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Rudolf Henke: Die Gefährlichkeit von Drogen ergibt sich aus den Wirkmustern

Rede zu Cannabis-Modellprojekten

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist nicht die erste Debatte, die wir über dieses Thema führen. Mit einem ähnlichen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen haben wir uns schon in der letzten Legislaturperiode befasst. Die Positionierung der Grünen und der FDP war Gegenstand der Sondierungsberatungen. Aber alle diesbezüglichen Punkte blieben gelb markiert, waren also offene Punkte. Der Abbruch der Verhandlungen durch die FDP hat dazu geführt, dass wir nie erfahren werden, wie die Sondierungsgespräche in diesem Punkt ausgegangen wären. „Selbst daran schuld“, muss man in Richtung FDP sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Spannungsverhältnis, das wir als Union zur SPD in diesem Punkt haben, bemerken wir auch nicht zum ersten Mal; das gab es schon in der letzten Legislaturperiode. Das führte dazu, dass wir im Jahre 2016 eine sehr ausführliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Grünen durchgeführt haben. Ich will daran erinnern, was der Einzelsachverständige Professor Thomasius dazu vorgetragen hat.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Hören Sie erst einmal zu! – Er hat darauf aufmerksam gemacht, dass das Betäubungsmittelgesetz, über dessen Zukunft wir heute im Wesentlichen sprechen, ein Element einer Vier-Säulen-Politik ist, die in den letzten Jahren auch im Cannabisbereich ständig ausgebaut wurde. Es gibt Präventionsangebote und viele Hilfsmöglichkeiten für Cannabisabhängige. Es wurde schon darauf aufmerksam gemacht, dass sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich Cannabis, gemessen an der Häufigkeit der durchgeführten Therapien, an der Spitze der illegalen Stoffe steht. Cannabis ist also die Droge, die zu den meisten notwendigen Behandlungen führt.

(Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alkohol ist die Droge, die zu den meisten Behandlungen führt!)

– Ich habe von den illegalen Drogen gesprochen. Ich komme gleich noch auf Alkohol und Tabak zu sprechen, weil wir in diesem Bereich natürlich eine integrierte Präventionspolitik brauchen.

Die Gefährlichkeit von Drogen entscheidet sich in der Tat nicht allein an der Frage Legalität/Illegalität, sondern sie ergibt sich aus den Wirkmustern.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, Frau Strack-Zimmermann würde gern eine Zwischenfrage stellen.

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Bitte.

Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege. Das ist sehr nett. – Es soll ein Projekt in der Landeshauptstadt Düsseldorf geben, aus der ich komme. Die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, deren Zentralverwaltung in Köln ist, hat sich bereit erklärt, es wissenschaftlich zu begleiten. Haben Sie das Gefühl, dass die Katholische Hochschule diesbezüglich nicht alle Tassen im Schrank hat? Glauben Sie nicht auch, dass sie vielmehr ein hohes Interesse daran hat, das sehr professionell, sehr sachlich und natürlich auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu begleiten?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Dazu kann ich mir kein Urteil erlauben, weil ich dazu in die wissenschaftliche Debatte über diese Studie eintreten müsste. Ich glaube aber, dass alle die, die derzeit Anträge stellen, übersehen, wie die Gesetzeslage ist. Das ist der Grund dafür, warum auch Sie selber sagen: Wir möchten Modellversuche ermöglichen. – Es wurden Beispiele dafür genannt, dass auch außerhalb von Düsseldorf Anträge gestellt wurden, beispielsweise in Münster.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wurde leider abgelehnt!)

– Ja, diese Anträge sind alle auf der Basis der vorhandenen Rechtslage abgelehnt worden. Das ist, finde ich, nachvollziehbar.

Einer der Teile, die wir zu diskutieren haben werden, betrifft die Frage, ob wir die Verbote für Modellversuche oder generell, wie es andere beantragen, aufheben wollen.

Nur, ich finde, etwas Bestimmtes geht nicht, und dagegen wende ich mich. Wir haben dieses Vier-Säulen-Konzept: Wir haben die Prävention, wir haben die Hilfsmöglichkeiten – wir haben eine sehr ausdifferenzierte Therapielandschaft –, wir haben Konzepte der Schadensminimierung für riskant konsumierende Cannabiskonsumenten, und wir haben das Betäubungsmittelgesetz. Das Betäubungsmittelgesetz hat das Ziel, die Erzeugung und den Handel mit Betäubungsmitteln einzudämmen, um Kinder und Jugendliche vor der Verführung zu schützen.

Ich finde, wir müssen schon mit Blick auf die Anhörung, die wir gehabt haben, widersprechen, wenn im FDP-Antrag steht: „Der Kampf gegen den Cannabiskonsum durch Repression ist gescheitert.“ Durch Umsetzung des FDP-Antrags würde die Wirksamkeit der Cannabiskontrollpolitik reduziert. „Die Verbotspolitik im Bereich Cannabis ist vollständig gescheitert“, heißt es in dem Antrag, den die Linke eingebracht hat. Oder im Gesetzentwurf der Grünen: „Die Prohibitionspolitik im Bereich von Cannabis ist vollständig gescheitert.“

Ich finde, wir müssen schon zur Kenntnis nehmen, dass es vier oder fünf skandinavische Länder gibt, in denen noch weniger regelmäßig gekifft wird als in Deutschland. Aber gerade die Staaten, die Cannabis kontrolliert abgeben, die einen sehr nachlässigen Umgang mit Cannabis pflegen und wenig Prävention leisten und wenig Hilfsangebote machen, wie beispielsweise Tschechien, Portugal, Spanien oder Italien, haben deutlich höhere Konsumquoten.

Zugleich zeigt die 2015 veröffentlichte Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, dass nirgendwo sonst in Europa so viele regelmäßige Cannabiskonsumenten Hilfsangebote wie in Deutschland erhalten. Das heißt, wir haben mit dieser Vier-Säulen-Strategie, zu der das, was im Betäubungsmittelgesetz verankert ist, zählt, von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht Bestnoten bekommen. Deswegen, finde ich, sollte man ein bisschen mit der Notwendigkeit operieren, dass auch eine Evaluation der vierten Säule tatsächlich stattfindet.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, es gibt noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage einer Kollegin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Einverstanden.

Margit Stumpp (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege, vergleichen Sie da nicht Äpfel mit Birnen, wenn Sie sagen: „Wir in Deutschland haben die besten Präventionsangebote“, und dann Staaten mit einem steigenden Cannabiskonsum anprangern, von denen Sie selber sagen, sie hätten völlig unzureichende Präventionsangebote? – Das ist das eine.

Suggerieren Sie nicht völlig falsche Zahlen, wenn Sie vernachlässigen, dass über 2 Millionen Menschen in Deutschland von legalen Schmerzmitteln und über 1 Million Menschen von Alkohol abhängig sind, also von legalen Drogen? Wir wissen doch, dass die Deklaration von „legal“ und „illegal“ willkürlich ist. Ihrem Vergleich liegen völlig unterschiedliche Voraussetzungen zugrunde. Widersprechen Sie sich da nicht selber?

Rudolf Henke (CDU/CSU):

Nein, ich widerspreche mir da nicht. Wir sind uns komplett einig. Das ist aber nicht Gegenstand dieser Vorlagen.

Wir haben ungefähr 100 000 Tabaktote in Deutschland im Jahr. Wir haben ungefähr 40 000 Alkoholtote in Deutschland im Jahr. Wer den Eindruck erweckt, als wäre das Thema Sucht mit den illegalen Suchtstoffen abgehandelt, der hat nicht verstanden, wie es tatsächlich ist.

(Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Für Tabak wie für Alkohol wie für die illegalen Suchtstoffe gilt „Prävention, Prävention, Prävention“ als der zentrale Ansatzpunkt. Wir haben aus diesem Grund in der letzten Legislaturperiode gemeinsam die Möglichkeiten geschaffen, die das Präventionsgesetz nun bietet, und wir haben uns für diese Legislaturperiode vorgenommen, die Möglichkeiten auszubauen. Wir haben in der Koalitionsvereinbarung gesagt, dass wir bei Tabak und Alkohol die heutigen Möglichkeiten gezielt ergänzen wollen. Dazu würden mir viele Dinge einfallen. Das werden wir dann, wenn es dazu kommt, zu bereden haben.

Dass wir im Bereich von Tabak und Alkohol ein ungelöstes Problem haben, ändert doch nichts daran, dass es falsch ist, im Bereich Cannabis aus einem mäßig bis schlecht beherrschten Problem ein völlig ungelöstes Problem zu machen. Das ist doch keine Logik, die überzeugt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wird Tabakwerbung weiter zugelassen?)

Mich stört an allen drei Vorlagen, die jetzt zur Debatte stehen, dass so getan wird, als sei die deutsche Cannabiskontroll- und -ablehnungspolitik gescheitert.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wohl offensichtlich!)

Wenn wir uns die Prävalenzraten ansehen, also die Zahl von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 34 Jahren, die in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert haben, stellen wir fest: Wir liegen in Deutschland mit 13,3 Prozent unter der Rate der Niederlande von 16,1 Prozent. Wir liegen unter der Rate von Spanien: 17,1 Prozent. Wir liegen deutlich unter der Rate von Frankreich: 22,1 Prozent. Das sind Zahlen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht.

Was ich damit sagen will, ist, dass ich es fahrlässig finde, von vornherein das über Bord zu werfen, was wir als Erfolg haben. Es trifft nicht zu, dass die Cannabispolitik in Deutschland gescheitert ist. Wer sich anschaut, was die Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht ausweist, der sieht das genaue Gegenteil. Wir bekommen mit einigen skandinavischen Ländern zusammen Bestnoten, was die Frage der Cannabiskontrolle angeht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daran möchte ich nicht einfach im Hauruckverfahren, nur weil es populär ist und weil es in den Schulen gut ankommt, etwas ändern.