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Max Straubinger: Die Zielmarke hatten wir mit dem ersten Bürokratieentlastungsgesetz

Fälligkeitsdatum der Sozialversicherungsbeiträge verschieben

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Antrag der FDP zur angeblichen Bürokratie

(Lachen bei Abgeordneten der AfD und der FDP)

und zur Bürokratieentlastung für Unternehmen. Ja, das muss ich so sagen; denn die Koalition der letzten Legislaturperiode und vorhergehende Koalitionen haben dieses Problem bereits gelöst. Deshalb muss ich sagen: Es fehlt bei der FDP ein bisschen an der Frische, sich vielleicht auch um die aktuelle Gesetzeslage zu kümmern.

Ich darf vielleicht zuerst in die Historie gehen. 2005 – das müssen wir feststellen – gab es eine schwierige Situation für die Sozialversicherungsträger. Die sogenannte Schwankungsreserve der Rentenversicherung war auf null abgeschmolzen, die Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung waren spürbar angestiegen, und dasselbe galt für die Arbeitslosenversicherung. Das hat letztendlich dazu geführt, dass ein Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt wurde, um die Sozialversicherungsbeiträge in dem Monat abführen zu lassen, in dem sie erarbeitet werden.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Sie werden doch vorher abgeführt, drei Tage vorher!)

Das bedeutet eben, dass die Beiträge fünf Tage vor Monatsende abgerechnet werden müssen und dann auch abzuführen sind. Dies haben wir seinerzeit mitgetragen; denn angesichts der Alternative, Beitragserhöhungen zu akzeptieren – damals ging es um eine Erhöhung des Beitrags zur Rentenversicherung um 0,5 Prozentpunkte –, war dies bei den schwierigen Entscheidungen, die wir zu treffen hatten, damit die Rentnerinnen und Rentner im Dezember 2005 ihre Rente fristgerecht ausbezahlt bekamen, das kleinere Übel. – Dies zur Historie, warum man die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge beschlossen hat.

Ich gebe zu: Das hat uns viel Kritik eingebracht, auch berechtigte Kritik;

(Gerald Ullrich [FDP]: Das war ja auch falsch!)

denn dieses Gesetz wurde meines Erachtens von den damit befassten Verantwortlichen bei den Sozialversicherungsträgern sehr hart umgesetzt. Die exakte Spitzabrechnung, die Schätzung und dergleichen mehr stießen in den Betrieben auf kein Verständnis und riefen dementsprechend Schwierigkeiten hervor. Es wurden auch Strafen angedroht, mit denen die Unternehmer, die das nicht richtig gemacht haben, belegt werden sollten.

(Zuruf von der FDP: Verfolgt werden sollten!)

Das hat uns in der nachfolgenden Koalition, mit Bundeswirtschaftsminister Michael Glos an der Spitze, zum ersten Bürokratieentlastungsgesetz geführt, das eine Entlastung bei der Beitragsabführung für die kleinen und mittleren Betriebe vorsah, insbesondere für die Betriebe im Handwerk, die unstete Löhne zahlen, weil sie entweder auf Stundenbasis oder im Akkord abrechnen und dementsprechend nicht fünf Tage vor Monatsende die Stundenzahlen feststellen können. Dass die Umsetzung der Vorgaben für sie schwierig war, ist völlig klar; das geben wir auch zu. Das hat uns auch dazu veranlasst, entsprechende Schritte einzuleiten. Wir haben diese Problematik seinerzeit bereits zum Teil abgebaut, aber – das sage ich ganz bewusst – nicht vollends. Die Zielmarke hatten wir mit dem ersten Bürokratieentlastungsgesetz, das unser damaliger Bundesminister Michael Glos hier in den Deutschen Bundestag mit eingebracht hat und das wir dann umgesetzt haben, noch nicht erreicht. Eine Folge war, dass wir den Normenkontrollrat gebeten haben, dies in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt zu untersuchen.

Herr Kemmerich, wir sollten in der Darstellung schon bei der Wahrheit bleiben; denn es sind nicht 1,4 Milliarden Euro Kosten ob der vorgezogenen Beitragsabführung verursacht worden.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Doch!)

Die 1,4 Milliarden Euro bezogen sich auf die gesamte Lohnabrechnung und nicht auf die vorgezogene Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge.

(Zuruf des Abg. Thomas L. Kemmerich [FDP])

– Doch, doch, lesen Sie es nach.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Das können wir ja gemeinsam lesen!)

Das macht nämlich 80 Millionen Euro aus. Das ist auch so niedergelegt. Man muss schon bei den Tatsachen bleiben.

Die Vorschläge des Normenkontrollrats haben wir umgesetzt. Seit 1. Januar 2017 können die Betriebe wählen, ob sie die Spitzabrechnung bevorzugen oder ob sie die vereinfachte Abrechnung der Löhne und der Arbeitgeberbeiträge tätigen wollen. Die Spitzabrechnung machen weiterhin die Unternehmen, die die Löhne in der Mitte des Monats auszahlen, wie Banken, Versicherungen und andere Unternehmen, während sich die Betriebe, die Stundenlöhne bezahlen, für das vereinfachte Verfahren entscheiden werden bzw. mittlerweile schon entschieden haben.

Die Lohnabrechnung beinhaltet also gleichzeitig die Vorauszahlung für die Sozialversicherungsbeiträge. Bei der Erstellung der nächsten Lohnabrechnung werden dann die entsprechenden Korrekturen vorgenommen, um die Angaben der letzten Lohnabrechnung auszugleichen. Somit sind nicht 24 Lohnabrechnungen zu tätigen, sondern weiterhin für jeden Monat eine, also 12 im Jahr. Damit ist das angebliche Problem gelöst. Von den Betrieben kamen auch keine Klagen.

Zu der Alternative, die Sie aufzeigen – Sie haben sich ja nicht wirklich festgelegt –, kann ich nur sagen: Mit einer freiwilligen Vorauszahlung von 28 Milliarden Euro wird wohl nicht so schnell zu rechnen sein. Sie geben ja zu: Wenn wir das Verfahren wieder umstellen würden, dann würde ein Monatsbeitrag an Sozialversicherungsbeiträgen fehlen. Wir hätten dann in einem Jahr wohlgemerkt nur elf Sozialversicherungsbeiträge.

(Zuruf von der FDP)

– Ja, natürlich, das würde die Umsetzung Ihres Vorschlags bedeuten. Das hätte einen massiven Liquiditätsentzug in den Sozialversicherungssystemen zur Folge. Das kann nicht Ihr Ziel sein. Das unterstelle ich Ihnen auch nicht. Deshalb wollen wir den vorliegenden Antrag im Ausschuss beraten.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Straubinger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kemmerich?

Max Straubinger (CDU/CSU):

Mein letzter Satz. – Über eines wundere ich mich schon: Bei den Jamaika-Verhandlungen, an denen die FDP beteiligt war, hat das Thema keine Rolle gespielt,

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das stimmt nicht ganz!)

es wurde von der FDP nicht in die Verhandlungen eingebracht. Ich bin wirklich überrascht, dass dieser Antrag jetzt eingebracht wird.

(Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

Herr Präsident, die Zwischenfrage lasse ich übrigens zu.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Kemmerich.

Thomas L. Kemmerich (FDP):

Sehr verehrter Kollege, Ihre Ausführungen machen deutlich, dass Sie den Antrag nicht genau gelesen haben.

(Beifall bei der FDP)

Das Instrument der Sondervorauszahlung bedeutet, dass ich statt des monatlichen Beitrags eine Sondervorauszahlung in Höhe eines Elftels des Vorjahres leiste. Insofern kommt es bei den Sozialversicherungskassen zu keinem Liquiditätsengpass, kein einziger Cent fehlt. Das, was Sie ermittelt haben, bedeutet für diejenigen, die nach wie vor schätzen: zwölf Abrechnungen plus zwölf Schätzungen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Nein!)

Das ist ein doppelter Aufwand. In einem kleinen Unternehmen mit wenigen Angestellten, das keine großartige Buchhaltung hat, macht der Chef oder die Chefin die Abrechnungen am Wochenende selber, und das kostet viel Zeit. Diesen Irrsinn wollen wir beenden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Max Straubinger (CDU/CSU):

Herr Kollege Kemmerich, Sie haben es offensichtlich nicht verstanden.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Doch!)

– Nein, Sie haben es nicht verstanden. Die getätigte Lohnabrechnung des Monats Januar ist gleichzeitig die Vorauszahlung für den Monat Februar, und in der Lohnabrechnung des Monats Februar ist wieder eine entsprechende Vorauszahlung enthalten. In dieser Abrechnung wird dann der Korrekturbedarf, der aufgrund der Januarabrechnung möglicherweise entstanden ist, berücksichtigt. Das wird verrechnet. Das ist im Prinzip wie im Umsatzsteuerverfahren, wo Sie die Vorsteuer gegenrechnen. Herr Kemmerich, dieses Problem ist wirklich gelöst. Wenn Sie das nicht verstanden haben, tut mir das leid.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Sie tun mir leid! Haben Sie eine Firma?)

In den Jamaika-Verhandlungen war das für Sie kein Problem; denn Sie haben das damals nicht in die Verhandlungen eingebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Max, das stimmt nicht!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Weitere Zwischenfragen lasse ich nicht zu. Das sind strittige Details. Die müssen im Ausschuss geklärt werden.

Max Straubinger (CDU/CSU):

Das ist aber schade!