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Marcus Weinberg: Der Schutz der Kinder steht an allererster Stelle

Redebeitrag zu Maskenpflicht für Kinder

Vielen Dank. – Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, dann reden wir mal über Verantwortung, über Haltung, über den Schutz unserer Kinder und auch über Angemessenheit in dieser Krise. Reden wir aber auch, mit Blick auf Ihre Rede, Herr Reichardt, über Populismus. Dieser Populismus wird allmählich gefährlich;

(Lachen bei der AfD)

denn es geht um die Gesundheit der Menschen in diesem Land,

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist nicht zu ertragen, wie Sie Unwahrheiten verbreiten; es ist übrigens auch belegt, dass das Unwahrheiten sind, Herr Reichardt.

Ich habe Ihren Antrag gelesen; denn ich lese Ihre Anträge, und ich gucke mir auch die YouTube-Videos an.

(Martin Reichardt [AfD]: Ja, da können Sie was lernen!)

– Ja, da kann ich was lernen. Da kann ich lernen, was der Unterschied ist zwischen einem sogenannten Still Face und dem Tragen einer Maske. Darüber sollten Sie mal nachdenken, wenn Sie alte Videos aus dem Jahre 2009 heranziehen, um gegen die Masken zu wettern. Das ist grober Unfug, und den werden wir auch widerlegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Reden Sie doch mal zur Sache!)

Das ist aber Ihre Masche: „Corona ist vorbei, und Corona wird auch nicht wiederkommen“. Ja, das ist dieser Björn Höcke, Bernd Höcke, wie auch immer.

Natürlich wird Herr Höcke zurückgeholt, klar, weil das die Masche ist:

(Martin Reichardt [AfD]: Wer wird zurückgeholt?)

Draufhauen, versuchen, ordentlich Leute einzufangen, und dann doch wieder relativieren. Da geht es bei der AfD natürlich um reinen Populismus.

(Martin Reichardt [AfD]: Woher holen Sie wen zurück? – Enrico Komning [AfD]: So, jetzt zur Sache!)

Und jetzt zur Sache, weil sie wichtiger ist als Ihr Palaver. „Entschlossenheit im Unglück ist immer der halbe Weg zur Rettung“, so hat es Johann Heinrich Pestalozzi mal formuliert. Das ist richtig. Die Frage ist natürlich für uns in dieser schwierigen Situation: Was ist denn die andere Hälfte? – Angemessenheit, Differenziertheit

(Martin Reichardt [AfD]: Woher kennen Sie denn Pestalozzi?)

– für einen ehemaligen Schüler der Pestalozzi-Grundschule und einen Pädagogen, der eine Ausbildung in diesem Bereich hat, ist Pestalozzi jemand, den man gut zitieren kann –, Verantwortungsbewusstsein, aber auch mal Mut zur Korrektur von Handlungsweisen. Und das ist doch der entscheidende Punkt.

Wie war denn die Situation im März dieses Jahres hinsichtlich SARS-CoV-2?

(Tino Chrupalla [AfD]: Reden Sie doch mal zur Sache! Hier geht es um Kinder!)

Der Virus war zum Zeitpunkt des Ausbruchs völlig unbekannt, und viele Eigenschaften sind es bis heute. Deswegen war es wichtig und richtig, zum Schutz der Kinder zunächst einmal sehr entschlossen zu sagen: Bevor irgendetwas passiert, werden die Kitas und die Schulen geschlossen; denn – ich sage es noch einmal – der Schutz der Kinder steht an allererster Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Was ist jetzt? Es geht doch um jetzt!)

Wir mussten damals davon ausgehen, weil wir es nicht besser wussten – die Forschung nähert sich dem Thema erst allmählich an;

(Enrico Komning [AfD]: Der Antrag ist von heute!)

dank der Island-Studie, der Heidelberg-Studie, der Hamburg-Studie haben wir nun mehr Informationen –, dass sich – das war damals die Vermutung – der Virus verhält wie der Influenzavirus; da sind Kinder übrigens nachgewiesenermaßen die Hauptüberträger.

Deswegen ging es darum, schnell zu entscheiden. Das haben wir getan. Und das ist doch das Ergebnis: Die Ausbreitung des Virus wurde so stark verlangsamt wie in keinem anderen Land. Ja, Kindergärten zu schließen, Schulen zu schließen – das wissen Eltern, das wissen Väter und Mütter besser als jeder andere –, ist immer die letzte Maßnahme.

(Zuruf von der AfD: Sagen Sie doch mal was zur Maske! Darum geht es doch eigentlich!)

Sie war aber zu diesem Zeitpunkt richtig, weil wir es damit hinbekommen haben, dass wir wie kein anderes Land diesen Virus eindämmen konnten.

Die größte Ausbreitung des Virus – das wissen wir – findet immer noch dort statt, wo viele Menschen aufeinandertreffen, übrigens auch im Deutschen Bundestag. Ihre nichtkollegialen Verhaltensweisen sind durchaus bekannt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insoweit: Das Leugnen und Herunterspielen der Risiken, die mit einer Infektion verbunden sind, bringt nur alle anderen in Gefahr. Fast 10 000 Tote in diesem Land, die verschweigen Sie.

(Martin Reichardt [AfD]: Ihr Fraktionskollege ist ohne Maske herumgelaufen! Oder täusche ich mich da?)

Die Langzeitwirkungen sind in Teilen noch gar nicht erkannt, und wir dürfen eins nicht vergessen: Hätten wir so weitergelebt wie in der Vergangenheit, hätten wir möglicherweise die Gefahr riskiert, überfüllte Intensivstationen oder auch Platzmangel bei der Behandlung von Patienten zu erleben. Das Beispiel Madrid sei genannt.

So, Herr Reichardt, ich habe Ihren Antrag natürlich gelesen.

Erster Punkt. Sie haben ja in einer Rede vorher gesagt, in Deutschland müssten Kinder stundenlang mit Maske im Unterricht sitzen. Das ist – jeder Vater weiß es – ziemlich großer Mist.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Ja!)

Es gibt differenzierte Maßnahmen und durchaus auch Klassen in gewissen Regionen, in denen die Schulbehörde oder das Kultusministerium tatsächlich angeordnet hat, dass dort die Maske zu tragen ist.

(Martin Reichardt [AfD]: Na also!)

Trotzdem ist das eine Überspitzung, die den Menschen Angst macht. Und es ist ja Ihre Masche: den Menschen Angst zu machen.

(Enrico Komning [AfD]: Sie machen doch den Menschen Angst! – Martin Reichardt [AfD]: Sie machen den Menschen Angst mit Ihrer Coronapanik!)

Unsere Politik muss aber doch sein, den Menschen Sicherheit zu geben und dieser Populismusstrategie entgegenzuwirken. Also, bleiben Sie bitte bei den Fakten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich komme jetzt mal nur in einer kleinen Sequenz zu dem von Ihnen angedeuteten Experiment von, ich glaube, Dr. Tronick. Sie haben in Ihrem Antrag angeführt, wie Mimik und Gestik wirken, wenn Menschen eine Maske tragen. In diesem Experiment trägt die Mutter aber keine Maske. „Still Face“ heißt vielmehr, dass sie ihr gesamtes Gesicht in diesem Experiment einfriert – „frozen“. Daraus entsteht natürlich eine Reaktion beim Baby.

Selbstverständlich ist es für Kleinkinder, Kleinstkinder und Babys schwierig, wenn die Eltern – auch wenn es nur zeitweise ist – eine Maske tragen müssen. Das wissen die jungen Väter und Mütter, die gerade Kleinkinder zu Hause haben, wenn sie die Maske tragen. Das zu vergleichen, ist aber schlechter Populismus.

(Martin Reichardt [AfD]: Ja, ja!)

Das ist mies, und das passt einfach nicht. Insoweit ist das ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Forderung einer Befreiung von der Maskenpflicht für Eltern von unter Dreijährigen ist überzogen.

(Martin Reichardt [AfD]: Psychologen fragen!)

Das Zweite ist das Thema „Keine Masken für Kinder unter zwölf Jahren“. Natürlich haben Kinder leiden müssen: Homeschooling; sie haben ihre Freunde nicht getroffen; die sozialen Kontakte gingen zurück. Wir haben auch große Defizite im Bildungssystem bei uns in Deutschland erlebt; das ist richtig. Das war psychisch sehr belastend. Das bestreitet keiner.

Aber weil das so ist und weil das so war, ist es doch umso wichtiger, dass wir dafür sorgen, dass die Schulen und Kitas jetzt geöffnet bleiben und nicht wieder geschlossen werden müssen. Das wäre doch die Konsequenz, wenn wir einen Ausbruch – auch wenn er nur regional ist – riskieren würden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es wäre also grob fahrlässig, auf diese Vorsichtsmaßnahme zur Eindämmung des Infektionsgeschehens zu verzichten.

Das heißt, so selten wie möglich, aber so häufig wie nötig müssen Masken getragen werden.

(Enrico Komning [AfD]: Völliger Unsinn!)

Jeder kennt das aus seinem Bundesland: Da gibt es für die Kinder gute Lösungen, regionale Lösungen, Lösungen mit speziellem Blick auf das Infektionsgeschehen.

(Martin Reichardt [AfD]: Da gibt es Wildwuchs, ja, aber keine regionalen Lösungen!)

– Nein, das ist kein Wildwuchs. Wenn es aber in einem Bundesland A einen ganz anderen Infektionsverlauf als im Bundesland B gibt, dann muss man auch differenzierte Lösungen finden.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

 

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Ja.

 

Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU):

Das haben wir getan; das tun wir. Dabei ist nicht immer alles richtig und perfekt gewesen, aber wir haben diesen Grad der Handlungsoptionen, glaube ich, zumindest optimiert, und daran sollten wir weiterarbeiten.

Und bitte nicht mit billigem, miesem Populismus den Menschen Angst machen! Das brauchen sie am allerwenigsten – genauso wie sie Ihre Partei nicht brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Hätten Sie sich Ihre Rede gespart, dann wäre uns das erspart geblieben!)