Skip to main content

Rudolf Henke: Was wir brauchen, sind Solidarität und Subsidiarität

Redebeitrag zur Regierungserklärung - Bewältigung der COVID-19-Pandemie

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen hat digital, nicht wie sonst hier in Berlin, die 32. Konferenz der Fachberufe im Gesundheitswesen stattgefunden. Vor den 40 beteiligten Organisationen hat das Mitglied des Präsidiums des 3. Ökumenischen Kirchentages 2021 in Frankfurt, Herr Professor Eckhard Nagel, daran erinnert, was Gesundheit eigentlich ist.

Gesundheit ist wie Frieden, Sicherheit und Freiheit ein besonderes, ein transzendentales, ein konditionales Gut. Konditionale Güter sind die Bedingung der Möglichkeit zum Genuss aller anderen Güter. Der Einzelne kann selbst zum Erhalt seiner Gesundheit beitragen, allerdings nur bedingt und nur in dem Umfang, in dem auch andere auf den Erhalt seiner Gesundheit Rücksicht nehmen. Und eine Gesellschaft ohne ausreichende Versorgung mit konditionalen Grundgütern ist keine gerechte Gesellschaft. Deshalb bedarf es gesellschaftlicher Regelungen.

Laufenlassen, ob im Allgemeinen oder ob in dieser konkreten Situation der Coronapandemie, ist ein Verstoß gegen diesen Gedanken. Was wir brauchen, sind Solidarität und Subsidiarität. Das sind die Grundprinzipien im deutschen Gesundheitswesen. Solidarität und Subsidiarität sind auch die Grundprinzipien unseres Kampfes gegen Corona. Laufenlassen ist keine Antwort, die geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich sage nicht, dass die USA es laufen lassen würden, weil ja auch in den USA viele, viele Maßnahmen ergriffen worden sind. Aber ich will einmal die 262 000 Coronatoten bei 328 Millionen Einwohnern in den USA mit den Verhältnissen hier vergleichen. Wenn das die Verhältnisse hier wären, dann hätten wir bei 82 Millionen Einwohnern 65 000 Tote statt der – schlimm genug und in jedem Einzelfall kaum zu ertragen – 15 000 Toten. Deswegen haben wir dank der Maßnahmen mindestens diese Differenz von 50 000 Menschenleben. Ich glaube, gegenüber dem, was an uns herangetragen wird, dass wir es eigentlich machen sollten – alles laufen lassen –, haben wir hunderttausend Menschenleben in diesem Jahr gerettet.

Dafür bin ich allen dankbar, die daran mitgewirkt haben:

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

den Menschen, die sich an die Regeln halten, den Menschen in den Praxen, den medizinischen Fachangestellten, den Ärztinnen und Ärzten, die dafür sorgen, dass nicht jeder ins Krankenhaus geschickt wird, denen, die in den Krankenhäusern ihren Dienst tun, denen, die in den Gesundheitsämtern ihren Dienst tun, aber auch denen, die im politischen Raum, im Bundesministerium für Gesundheit, in den Länderministerien, im RKI und wo auch sonst noch überall, ihre Leistung dafür erbracht haben, dass hunderttausend Menschen in diesem Jahr das Leben gerettet worden ist. Ich finde, das ist Teil einer guten Bilanz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt stellt sich die Frage: Wie wird es denn in Zukunft sein? Machen wir weiter mit einem Lockdown nach dem anderen? – Ja, es ist wahr: Wir waren im ersten Lockdown innerhalb von sechs Wochen von dem Schwellenwert 50 Infizierter pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen bei Verhältnissen von unter 5 – innerhalb von sechs Wochen. Jetzt haben wir es in den vergangenen sechs Wochen geschafft, dazu zu kommen, dass wir eine Seitwärtsentwicklung haben. Das weist darauf hin, dass wir eine Erfahrung gemacht haben, die wir jetzt vielleicht noch einmal umsetzen sollten, aber nicht als dauerhafte Perspektive.

Die dauerhafte Perspektive besteht vielmehr darin, dass wir uns vorbereiten auf die Impfkampagnen, mit denen wir die Situation ändern können. Die Impfstoffe an die Menschen zu bringen, wird, wenn es genügend Dosen gibt, kein Hexenwerk sein. Es wird sehr davon abhängen, welche Impfstoffe in welcher Menge verfügbar sind. Aber im Kern sind wir in Deutschland mit den niedergelassenen Ärzten, mit denen in den Krankenhäusern und mit den Betriebsärzten natürlich in der Lage, am Tag bis zu 500 000 Menschen zu impfen. Wir können in kurzer Zeit einen Immunitätsschutz für eine hohe Zahl von Menschen zustande bringen.

Weil diese Perspektive da ist, sollten wir nach allem, was wir über die erlangbaren Dosierungen wissen, in der Lage sein, die 27 Millionen Menschen, die besonders gefährdet sind, und die Menschen, die im Gesundheitswesen, im Pflegewesen, in Behinderteneinrichtungen besonders exponiert sind, auch in einer kurzen Zeit zu impfen. Wir haben ja jetzt in wenigen Monaten über 20 Millionen Menschen gegen Grippe geimpft. Warum soll das bei der Coronaimpfung nicht möglich sein? Natürlich ist das in wenigen Monaten stemmbar. Und dann ändert sich die Situation.

Deswegen trete ich dafür ein, dass wir bis dahin, möglichst noch in diesem Jahr, einen neuen Coronaindex entwickeln, in dem wir nicht nur Infektionszahlen auflisten, sondern mindestens auch die Zahl jener, die aus dem Kreis der Gefährdeten und aus dem Kreis derer, die in Berufen arbeiten, wo sie mit Menschen in Kontakt kommen und sich besonders exponieren, bereits Immunitätsschutz genießen. Wenn uns das gelingt, haben wir ein gutes Steuerungsinstrument in der Hand: Dann können wir die Maßnahmen erstens an der Infektionshäufigkeit –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.

 

Rudolf Henke (CDU/CSU):

– und zweitens an der Zahl der in der Impfkampagne Immunisierten orientieren. Dann wird es besser, und es ist Licht am Horizont.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)