein Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband wieder austritt, was nicht ungewöhnlich ist, oder eine OT-Mitgliedschaft anstrebt? Wie wollen Sie die Tür wieder schließen, die Sie aufgemacht haben? Sie glauben doch selbst nicht, dass das dauerhaft so bleibt, wenn Sie einmal die Tür aufgemacht haben.

Alle Redner, insbesondere meine Kollegin, haben hier gesagt: Das sind Schutzgesetze. Sie greifen Schutzgesetze in einer Weise an, die einfach nicht in Ordnung ist. Das hat nichts mit Experimentieren zu tun. Das hat etwas mit Gesundheitsschutz zu tun. Denken Sie doch einmal an Entschleunigung und nicht daran, alles noch breiter zu machen. Deutschland ist das flexibelste Land in Bezug auf die Arbeitszeit.

(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Was ist die Frage? Die Frage ist vergessen worden!)

Genau die soll noch flexibler werden? Wie wollen Sie das in den Griff bekommen? Das geht doch alles gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Stephan Stracke (CDU/CSU):

Frau Kollegin, mich wundert, welche Haltung Sie gegenüber den Tarifvertragsparteien haben und welche Geringschätzung Sie den Sozialpartnern entgegenbringen. Sie reden davon, dass das, was wir innerhalb dieser Koalition auf den Weg bringen wollen, dazu führt, dass Arbeitnehmerrechte erodieren würden. Das Gegenteil ist der Fall. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich doch zusammensetzen und überlegen, wie man diesen Rahmen ausfüllt. Das hat doch überhaupt nichts mit einer Erosion von Schutzrechten zu tun, so wie Sie es beschreiben. Das ist eine Missinterpretation dessen, was wir uns vorgenommen haben.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Tarifgebunden!)

– Frau Kollegin, vielleicht lassen Sie mich ausreden. – Im Übrigen wäre es besser, wenn Sie den Koalitionsvertrag lesen würden. Dort ist von tarifgebundenen Unternehmen die Rede. Nur darauf bezieht sich die Koalitionsvereinbarung und nicht auf das, was Sie hier in Rede stellen. Sie sehen, dass all das, was Sie vorbringen, nicht Realität wird und leider neben der Sache ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Applaus ist jetzt genau richtig platziert. Meine Redezeit ist auch abgelaufen.

Herzliches Dankeschön, Herr Präsident.