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Stephan Stracke: Deutschland ist und bleibt international in der Verantwortung

Rede zum Protokoll über Zwangs- oder Pflichtarbeit

Die Internationale Arbeitsorganisation, ILO, wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Vor einem Monat hat sie ihren Festakt zu ihrem 100-jährigen Bestehen in Berlin begangen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Festrede die Arbeit der ILO gewürdigt. Die ILO steht für anständige Arbeitsverhältnisse und menschenwürdige Bedingungen. Gesunde und gute Arbeitsbedingungen sind ein menschliches Grundrecht. Das gilt für alle ILO-Mitgliedstaaten unabhängig vom Stand ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Dafür hat die ILO in den 100 Jahren ihrer Geschichte gekämpft, und das bleibt auch die Herausforderung für die Zukunft.

Dazu zählt auch die Bekämpfung von Zwangsarbeit und Menschenhandel. Nach aktuellen Zahlen der ILO befinden sich zurzeit weltweit etwa 25 Millionen Menschen in Verhältnissen von Zwangs- und Pflichtarbeit, eine besorgniserregende Zahl. Die Bekämpfung von Zwangsarbeit und Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung hat für uns als Deutsche nicht zuletzt aufgrund unserer besonderen historischen Verantwortung eine hohe politische Relevanz. Im Koalitionsvertrag wird diese Bedeutung explizit unterstrichen. Die Koalitionsparteien haben die Bundesregierung ausdrücklich aufgefordert, ihre Strategie zur Bekämpfung von Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Arbeitsausbeutung fortzusetzen und zu intensivieren.

Dazu gehört auch das Übereinkommen Nummer 29 der ILO über Zwangs- oder Pflichtarbeit aus dem Jahr 1930. Das Übereinkommen ist nach über 80 Jahren angepasst und überarbeitet worden. Mit dem ILO-Protokoll von 2014 wird das Übereinkommen dahin gehend ergänzt, dass es Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung als eine wesentliche Form der Zwangsarbeit heute anerkennt und effektive Maßnahmen zur Prävention, zur strafrechtlichen Verfolgung und zum Opferschutz fordert. Deutschland hat an den Arbeiten am Protokoll eng mitgearbeitet. Die Ratifikation des ILO-Protokolls ist der Schlusspunkt eines langen Prozesses, der damit aber nicht zu Ende ist.

Deutschland ist und bleibt international in der Verantwortung. Denn in global vernetzten Volkswirtschaften macht Verantwortung für gute Arbeit nicht an nationalen Grenzen halt. Unser Wohlstand darf nicht auf Kosten anderer gehen. Deutschland ist ein wohlhabendes Land, das wirtschaftlich einflussreich ist und deshalb auch Einfluss in Fragen der Arbeits- und Menschenrechte nehmen muss. In anderen Ländern sieht das vielfach anders aus: Menschenrechte werden mit Füßen getreten, faire Löhne und Mitbestimmungsrecht verweigert. An dieser Stelle bin ich froh über das Engagement von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der das seit langem anprangert und auf die politische Tagesordnung hebt. Mit dem Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ haben wir eine Grundlage für verantwortliches Handeln von Unternehmen in Lieferketten geschaffen. In einem Monitoring-Prozess werden wir überprüfen, ob die Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht angemessen nachkommen oder nicht.

Auch in Deutschland gibt es Handlungsbedarf. Deutschland erfüllt zwar die Anforderungen des ILO-Protokolls. Unser nationales Recht setzt die Vorgaben bereits wirksam um. Das heißt aber nicht, dass wir uns zurücklehnen und die Hände in den Schoß legen können. Auch in unserem Land gibt es Missstände auf dem Arbeitsmarkt, zum Beispiel im Bereich der sogenannten Tagelöhnerbörsen wie den „Arbeitsstrich“ in Großstädten. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir mit dem Gesetzentwurf gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch die Voraussetzungen schaffen, Arbeitnehmer besser gegen solche illegalen Lohnpraktiken und Arbeitsausbeutung zu schützen. Wir verdoppeln das Personal bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit mittelfristig auf 13 500 Stellen. Daneben erhält die Finanzkontrolle Schwarzarbeit neue Zuständigkeiten und kann damit noch effektiver gegen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung vorgehen.

Mit dem Vertragsgesetz hat die Bundesregierung die Voraussetzungen für die Ratifikation des ILO-Protokolls und damit einen wichtigen Beitrag zur effektiven Bekämpfung von Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung geschaffen. Mit der heutigen parlamentarischen Verabschiedung des Gesetzes greifen wir diesen Aufschlag als Deutscher Bundestag auf und setzen ihn um. Allerdings gibt es noch viel zu tun. Denn mit uns haben erst 28 der 185 ILO-Mitgliedstaaten das Protokoll ratifiziert, davon 15 EU-Mitgliedstaaten. Umso wichtiger ist, dass wir als Deutschland vorangehen und auch andere Länder ermutigen, unseren Weg mitzugehen.