Skip to main content

Silvia Breher: "Wir wollen nicht nur die rechtliche Gleichberechtigung auf dem Papier"

Errichtung der Bundesstiftung Gleichstellung

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe überlegt, was ich zu der Rede der AfD sagen kann; aber mir fällt einfach nichts ein.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Gar nichts! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Lassen!)

– Das lassen wir.

Ich würde sagen: Heute ist Endspurt. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart:

Wir wollen eine Bundesstiftung gründen, die sich wissenschaftlich fundiert insbesondere Fragen der gerechten Partizipation von Frauen in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft widmet.

Es hat ein bisschen gedauert, aber heute kommen wir zum Endspurt und zur ersten Lesung. Denn unser Grundgesetz gibt uns in Artikel 3 vor: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Das ist richtig. Rechtlich haben wir unser Ziel erreicht. Aber tatsächlich, im Alltag, im normalen Leben – jeder wird es bestätigen – haben wir eben immer noch Unterschiede. Männer und Frauen haben es unterschiedlich schwer oder leicht, ihre Wünsche und Träume zu verwirklichen. Frauen treffen oftmals auf Vorurteile und Hindernisse.

Ein paar Stichworte sind auch von der Frau Ministerin schon genannt worden. Immer noch liegt der größere Teil der Fürsorge, der Hausarbeit, der Familienarbeit bei den Frauen. Wir haben noch immer die Lohnlücke und daraus folgend Altersarmut vor allem bei den Frauen. Die Führungspositionen sind in der Regel männlich besetzt; das zieht sich durch sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft. Sexismus ist im Alltag noch immer präsent, und Gewalt gegen Frauen ist ein großes Thema.

Ich bin eigentlich immer ein sehr, sehr positiver Mensch. Deswegen sage ich nicht, was wir alles nicht erreicht haben, sondern: Wir haben bei diesen Themen schon ganz, ganz viel erreicht. Aber oft ist eben nicht der große gesetzgeberische Wurf erforderlich, sondern, dass wir auf Zwischentöne, auf die leisen Töne hören müssen, wenn wir etwas ändern wollen. Solange wir noch nicht alles erreicht haben, müssen wir weitermachen. Denn unser Grundgesetz verpflichtet uns in Artikel 3: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung …“ – nicht nur die rechtliche, sondern die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung – „und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Wir wollen nicht nur die rechtliche Gleichberechtigung auf dem Papier; wir wollen auch die tatsächliche Gleichberechtigung. Dazu machen wir mit dieser Stiftung den nächsten Schritt. Die Stiftung soll die Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland stärken und fördern. Auf den ganz verschiedenen Ebenen passiert schon viel, aber – und das ist entscheidend – die Zusammenführung fehlt. Das soll am Ende mithilfe dieser Stiftung erfolgen.

Die Aufgaben der Stiftung lassen sich wie in einem Vier-Säulen-Modell wie folgt aufsplitten: Sie soll erstens Informationen bereithalten, also Daten und Fakten zusammentragen und für die Öffentlichkeit aufbereiten – der Gleichstellungsatlas wurde schon genannt –, Forschungslücken aufdecken – sie soll also nicht selber forschen – und gegebenenfalls ergänzende Forschung in Auftrag bringen.

Zweitens soll diese Stiftung Gleichstellung vor Ort in der Praxis stärken, also Beratung von Zivilgesellschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft anbieten, als Bindeglied zwischen diesen Akteuren fungieren und einen Dialog herstellen.

Drittens. Sie soll innovative Ideen für die Gleichstellungspolitik entwickeln und deren Umsetzung begleiten.

Viertens. Sie soll ein offenes Haus der Gleichstellung sein, also Akteuren, die schon aktiv sind, aber auch neuen einen Raum für Vernetzung und einfach eine Möglichkeit der Begegnung und der Zusammenführung von allem geben.

On top werden wir die Geschäftsstelle für die Gleichstellungsberichte, die bislang im Ministerium angesiedelt ist, in diese Stiftung überführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Gleichstellungspolitik, unser Ansatz beruht auf Artikel 3 im Grundgesetz. Gleichstellung bedeutet für uns die Herstellung gleicher Chancen, nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich. Es heißt eben nicht Gleichmacherei und im Ergebnis 100 Prozent Gleichheit in allen Punkten, sondern tatsächlich die Durchsetzung von wirklicher Chancengleichheit. Alles andere würde unserem Menschenbild nicht entsprechen.

Was wir wollen, ist nicht nur die Gleichheit nach der Rechtslage, sondern eine tatsächliche Chancengleichheit. In diesem Sinne werden wir die Stiftung – so ist es im Direktorium angelegt – auch paritätisch besetzen, mit einem Mann und mit einer Frau. Das Parlament soll durch Vertreter im Stiftungsrat die Stiftung in ihrer Arbeit eng begleiten.

Wir sind davon überzeugt, dass diese Stiftung einen wesentlichen Beitrag für die Gleichstellung, für die Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik in Deutschland liefern wird.

Der erste Gesetzentwurf liegt vor. Wir gehen in die Beratung. Wir werden noch eine Anhörung haben. Aber ich glaube, wir haben alle gemeinsam gut vorgearbeitet, und ich freue mich auf diese weiteren Beratungen. Wir werden in Kürze auch zur zweiten und dritten Lesung kommen; davon bin ich – ich gucke mal meine Kollegin Frau Ortleb an – und sind wir überzeugt. Ich freue mich auf die weiteren Gespräche zu diesem Thema.

Vielen, vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)