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Peter Weiß: Die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist ein wichtiges Ereignis

Änderung des Schwerbehindertenausweises in Teilhabeausweis

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion durchaus bescheinigen, dass sie mit der Umbenennung des Schwerbehindertenausweises eine nette und interessante Idee aufgegriffen haben. Es ist ja so, dass die Bundesländer mit den Hüllen, die erwähnt worden sind, unterschiedlich reagieren. Auch in der Szene der Betroffenen gibt es dazu unterschiedliche Auffassungen. Aber selbstverständlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann es uns nicht nur darum gehen, über Begriffe zu diskutieren, sondern es kommt auf den Inhalt an.

Hier liegt eine Aufgabe vor uns, die mit zwei wichtigen Ereignissen verbunden ist. Das erste ist die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention. Seither sprechen wir bewusst von Inklusion und nicht mehr von Integration, und Inklusion ist ein hoher Anspruch. Das zweite Ereignis ist die Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes. Wir sprechen zu Recht von Teilhabe. Deshalb haben wir in der letzten Legislaturperiode dieses Gesetz auf den Weg gebracht.

Die Aufgabe besteht darin, das Genannte in den kommenden Jahren endlich mit konkretem Inhalt zu füllen und konkret umzusetzen. Deswegen, glaube ich, sollten wir uns in dieser Debatte vor allen Dingen darauf konzentrieren. Nicht die Begriffe sind entscheidend, sondern die Inhalte; auf die wird es in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren ankommen, wenn wir Inklusion, eine inklusive Gesellschaft und Teilhabe bei uns in Deutschland verwirklichen wollen, sodass es jeder spüren kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Bundesteilhabegesetz hat, wie man es auf Fachchinesisch sagt, zu einem Paradigmenwechsel geführt, nämlich zur Einführung personenzentrierter Hilfen zur Teilhabe, die den individuellen Bedürfnissen und Bedarfen der Menschen mit Behinderungen besser entsprechen. Ich will ein paar wenige Punkte herauspicken.

Zurzeit erleben wir, dass eine wichtige Maßnahme, die wir beschlossen haben, nämlich die unabhängige Teilhabeberatung, tatsächlich umgesetzt wird. Monat für Monat gehen die Förderbescheide heraus, und in unseren Stadt- und Landkreisen werden neue Einrichtungen geschaffen, die diese unabhängige Teilhabeberatung künftig wahrnehmen. Mit einer Förderung aus Bundesmitteln in Höhe von 58 Millionen Euro pro Jahr bis zum Jahr 2022 wollen wir flächendeckend ein solches Beratungsangebot aufgebaut haben. Ich glaube, das ist eine wichtige Botschaft an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Behinderungen und deren Angehörige: Nutzen Sie diese unabhängige Teilhabeberatung! Dieses neue In­strument, das wir geschaffen haben, wird eine segensreiche Wirkung im Hinblick auf Inklusion und Teilhabe in unserem Land entfalten können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich will einen zweiten Punkt ansprechen: das Budget für Arbeit. Ein Kummer, den eigentlich alle, die sich mit diesem Thema beschäftigen, haben, ist, dass es nach wie vor eine unsichtbare Mauer in unserem Land gibt: Entweder ist man im Bereich der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, oder man ist im ersten Arbeitsmarkt. Dazwischen geht trotz aller Reformen immer noch zu wenig.

(Beifall des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])

Unsere große Hoffnung und Erwartung ist daher, dass das Budget für Arbeit, das wir in das Bundesteilhabegesetz hineingeschrieben haben, nun auch praktisch angewandt wird.

(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klar, das löst bestimmt alle Probleme! Ganz sicher!)

Menschen mit Behinderungen sollen durch dieses Budget die Chance bekommen, auch auf dem ersten Arbeitsmarkt eine angemessene Beschäftigung zu finden, weil es für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein attraktives Angebot der Mitfinanzierung dieser Arbeit gibt. Die Umsetzung des Budgets für Arbeit ist also ein wichtiges Ziel, das wir in den kommenden Jahren in Deutschland realisieren sollten.

Um die Teilhabe an Arbeit zu verbessern, muss sich auch die Bundesagentur für Arbeit anstrengen, damit wir die Ursachen der überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderungen durch passgenaue Unterstützungsangebote weiter reduzieren können. Für alle Menschen mit Behinderungen wollen wir zudem den Zugang zu medizinisch-beruflicher Rehabilitation deutlich verbessern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gott sei Dank haben sich in unserem Land die Einstellung zum Thema Behinderungen und auch der Umgang mit Behinderungen geändert und die Einsicht, dass es notwendig ist, Barrierefreiheit zu schaffen, in der Breite durchgesetzt. Trotzdem kann man beobachten, dass es in einigen Bereichen noch deutliche Defizite gibt. Das betrifft vor allen Dingen den Bereich der Menschen mit seelischen Behinderungen, sprich: mit psychischen Erkrankungen. Nach wie vor machen viel zu viele Mitbürgerinnen und Mitbürger einen großen Bogen um das Thema und trauen sich nicht so recht daran heran. Dies führt dazu, dass psychische Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen von Dritten oft nicht ernst genommen werden. Zwar ist es in den letzten Jahren deutlich besser geworden; aber wir sehen auch, dass psychische Beeinträchtigungen eine vorrangige Ursache für das gesundheitsbedingte Ausscheiden aus dem Berufsleben sind und dass ein hoher Anteil der Arbeitsuchenden unter psychischen Störungen leidet.

Das Thema Barrierefreiheit, das jeder von uns kennt, buchstabiert sich bei Menschen mit seelischen Behinderungen und psychischen Erkrankungen etwas anders. Psychische Barrieren kann man selten durch bauliche Maßnahmen beseitigen. Angst, Depressionen, Desorientierung oder Verhaltensstörungen wirken sich stark in den zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich uns als besondere Aufgabe empfehlen, dass wir weitere und verstärkte Anstrengungen unternehmen, Menschen mit psychischen und mit anderen Behinderungen zu fördern, ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Ich glaube, die Aufgabe, die in den kommenden Jahren vor uns liegt, ist, das Versprechen der Inklusion und Teilhabe, das wir den Menschen in unserem Land geben, tatsächlich mit Inhalten – nicht nur mit einer Überschrift – zu füllen. Das sollte unsere gemeinsame Anstrengung im Deutschen Bundestag sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)