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Peter Weiß: "Wir stärken die gesetzliche Rente"

Rede zum RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist erstaunlich, was man in einer solchen Debatte alles zum Thema Rente vortragen kann. Aber bevor wir jetzt namentlich abstimmen, bitte ich doch alle mal herzlich, zu gucken, über was wir denn wirklich nachher abstimmen.

Erstens. Wir verbessern für die Zukunft die Berechnung der Erwerbsminderungsrente, also der Rente, die ich bekomme, wenn ich vorzeitig wegen Krankheit oder Unfall aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine der wichtigsten Nachrichten für die junge Generation, die jetzt ins Arbeitsleben eintritt: Wenn es euch eines Tages, was Gott verhüten möge, nicht möglich sein sollte, bis zum Schluss zu arbeiten, dann bekommt ihr eine Erwerbsminderungsrente, von der man auch leben kann und bei der man nicht verhungern muss. Das ist eine Botschaft für die jungen Leute.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zu dem Zweiten, worüber wir abstimmen: In dem Bereich, in dem relativ wenig verdient wird, nämlich zwischen 450 Euro und 1 300 Euro monatlich, ermäßigen wir die Beiträge zur Sozialversicherung. Denn Steuerentlastungen nutzen diesen Leuten, die eh noch keine Steuern zahlen, gar nichts. Wir rechnen ihnen aber auf ihrem Rentenkonto einen höheren Anspruch zu. Auch das ist eine wichtige Nachricht für alle jungen Leute, die in einen Beruf einsteigen und am Anfang noch wenig verdienen, oder für junge Mütter und Väter, die wegen Kindererziehung aus dem Beruf teilweise aussteigen und nur Teilzeit arbeiten: Ihre Rentenansprüche in der Zukunft stärken wir. Eine wichtige Nachricht für die jungen Leute!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen verstehe ich diese Debatte über Generationengerechtigkeit, was junge Leute anbelangt, überhaupt nicht. Dieses Rentenpaket enthält zwei wichtige Punkte, für die all die stimmen müssen, denen es wirklich ernst ist mit den Interessen der jungen Generation. Dieses Rentenpaket ist zuallererst ein Angebot an die jungen Leute. Wer die Interessen der jungen Leute vertritt, muss heute mit Ja stimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das Schlimme ist: Sie glauben das vermutlich sogar wirklich!)

Drittens. Ja, wir verbessern die Mütterrente für all diejenigen, die vor 1992 Kinder geboren haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, da geht es doch um Väter und Mütter, die ihre Kinder in Zeiten erzogen haben, in denen es noch keinen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz gab. Da gab es noch keinen Rechtsanspruch auf U‑3-Betreuung. Da gab es noch kein Elterngeld. Das heißt, man musste in der Regel wegen Kindererziehung zumindest teilweise, wenn nicht ganz zu Hause bleiben. Jetzt muss ich mal Folgendes fragen: Gibt es nicht aus der heutigen Sicht, aus der Sicht der heutigen Generation, auch unter den Abgeordneten, nichts Gerechteres, als endlich diesen Müttern und Vätern ihre Kindererziehungsleistung stärker anzuerkennen als in der Vergangenheit?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Sie übersteuern, inhaltlich und lautstärketechnisch!)

Jetzt zum Thema Finanzen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir beraten über dieses Rentenpaket in einer Situation, in der wir am Ende dieses Jahres bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rücklage in Höhe von 38 Milliarden Euro haben werden. Eine solch hohe Rücklage hatten wir seit ewigen Zeiten nicht mehr. Gleichzeitig haben wir einen Rentenversicherungsbeitrag, der bei 18,6 Prozent liegt. Wenn wir das mit den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vergleichen, erweist er sich als ein historisch niedriger Rentenversicherungsbeitrag. Das liegt natürlich daran, dass unser Arbeitsmarkt boomt, dass jeden Tag neue, zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in diesem Land geschaffen werden. In dieser Zeit eine solche Jammerorgie, was die Finanzen anbelangt, anzustimmen, ist völlig ungerechtfertigt. Die Rentenversicherung steht stärker und finanziell besser da als je zuvor.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Richtig ist: Mit dem, was wir heute beschließen, werden Mehrausgaben generiert; aber Mehrausgaben, die zu höheren staatlichen Zuschüssen führen. Ab dem Jahr 2022 kommt zusätzlich eine halbe Milliarde jährlich dazu. Im Jahr 2025 wird nach den heutigen Berechnungen zum allerersten Mal die vorgesehene Zusatzfinanzierung durch den Bund notwendig werden, wahrscheinlich in einer Höhe von 1,6 Milliarden Euro. 1,6 plus 0,5 macht zusammen 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2025. Das ist nicht einmal 1 Prozent der Gesamtausgaben der Rentenversicherung. Bei einem solchen zusätzlich notwendigen Zuschuss von einer finanziellen Katastrophe zu reden, ist doch schlicht gaga, Entschuldigung. Das werden wir doch noch hinbekommen, wenigstens 1 Prozent mehr Steuermittel in die Rente zu geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Trotzdem: Richtig ist auch, dass wir in den Jahren nach 2025 in besonders starkem Maße spüren werden, dass sich unsere Gesellschaft verändert. Die Zahl der Seniorinnen und Senioren wird erfreulicherweise deutlich zunehmen. Aber es werden nicht genauso viele junge Leute neu ins Arbeitsleben eintreten.

(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Ach!)

Deswegen ist es richtig, dass wir uns auf diese Situation ganz besonders vorbereiten.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Ja, und wie?)

Deshalb haben wir mit der Rentenkommission eine Kommission eingesetzt, die genau dafür ein verlässliches, zukunftsfestes Modell entwickeln soll.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Aber erst einmal Fakten schaffen!)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich rate uns dringend, dafür nicht die alten Schlachten zwischen kapitalgedeckter und umlagefinanzierter Altersversorgung zu schlagen. Wir brauchen beides. Im Übrigen haben wir auch beides gemacht. Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit Andrea Nahles und Wolfgang Schäuble ein Betriebsrentenstärkungsgesetz geschaffen, das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dabei machen wir zwei besonders gute Angebote. Das Erste ist: Wir machen eine Refinanzierung einer rein steuerfinanzierten Betriebsrente für Niedrigverdiener. Zwei Drittel dessen, was der Arbeitgeber gibt, kann er sich über die Steuer wieder zurückholen. Nur, im Bundesfinanzministerium, Frau Staatssekretärin Hagedorn, wartet man sehnsüchtig auf die massenhaften Anträge für diese Rückerstattung. Ich kann nur sagen: Liebe Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, holt beim Finanzamt endlich die Kohle ab, die wir bereitgestellt haben, um stärkere Betriebsrenten zu bekommen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das Zweite ist: Wir haben den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden einen Sonderweg, das sogenannte Sozialpartnermodell, eröffnet, nämlich über Tarifverträge verstärkt Altersvorsorge zu machen. Meine Damen und Herren, wir haben heute den 8. November. Das Inkrafttreten des Gesetzes war am 1. Januar. Es ist höchste Zeit, dass uns wenigstens der erste Tarifvertrag zur Stärkung der betrieblichen Altersrente, die wir möglich gemacht haben, auf den Tisch gelegt wird. Meine Aufforderung an Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften ist: Verhandelt endlich das, von dem ihr unbedingt wolltet, dass wir es ins Gesetz schreiben!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man alles das zusammenrechnet, was wir in dieses Gesetz hineingeschrieben haben, dann bleibt eine Botschaft: Wir stärken die gesetzliche Rente. Wir machen sie generationengerecht. Es gibt nur gute Gründe, diesem Rentenpaket zuzustimmen. Darum bitte ich Sie herzlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)