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Rudolf Henke: "Eltern und Staat müssen die Pflichten ernst nehmen"

Rede zur Förderung von Kinderwunschbehandlungen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Für viele Menschen sind Kinder ein wesentlicher Teil ihrer Sehnsucht und Suche nach dem Sinn des Lebens. Der Deutsche Ethikrat nennt die Geburt eines Kindes die „biologische Manifestation der Gemeinsamkeit“.

Die Geburt der Kinder ist wohl eine der emotionalsten Erfahrungen, die ein Mensch Zeit seines Lebens machen kann. Unsere älteste Tochter hat am 27. Januar unser fünftes Enkelkind Valentin Janne zur Welt gebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich kann selbst als Großvater empfinden, wie emotional dieses Erlebnis ist.

Geht ein Kinderwunsch auf natürlichem Weg nicht in Erfüllung, dann kann das – die Kollegin hat das gerade eindrücklich geschildert – für das Paar eine riesige Belastungsprobe werden. Dennoch: Ein Recht auf ein Kind gibt es nicht; denn eine Garantie auf ein Kind kann keiner geben.

(Beifall des Abg. Hansjörg Müller [AfD])

Aber die Medizin von heute bietet etliche Möglichkeiten, durch künstliche Befruchtung eine Schwangerschaft herbeizuführen. Damit stehen Paare mit unerfülltem Wunsch vor der Frage, ob und welche der Möglichkeiten, die uns die reproduktive Medizin bietet, sie in Anspruch nehmen wollen. Aber ehe Möglichkeiten der reproduktiven Medizin genutzt werden, müssen die Paare abwägen, ob und bis wohin sie sich mit dem Verhältnis von Belastung und Risiko einverstanden erklären wollen; denn der Weg über die reproduktive Medizin ist kein einfacher. Auch die Gesellschaft insgesamt muss die Frage nach dem Verhältnis von Nutzen, Schaden und Risiko beantworten, ehe sie entscheidet, welche Methoden sie zulässt, fördert und finanziert oder eben nicht.

Gegenwärtig haben Ehegatten gemäß SGB V einen Anspruch auf die hälftige Finanzierung der Kosten für bis zu drei Versuche. Voraussetzung ist, dass die Maßnahme ärztlich indiziert ist, ein Aufklärungsgespräch über medizinische und psychosoziale Gesichtspunkte erfolgte sowie Ei und Samenzelle von den Ehepartnern stammen. Die Förderung gilt für Frauen vom vollendeten 25. Lebensjahr bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres. Der Mann darf das 50. Lebensjahr nicht vollendet haben.

2012 hat die damalige christlich-liberale Bundesregierung beschlossen, sich über die durch die Krankenkassen gewährte Förderung hinaus finanziell an den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für die erste bis vierte Behandlung zu beteiligen, anders als im SGB V. Der Bundeszuschuss fließt aber nur, wenn das jeweilige Bundesland mindestens in der gleichen Höhe fördert. Sie haben darauf hingewiesen, dass Nordrhein-Westfalen nach dem Koalitionsvertrag dabei ist, das vorzubereiten. Das verweist darauf, dass sich Nordrhein-Westfalen in der Zeit der vorigen rot-grünen Landesregierung daran nicht beteiligt hat. 2015 wurde die Regel auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ausgeweitet – davon war schon die Rede –, aber in der Richtlinie der Bundesregierung heißt es, dass es sich dabei um eine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau handelt, die auf eine längere Zeit und Dauer angelegt ist, keine weitere Lebensgemeinschaft zulässt und sich durch eine innere Bindung auszeichnet. – Das betrifft also nicht jede Beziehung, sondern Beziehungen, die diese Anforderungen erfüllen. Dass nur Paare von einer Förderung profitieren können, die in einem Bundesland leben, das sich in gleicher Weise wie der Bund an den entsprechenden Behandlungen beteiligt, darüber müssen wir sicherlich in den Ausschüssen diskutieren. Ich verstehe das Ziel, allen Paaren, unabhängig vom Bundesland, in dem sie leben, die gleiche Unterstützung zu garantieren.

Bei Ihren anderen Forderungen bin ich wesentlich skeptischer. Sie fordern eine finanzielle Förderung für die Nutzung von kryokonservierten Ei- und Samenzellen; besser bekannt unter dem Begriff Social Freezing. Wenn eine akute Erkrankung oder deren Therapie die Fruchtbarkeit eines Menschen nachhaltig beeinträchtigt, dann halte ich als Arzt diese Möglichkeit für geboten. Ich bin auch offen für eine Diskussion darüber, ob wir das in einem klar abgegrenzten Rahmen kodifizieren können, um Rechtsprechungen durch das Bundessozialgericht zu vermeiden. Das Bundessozialgericht hat dazu schon geurteilt, manche Krankenkassen folgen dem Urteil regelmäßig, andere nicht regelmäßig.

Ich glaube nicht, dass man das Selbstbestimmungsrecht überstrapazieren sollte. Insbesondere sollte man Social Freezing nicht zum Instrument der eigenen Karriereplanung machen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

weil man sonst Gefahr läuft, das Recht des Kindes auf sein Wohl außer Acht zu lassen.

Wir müssen uns ohnehin mit der Frage auseinandersetzen, ob wir alle technischen Möglichkeiten, die mit den rasanten Fortschritten in der Reproduktionsmedizin verbunden sind, einsetzen wollen oder nur solche, die einen krankhaften Gesundheitszustand korrigieren. Wir können doch nicht auf der einen Seite für die Akzeptanz der Work-Life-Balance streiten – besonders die jüngere Generation fordert sie zu Recht ein –, eine Familienpolitik verfolgen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert, und auf der anderen Seite medizinische Eingriffe fördern, die den biologischen Zyklus völlig auf den Kopf stellen, weil die Natur nicht zur Lebensplanung passt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eltern und Staat müssen die Pflichten ernst nehmen, die das Elternsein nun einmal mit sich bringt. Diese starke Gewichtung des künftigen Wohls des Kindes hat – nach meinem Verständnis; darüber werden wir in den Ausschüssen diskutieren – nicht den notwendigen Stellenwert, insbesondere in Bezug auf Ihre Forderung nach der gleichberechtigten Ausweitung der finanziellen Förderung auf Alleinstehende. Natürlich gehen Beziehungen zu Bruch, auch solche zwischen Partnern, die ein gemeinsames Kind haben. Zur Realität gehört aber auch, dass viele Alleinerziehende mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen zu kämpfen haben, zum Beispiel in den Bereichen Erziehung, Fürsorge und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das sind doch keine Konstel­lationen, bei denen die Politik sagen kann: Das ist die ideale Umgebung für das Heranwachsen eines Kindes; solche Konstellationen wollen wir durch politische Förderung gezielt herbeiführen.

Wir werden im Ausschuss sicherlich über die Frage der Altersgrenzen diskutieren. Die Altersgrenzen hat sich nicht irgendjemand Grimmiges einfallen lassen, vielmehr sind sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen definiert worden, mit Blick auf die biologische Situation und auf die Vermeidung unnötiger Kinderwunschbehandlungen vor dem 25. Lebensjahr, und mit Blick darauf, dass die Erfolgsrate dieser Behandlungen nach dem 40. Lebensjahr rapide absinkt.

Im Juli 1978, also vor fast 40 Jahren, kam in England das erste sogenannte Retortenbaby zur Welt. Seitdem hat die Reproduktionsmedizin eine rasante Entwicklung genommen. In Deutschland gibt es mittlerweile über 130 Reproduktionszentren. 2016 gab es über 100 000 Behandlungen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Ich komme zum Schluss. – 2015 wurden mehr als 20 000 Kinder nach einer künstlichen Befruchtung geboren; 2011 waren es noch 7 000. Ich möchte, dass wir immer wieder hinterfragen, ob wir uns von dem, was im Labor möglich ist, treiben lassen wollen. Ich glaube, dass auch hier bewusste Entscheidungen notwendig sind: Das Mögliche ist nicht automatisch auch das Richtige.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)