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Stephan Pilsinger: "Wir passen das nationale Medizinprodukterecht an die neuen EU-Vorgaben an"

Rede zum Medizinprodukterecht

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor mittlerweile über fünf Jahren wurde bekannt, dass die französische Firma PIP im großen Stil mangelhafte Brustimplantate in Verkehr gebracht hat. Über 400 000 Frauen weltweit waren von dem Skandal betroffen. Bei dieser Zahl handelt es sich aber lediglich um eine Schätzung der Europäischen Kommission. Ein funktionierendes System zur Überprüfung und Registrierung von Medizinprodukten existierte zum damaligen Zeitpunkt nicht.

Um solche Fälle in Zukunft zu verhindern, ist es unbedingt notwendig, die Erfüllung wesentlicher Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen an Medizinprodukte von nun an verbindlich zu zertifizieren. Dazu gehört auch, dass die nationalen Behörden die Zertifizierungsstellen überwachen und kontrollieren.

Nach über vier Jahren der Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und dem Europäischen Parlament ist am 25. Mai 2017 die neue Verordnung über Medizinprodukte, kurz MDR, in Kraft getreten. Damit werden endlich verbindliche Regelungen getroffen, die die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer von Medizinprodukten langfristig gewährleisten. Die Medizinprodukte-Verordnung schafft einen verlässlichen und nachhaltigen Rechtsrahmen für Medizinprodukte, der nicht nur ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleistet, sondern gleichzeitig auch europäische Innovationen in diesem Bereich ermöglicht und fördert.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf passen wir das nationale Medizinprodukterecht nun rechtzeitig vor Geltungsbeginn der Verordnung im Mai 2020 an die neuen EU-Vorgaben an. Uns ist aber auch bewusst, dass der anstehende Geltungsbeginn der Verordnung insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen vor große Herausforderungen bei der praktischen Umsetzung stellt. Das hängt vor allem mit den sogenannten Benannten Stellen und den zuständigen Behörden zusammen, die in den kommenden Monaten eine reibungslose Umstellung gewährleisten müssen.

Durch die MDR werden die Anforderungen an die Benennung und Überwachung der Prüfstellen nochmals verschärft. Das heißt, alle europäischen Benannten Stellen müssen mit Geltungsbeginn der MDR neu benannt werden. Aufgrund der langen Dauer dieses Benennungsprozesses zeichnet sich daher ein Engpass bei der Zahl der Benannten Stellen ab. Diese sind aber dringend notwendig, da sie die Produkte der Hersteller nach den Regelungen der neuen Verordnung zertifizieren müssen. Auch die Bundesregierung hat erkannt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, und hat sich auf europäischer Ebene für eine Anpassung von Übergangsfristen eingesetzt.

Bei Produkten niedriger Risikoklasse fehlte es bisher an einer entsprechenden Vorschrift, wie sie die Verordnung bei Medizinprodukten höherer Risikoklasse bereits vorsah. Dank des von der Bundesregierung unterstützten zweiten Corrigendums zur Medizinprodukte-Verordnung wird vielen Unternehmen besonders im kleinen und mittelständischen Sektor der Übergang erleichtert. Konkret bedeutet das: Medizinprodukte der niedrigen Risikoklasse I, die mit Ende der Umsetzungsfrist vom 25. Mai 2020 höher klassifiziert werden, profitieren nun von einer verlängerten Frist bis zum 26. Mai 2024. Die Behörden und Benannten Stellen werden dadurch deutlich entlastet, und das hilft nicht nur den kleineren Herstellern, sondern auch den Unternehmen, die unverzichtbare Medizinprodukte höherer Risikoklassen herstellen, beispielsweise für die Verwendung im OP oder im intensivmedizinischen Bereich.

Diese Tatsache sollte uns aber nicht davon ablenken, dass wir noch immer nicht über eine ausreichende Zahl Benannter Stellen verfügen. Vom ursprünglich angesetzten Ziel, nämlich bis zum Geltungsbeginn EU-weit etwa 50 Einrichtungen bereitzustellen, sind wir aktuell noch weit entfernt. Wir müssen also davon ausgehen, dass es nach Geltungsbeginn der neuen Verordnung zu Wartezeiten für Unternehmen kommt. Und das ist ein kritischer Punkt;

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

denn kleine und mittlere Unternehmen kann das in eine wirtschaftliche Schieflage bringen.

Die Umsetzung der neuen MDR kann nur dann funktionieren, wenn alle nötigen Voraussetzungen für einen reibungslos ablaufenden Zertifizierungsprozess vorhanden sind. Bevor wir in eine Situation geraten, in der kleine und mittelständische Medizintechnikunternehmen vom Markt verschwinden und mit ihnen natürlich auch eine große Anzahl von Produkten, müssen wir geeignete Übergangsvoraussetzungen und adäquate Begleitmaßnahmen schaffen. Damit unterstützen wir nicht nur den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern stellen auch die Versorgungssicherheit für die Zukunft sicher.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und das sind wir vor allem den Nutzerinnen und Nutzern der Medizinprodukte schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)