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Kai Whittaker: "Wir sorgen dafür, dass wir die Menschen zu den Arbeitsplätzen führen"

Rede zum Hartz IV-Satz

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Sehr geehrter Herr Lehmann, nachdem sich die Grundsicherung in Zukunft an der Mitte der Gesellschaft orientieren soll, bin ich mir ziemlich sicher, dass die Mitte der Gesellschaft sehr brennend interessiert hätte, wer das am Ende bezahlt.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Richtig!)

Ich fürchte, Sie meinen damit die gleiche Mitte.

(Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht! Es gibt auch Menschen, die sehr viel Geld verdienen in dieser Gesellschaft!)

Deshalb haben Sie sich hier wahrscheinlich um die Antwort gedrückt.

Werte Kollegen, wir beraten heute zum achten Mal in dieser Legislaturperiode einen Antrag der Linken zu Verbesserungen von Hartz-IV-Leistungen.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Sie haben es noch nicht verstanden, Herr Whittaker!)

Heute geht es darum, die Grundsicherung auf 582 Euro zu erhöhen. Wir haben hier schon beraten, ob eine eventuelle Finanzierungslücke bei den Kosten der Unterkunft beseitigt werden sollte, und wir beraten regelmäßig über die Abschaffung der Sanktionen.

Ich frage mich wirklich, warum Sie immer wieder mit diesen Anträgen kommen, wenn Sie im Kern doch eigentlich etwas ganz anderes wollen, nämlich die komplette Abschaffung von Hartz IV.

(Zurufe von der LINKEN)

Seien Sie wenigstens so ehrlich und arbeiten dafür, statt immer wieder Anträge auf Änderung innerhalb des Systems zu stellen. Warum machen Sie das?

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Weil Sie leider nicht in der Lage sind, unserem tollen Antrag zuzustimmen!)

Es gibt meiner Meinung nach nur zwei plausible Antworten: Entweder Sie versuchen uns als Große Koalition als knickrige und schlechte Menschen darzustellen, die den Menschen nicht den Cent unter den Fingernägeln gönnt,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Traurig, aber wahr!)

oder aber – und ich vermute, das wird die Wahrheit sein; da hat Herr Kober schon recht – Sie wollen die Menschen nicht in Arbeit führen, sondern Sie wollen sie in der Arbeitslosigkeit etwas besserstellen. Sie wollen, dass sie finanziell ausgesorgt haben. Das ist, was Sie vorhaben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben Sie nicht zugehört?)

Das entspricht nicht unserem Menschenbild. Wir sorgen dafür, dass es Arbeitsplätze in unserem Land gibt, so viele wie noch nie in der Geschichte unseres Landes.

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Was für Arbeitsplätze?)

Wir sorgen dafür, dass wir die Menschen zu den Arbeitsplätzen führen.

Ich will ein Beispiel nennen, das zeigt, dass die Erhöhung, die Sie fordern, den Menschen, die davon betroffen sind, nichts bringt. Im „Berliner Kurier“ war von einem Max, 19 Jahre, aus Reinickendorf zu lesen, der nichts anderes kennt außer Arbeitslosigkeit. Seine Großeltern, so sagt er selber, seien Alkoholiker gewesen. Seine Mutter ist früh gestorben. Er selbst hat keinen Schulabschluss. Er hat zweimal versucht, eine Berufsausbildung zu starten, als Fensterputzer und als Bäcker. Er hat sie jeweils abgebrochen. Aktuell ist er in einem Praktikum für einen Hausmeisterjob, um eventuell eine Ausbildung zu machen. Was diesem Max 582 Euro mehr im Monat bringen, das hätte ich gerne gewusst; denn dieser Max sagt eindeutig, er hätte sich mehr Zuwendung gewünscht,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das eine schließt das andere nicht aus!)

mehr Menschen, die ihm unter die Arme greifen, die ihm helfen, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, die ihm helfen, am täglichen Leben teilzunehmen und zu lernen, wie man sich in der Gesellschaft bewegt.

(Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])

Weil er den Alltag von Arbeit nicht kennt, wäre externe Hilfe notwendig gewesen. Da helfen Ihre 582 Euro keinen Deut.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hat auch keiner behauptet, aber es wären andere Probleme gelöst!)

Wir als Große Koalition haben genau auf diese Art der Unterstützung unseren Arbeitsschwerpunkt gelegt. Ich bin froh, dass wir das mit der SPD hinbekommen haben. Wir haben ein Teilhabechancengesetz auf den Weg gebracht. So können Coaches eingestellt werden. Wir haben die Mittel für die Förderung, um Arbeit zu finden, erhöht. Wir haben Qualifizierung unterstützt. Wir haben vor einiger Zeit das Bildungs- und Teilhabepaket verbessert, damit Kinder aus bildungsfernen Schichten eher in der Lage sind, einen Bildungsabschluss zu erlangen und später ins Berufsleben zu kommen. Das ist, glaube ich, der große Unterschied, der uns hier im Deutschen Bundestag trennt. Sie versuchen, durch immer stärker ausgeweitete Individualleistungen eine möglichst große Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, und konzentrieren sich aufs Finanzielle. Wir sagen: Lasst uns die Regeln so einfach und so schlank wie möglich machen, damit die Menschen in den Jobcentern die Zeit haben, sich um die Arbeitslosen zu kümmern und näher bei den Menschen zu sein. Damit ist dem Individuum viel mehr geholfen als mit Einzelfallgerechtigkeit, die Sie durch den Bundestag bringen wollen.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Welche Einzelfallgerechtigkeit? – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Existenzsicherung! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gegen Armut hilft Geld!)

Es ist für uns als Union ganz klar: Ich will ein Land, in dem wir nicht zwischen Arm und Reich unterscheiden,

(Zurufe von der LINKEN)

sondern jeder soll am wirtschaftlichen Erfolg in diesem Land teilhaben. Das ist die Aufgabe, die wir als Bundesregierung und als Land haben. Ich will ein Land, in dem alle Kinder die Chancen bekommen, über ihre Eltern und Großeltern hinauszuwachsen. Daran werden wir als Große Koalition weiterhin arbeiten, auch nach diesem Sommer.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zuwendung statt Hartz IV!)