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(Quelle: Rudolf Henke (CDU) ist Mediziner und Abgeordneter der Unionsfraktion | Foto: Tobias Koch)

„Sicherheit hat oberste Priorität“

Rudolf Henke zu Corona-Impfungen und dem mutierten Virus

Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat am Montag grünes Licht für die Zulassung des ersten Impfstoffes gegen das Coronavirus in der Europäischen Union gegeben. Er wurde von der Mainzer Firma BioNTech in Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen Pfizer entwickelt. In Deutschland wird mit den Impfungen voraussichtlich unmittelbar nach Weihnachten begonnen. Fragen rund um die Impfungen an den CDU-Abgeordneten und Internisten Rudolf Henke. 

Herr Henke, der Impfstoff wurde in Rekordzeit entwickelt und in Windeseile zugelassen. Kann man davon ausgehen, dass er wirklich sicher ist?

Henke: Die Sicherheit und ein positives Nutzen-Risiko-Profil haben für die Zulassung oberste Priorität. Deshalb hat es bei den präklinischen Untersuchungen und klinischen Prüfungen keine qualitativen Abstriche gegeben. 

Der Zeitgewinn im Vergleich zur Zulassung anderer Impfstoffe hat mehrere Gründe: die bereits geleisteten Vorarbeiten zu ähnlichen Coronaviren, die Einreichung von Zwischenergebnissen bei den Zulassungsbehörden, die finanzielle Absicherung der Hersteller durch die internationale Staatengemeinschaft und die starke Ausbreitung des Virus. Die neuartigen mRNA-Impfstoffe, die die Produktion eines bestimmten Proteins anregen, haben entgegen mancher Gerüchte keinen Einfluss auf die menschliche DNA. Ich habe keinerlei Bedenken, mich selbst impfen zu lassen, wenn ich an der Reihe bin.

Angesichts zunächst begrenzter Mengen an verfügbaren Impfdosen muss bestimmt werden, welche Gruppen zuerst geimpft werden. Ist die jetzt vorgesehene Priorisierung richtig?

Henke: Ja, die Reihenfolge in den nächsten Wochen muss sich nach der möglichst wirksamen Verhütung von Todesfällen, von schwerer Krankheit und von stationärer Behandlung richten. Das Alter hat sich als ein zentraler Risikofaktor herausgestellt. Die Priorisierung basiert auf medizinisch-wissenschaftlichen sowie ethischen Überlegungen, die die Ständige Impfkommission (STIKO), der Ethikrat und die Leopoldina in den vergangenen Monaten angestellt haben und weiterhin anstellen. Mit Blick auf neue Erkenntnisse oder neue Impfstoffe hat das Bundesministerium für Gesundheit übrigens vom Parlament die Befugnis erhalten, die Modalitäten fortlaufend anzupassen.

„Vorsichtsmaßnahmen noch länger erforderlich“

Ab wann rechnen Sie damit, dass die berühmte „Herdenimmunität“ erreicht wird, die eine Rückkehr zur Normalität ermöglichen soll?

Henke: Bisher wissen wir noch nicht, inwieweit die verschiedenen Impfstoffe auch die Übertragung des Virus mindern können und Gemeinschaftsschutz realistisch ist. Deshalb wird unsere Rückkehr zur Normalität auf absehbare Zeit von den geübten Schutzmaßnahmen begleitet sein. Als erstes Etappenziel streben wir jetzt hohe Impfquoten unter den rund 27 Millionen Risikopersonen an. Das reduziert auch die Überlastungsrisiken für die Krankenhäuser und Intensivstationen. Sobald genügend Impfstoff für alle zur Verfügung steht, verlegen wir die Impfungen aus den Impfzentren in die Hände der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Ich hoffe auch auf eine starke Beteiligung der Betriebsärzte. Dann können wir die Herdenimmunität bei einer Impfquote von ca. 70 Prozent vor dem Winter 2021 erreichen.

„Vorsicht ja – Panik nein“

Für wie gefährlich halten Sie die Mutation des Coronavirus, die in Großbritannien und anderen Ländern aufgetreten ist?

Henke: Zunächst ist die Nachricht wenig überraschend, weil sich Viren immer genetisch verändern können. Die Eigenschaften des Virus müssen sich dabei nicht zwangsläufig ändern. Bisher gibt es seitens der Wissenschaft zum Glück keine Erkenntnisse, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen beeinträchtigt sein könnte. Bei aller verständlichen Sorge im politischen Raum teile ich die Ansicht, dass wir zunächst bessere Daten aus Großbritannien brauchen, insbesondere zur vielfach zitierten Infektiosität bzw. Wachstumsrate. Also kein Anlass zu Panik, aber Vorsicht ist richtig.