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Prof. Dr. Claudia Schmidtke: Es müssen die Patientinnen und Patienten sein, die entscheiden, was mit ihren Daten geschieht

Rede zur Digitalisierung im Gesundheitswesen

Ganz herzlichen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn uns die Covid-19-Pandemie auch nur eine positive Erkenntnis beschert hat, dann ist es die, was uns die Digitalisierung bereits jetzt bietet; das hatte der Minister schon angesprochen. Damit meine ich nicht vordergründig die international beachtete Corona-Warn-App made in Germany. Wir sollten uns mal vorstellen, wo wir vor 20, 25 Jahren gestanden hätten, wenn uns die Pandemie zu diesem Zeitpunkt erreicht hätte: Ein Homeoffice – kaum praktikabel; Videokonferenzen – unvorstellbar; telemedizinische Betreuung – weder aus ärztlicher noch aus logopädischer Sicht möglich. Selbst vor fünf Jahren hätte uns die Telemedizin noch vor Schwierigkeiten gestellt.

Wir erkennen heute: Die Digitalisierung ist in unserem Alltag angekommen, und sie hat richtig an Dynamik gewonnen. Gleichzeitig haben wir erkannt, wo wir besser werden müssen: bei der Bildungsbetreuung, aber auch bei der Nutzung der digitalen Möglichkeiten durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Diese Themen haben wir alle im Blick; wir müssen sie im Blick haben.

Ein Thema bzw. Vorhaben, das wir lange im Blick hatten und heute auf den Weg bringen, ist die langersehnte elektronische Patientenakte mit all ihren bereits genannten Einzelprojekten. Was bedeutet das konkret? Ich gebe Ihnen gern ein Beispiel aus meinem Berufsleben als Herzchirurgin. Vor ungefähr 20 Jahren habe ich eine Spezialsprechstunde für Marfan-Patienten aufgebaut. Diese Patienten leiden an einer Bindegewebsschwäche; es handelt sich um eine chronische Erkrankung. Diese Bindegewebsschwäche betrifft unterschiedliche Organe in unterschiedlicher Ausprägung. Diese Patienten sah ich mit großen Tüten – es waren Aldi-Tüten; denn das sind die größten damals gewesen – gefüllt mit einem Packen Röntgenbildern und einem dicken Aktenordner mit Arztbriefen und Befunden von Facharzt zu Facharzt laufen. Die Röntgenbilder sind mittlerweile immerhin auf CD, was es nicht viel leichter macht, aber den Ordner gibt es noch immer – wenn es gut läuft. Nicht nur, dass diese Patienten nicht schwer tragen dürfen; es wäre insgesamt eine absolute Erleichterung für Behandelnde und Behandelte gleichermaßen, wenn die individuellen Patienteninformationen in einer elektronischen Akte verfügbar wären.

Mit ihrer Einführung sind schwierige Fragestellungen verbunden. So ist in der heutigen Zeit kaum ein sensibleres Thema vorstellbar als die Vertraulichkeit der persönlichen Daten von Patientinnen und Patienten. Die Menschen fragen sich: Ist gesichert, dass beispielsweise eine psychosomatische Erkrankung nicht an die Öffentlichkeit gerät, sodass mir keine Nachteile daraus entstehen können? – Ich finde, es gibt eine kaum beachtete positive Seite dieser Fragestellung in Zeiten der Digitalisierung: Haben wir denn jemals zuvor so intensiv über Patientendaten gesprochen? Hat informationelle Selbstbestimmung in den analogen, papierbasierten Krankenakten eine derart herausragende Rolle gespielt?

Die Digitalisierung verändert das Empfinden von Patientinnen und Patienten. Sie ermächtigt uns zu mehr; sie macht uns alle auch skeptischer, kritischer. Das ist eine positive Entwicklung, und daher hat meine Fraktion auch von Anfang an klargestellt, dass es die Patientinnen und Patienten sein müssen, die entscheiden, was mit ihren Daten geschieht, dass auch, wer überhaupt keinen Zugang zu digitalen Möglichkeiten hat, keine Nachteile dadurch haben darf. Deshalb ist das vorliegende Gesetz ein Patientendaten-Schutz-Gesetz, und deshalb trägt es diesen Namen auch zu Recht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Heike Baehrens [SPD])

Die ePA ist ein Meilenstein für unsere Gesundheitsversorgung, aber sie ist kein Selbstzweck. Ihr einziger Sinn und Zweck ist der Nutzen für die Patientinnen und Patienten. Wir wollen die Gesundheitsversorgung effizienter, vor allem aber effektiver bei der Bekämpfung von Krankheiten machen. Ich verweise gern auf die geschätzten Professorinnen Woopen und Wendehorst und die gesamte Datenethikkommission, die völlig zu Recht die Politik ermahnt haben, auch auf die potenzielle Gesundheitsgefährdung bei Nichtnutzung der digitalen Möglichkeiten hinzuweisen. Wir schaffen die ePA, weil sie Leben rettet.

Das gilt auch für die Nutzungsmöglichkeiten durch die medizinische Forschung und die Universitätskliniken, die sich in Coronazeiten als Herzmuskel unserer Krisenabwehr erwiesen haben. Die Sicherstellung von Interoperabilität, die Nutzung von FHIR als Codierstandard, der Kauf der SNOMED-Lizenz, die Einrichtung des Forschungsdatenzentrums und gleichzeitiges Ermöglichen der unmittelbaren Datenspende, all das unterstreicht die große Bedeutung der Gesundheitsforschung für uns alle.

Das Patientendaten-Schutz-Gesetz stellt die Nutzung der digitalen Möglichkeiten zum Nutzen der Patientinnen und Patienten sicher. Es gibt Antworten auf ein neues Bewusstsein der Daten- und damit Patientensicherheit, die Sicherstellung von Qualität und Innovationsfähigkeit. Für mich ist es ein Patientenschutzgesetz der digitalen Zeit.

Ich bitte Sie um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)