Skip to main content

Michaela Noll: Wir müssen auch beim Kinderschutz noch besser werden

Rede zum Schutz der Rechte von Kindern in der Corona-Krise

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Dörner, wir haben es geschafft. Wir haben hier und heute eine Stunde Debatte über die Frage, wie es den Familien geht. Es geht um die Rechte der Kinder. Deswegen bin ich ganz dankbar, dass die Anträge eingebracht wurden. Ich halte das Thema für ausgesprochen wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was mir aufgefallen ist, bevor ich nach Berlin gekommen bin: Schräg gegenüber bei mir zu Hause ist ein Spielplatz. Endlich waren die rot-weißen Bänder wieder weg. Ich hörte Kinder, die spielten, die im Sand spielten, die lachten und die sich stritten. Das war für mich ein Zeichen: Das Leben kehrt so langsam wieder zurück, langsam wieder ein Schritt in Richtung Normalität. Deswegen möchte ich an dieser Stelle einfach einmal Danke sagen. Wir haben den Ärzten gedankt. Wir haben den Pflegern gedankt. Ich möchte mich bei jedem bedanken, der bereit war, zurückzustecken, der die Hygieneregeln und die Abstandsregeln eingehalten hat. Die Pandemie trifft Klein wie Groß, Arm wie Reich. Sie macht keinen Unterschied in Klassen und auch keinen Unterschied im Land. Weil sich die Menschen, viele Bürger, daran gehalten haben, sind wir heute da, wo wir sind, und können über Lockerungen sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber ein besonderes Dankeschön möchte ich an die Eltern richten. Ich glaube, ich spreche hier für alle Fraktionen: Alle Kollegen haben Video- oder Telefonkonferenzen hinter sich genauso wie ich; am Dienstag waren es sieben Stunden. Wenn ich mir vorstelle, dass während solcher Konferenzen ein Zweijähriger unter dem Tisch krabbelt und dass dann noch ein Sechsjähriger da ist, dem ich Mathe beibringen muss, dann weiß ich ganz genau, dass das grenzwertig ist. Das schafft man einen Tag, das schafft man eine Woche. Aber es ist ungeheuer anstrengend. Deswegen sage ich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Eltern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was aber richtig ist: Politik ist in der Verantwortung. Deswegen sprechen wir heute darüber, und deswegen werde ich auch gleich auf Ihre Anträge eingehen. Warum gab es denn das Kontaktverbot für die Kinder? Mein Kollege Weinberg hat es explizit dargestellt. Wir haben mit der Pandemie Neuland betreten. Wir wussten nicht, wie infektiös das bei Kindern ist. In Amerika ist inzwischen von einem Kawasaki-Syndrom die Rede. Das haben wir Gott sei Dank nicht. In dem Moment, wo wir mehr wissen, wird es etwas einfacher. Aber jetzt ist es so: Die Kitas öffnen langsam, und man kann die Kinder wieder in die Kitas schicken.

Das, was der Kollege Müller eben sagte und was auch im Antrag der Linken steht, stimmt ja nicht so ganz. Sie sprechen von einer Ausgangssperre. Diese gab es so nie. Die Kinder konnten vor die Tür. Die Kinder konnten mit den Eltern etwas unternehmen. Die Kinder konnten sich bewegen; man musste es nur machen. Wenn Sie von einer Ausgangssperre sprechen, dann erwähnen Sie bitte Spanien. In Spanien durften die Kinder sechs Wochen die Wohnung nicht verlassen. Der einzige Glückliche war, der einen Hund hatte. Der durfte vor die Tür. Davon waren wir himmelweit entfernt.

Aber was brauchen Kinder? Kinder brauchen Bewegung, Förderung. Sie brauchen Kontakt; sie brauchen Schutz. Wir haben eben verschiedene Redner gehört, die gefordert haben: Kinderrechte in das Grundgesetz. Ich war lange Mitglied und Vorsitzende der Kinderkommission und weiß, dass wir das sehr differenziert betrachten. Ich weiß auch, dass das bei uns in der Union unterschiedlich gesehen wird. Ich war immer jemand, der sehr stark dazu tendiert hat, Kinderrechte in das Grundgesetz zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach 18 Jahren Parlamentsmitgliedschaft glaube ich, dass das ein gutes Signal ist. Aber ich gestehe ein: Da muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, weil sich die Juristen an dieser Stelle besonders schwertun.

Ein weiterer Punkt, der angesprochen wurde, ist der Kindergipfel. Es hat einen Kindergipfel gegeben. Kollege Müller, ich glaube, da waren Sie noch nicht im Parlament. Das war 2006; da hatten wir das große Thema Integration. Wir von der Kinderkommission haben den ersten großen Kindergipfel gemacht. Vor dem Paul-Löbe-Haus haben wir den Reichstag nachgebildet. Die Kinder sind eingeladen worden. Was ich mir wünsche, ist ein Kindergipfel pro Legislaturperiode, um festzustellen: Wo stehen die Kinder in Deutschland? Wo sind die Chancen? Wo sind die Perspektiven? Wo müssen wir mehr tun? Der Missbrauchsbeauftragte Johannes Rörig hat auch letztes Mal, als er zu uns gesprochen hat, festgestellt, dass Handlungsbedarf besteht. Wenn wir die Statistiken sehen, wissen wir: Wir müssen auch beim Kinderschutz noch besser werden. Ich war Berichterstatterin für Kinderschutz.

Zu dem Antrag der Grünen. Kollegin Dörner, Sie haben gesagt, die Kinder- und Jugendhilfe sei systemrelevant. Das ist ein Punkt, bei dem ich mitgehen kann. Sie ist systemrelevant. Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe sind zum Teil nicht mehr in die Familien gegangen, weil sie keine Schutzanzüge hatten; da müssen wir etwas tun. Aber ich glaube nicht, dass jetzt der Zeitpunkt ist, um einen Pandemieplan für die Zukunft zu entwerfen. Die Kinder dort aufzunehmen, halte ich für wichtig. Aber vieles von dem, was der Antrag der Grünen enthält, betrifft die Länderkompetenz. Da müssen Sie auch mit Ihren Regierungen sprechen.

Nichtsdestotrotz bin ich der festen Überzeugung: Wenn wir die Pandemie überstanden haben – das haben wir nämlich noch nicht –, wenn wir einen Impfstoff haben, dann werden wir Bilanz ziehen. Dann werden wir fragen: Wo sind Fehler gemacht worden? Jens Spahn, unser Gesundheitsminister, hat in einer Rede bereits gesagt: Vielleicht müssen wir an der einen oder anderen Stelle verzeihen. – Ich hoffe nicht, dass es dazu kommen wird. Aber wir alle sind in einem Lernprozess. Wir sehen die Chancen der Digitalisierung; wir sehen die Risiken. Was ich mir auf jeden Fall wünsche, ist, dass Kinderlärm wieder Zukunftsmusik ist, und zwar für uns alle.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)