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Kai Whittaker: Im April waren 44,6 Millionen Menschen erwerbstätig

Perspektiven für Langzeiterwerbslose durch gute öffentlich geförderte Beschäftigung

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Am 29. Mai dieses Jahres konnte man in der „Süddeutschen Zeitung“ Folgendes lesen – ich zitiere –: Der hessische Arbeitsmarkt befindet sich in einer guten Verfassung.

Einen Tag darauf konnte man in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ lesen: Der Arbeitsmarkt in der Region ist in einer guten Verfassung. Auch im Mai sinkt die Arbeitslosigkeit in Brandenburg auf ein Rekordtief.

Und noch einen Tag später konnte man in der „Schwäbischen Post“ lesen – Zitat –: Der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg hat im Mai mit einer Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent seinen Aufschwung fortgesetzt.

Die Linke hingegen schreibt in ihrem Antrag – ich zitiere –: Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist „in keiner guten Verfassung“. Ich möchte Sie fragen: Von welchem Deutschland reden Sie da eigentlich?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Von dem Deutschland, das Sie nicht sehen wollen!)

Liegt Ihr Deutschland irgendwo zwischen Adria und Ägäis, und heißt es zufällig Griechenland? Sie leben offensichtlich seit 13 Jahren in einer ganz speziellen sozialen Filterblase.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Noch einmal ein paar Fakten für die Geschichtsvergessenen unter uns in diesem Haus: Im April dieses Jahres waren 44,6 Millionen Menschen erwerbstätig. Das sind 592 000 Menschen mehr als im Vorjahr, was der Einwohnerzahl einer Stadt so groß wie Dortmund entspricht, und 6 Millionen mehr als noch im Jahr 2005, was der Einwohnerzahl des Bundeslands Hessen entspricht. Frage: Sieht so Massenarbeitslosigkeit in diesem Land aus? Ist das ernsthaft Ihre Meinung?

(Zuruf der Abg. Pia Zimmermann [DIE LINKE])

2005, als 5 Millionen Menschen ohne Job waren, hatten wir Massenarbeitslosigkeit.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon haben wir mehr als 1 Million! Immer noch!)

Heute haben wir die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung, und das ist unser Verdienst.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Tosender Beifall!)

Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Sie ein Zukunftsprogramm mit einem Volumen in Höhe von 120 Milliarden Euro auf den Weg bringen möchten. Nicht ganz klar scheint zu sein, für wen und für was eigentlich. Sie schreiben da was von Infrastrukturausbau. Ich frage mich: Wie soll ein Langzeitarbeitsloser, der weder Deutsch spricht noch eine Berufsausbildung hat, Brücken und Straßen bauen? Das hilft ihm doch überhaupt nicht. Oder ist das Geld doch für die Finanzierung von irgendwelchen Arbeitslosenprogrammen gedacht?

Sie schreiben von 300 000 sozialen Jobs für den sozialen Arbeitsmarkt, und dann erwähnen Sie 840 000 Langzeitarbeitslose, die offiziell gezählten 2,4 Millionen Arbeitslosen und die nach Ihrer Zählung 3,4 Millionen Arbeitslosen.

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: 3,3! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht unsere Zählung!)

Wir können jetzt ja mal schauen, was es bedeutet, wenn man die 120 Milliarden Euro auf diese Menschen verteilt.

Wenn man das Geld nur auf diese 300 000 umlegt, dann bedeutet das, dass jeder von denen im Monat 33 000 Euro überwiesen bekommt. Das ist so viel, wie ein Chefarzt mit zwanzig Jahren Berufserfahrung im Monat verdient. Wenn Sie die 120 Milliarden Euro auf die 840 000 Langzeitarbeitslosen verteilen, dann bedeutet das für jeden immer noch 11 900 Euro im Monat.

(Zuruf von der LINKEN: Sie haben ja keine Ahnung!)

Das ist das, was ein Technischer Geschäftsführer eines Stadtwerkes verdient. Wenn man die 2,4 Millionen Arbeitslosen zugrunde legt, dann wollen Sie immer noch jedem Arbeitslosen 4 000 Euro im Monat überweisen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben den Antrag nicht verstanden! Das ist das Problem!)

Das verdient in Deutschland ein Mechatroniker. Selbst wenn man Ihre große Zahl von 3,4 Millionen Menschen nimmt, die arbeitslos sind, wären das immer noch 2 900 Euro im Monat. Das ist das, was ein Kundenberater im Vertrieb jeden Monat verdient. Damit übertreffen Sie selbst Ihren Mindestlohn von 12 Euro die Stunde.

Ich frage mich, warum Sie es hier so kompliziert machen. Sie sagen, Sie wollen es den Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Menschen mit Behinderungen, Alleinerziehenden, Personen in Haushalten mit Kindern, in denen beide Elternteile erwerbslos sind, Personen, die bereits länger als zwei Jahre ununterbrochen Leistungen nach dem SGB II beziehen, und Personen über 55 Jahre geben. Jetzt fehlen nur noch die 230 000 Jugendlichen. Warum schreiben Sie in Ihren Antrag nicht einfach rein, dass es für alle gilt?

(Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Whittaker.

Kai Whittaker (CDU/CSU):

Ich lasse keine Zwischenfrage zu, danke. – Warum machen Sie es so kompliziert?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch logisch bei dem Unsinn, den Sie vortragen!)

Die Gewinnaneignung durch privatrechtlich organisierte Unternehmen ist auszuschließen.

Warum gründen Sie nicht einfach eine staatliche Behörde und stellen alle Langzeitarbeitslosen einfach an? Das wäre doch wesentlich konsequenter, als hier einfach so einen Gesetzentwurf hinzulegen, von dem keiner weiß, was er eigentlich soll.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Von dem Sie nicht wissen, was er soll!)

Das Ganze wollen Sie dann auch noch mit 180 Milliarden Euro Mehreinnahmen finanzieren. Ganz konkret gesagt: Das ist nichts anderes als eine Steuererhöhung. Die Deutschen zahlen jedes Jahr 180 Milliarden Euro Lohnsteuer. Das wollen Sie den Menschen noch einmal, zusätzlich, abknöpfen. Das heißt, jeder von uns müsste doppelt so viel Steuern zahlen wie heute.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur die Menschen, die mehr als 7 000 Euro brutto haben! Für die, die weniger haben, wollen wir die Steuern senken!)

Das ist Ihr Plan, und deshalb muss das hier auch mal angesprochen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es wird in meiner politischen Laufbahn nicht oft vorkommen, dass ich Oskar Lafontaine zitiere, vielleicht muss ich das hier aber mal tun. Er hat gesagt: „Wenn wir schon kein Geld haben, dann brauchen wir wenigstens gute Ideen.“ Ich muss feststellen: Leider haben Sie beides nicht, weder Geld noch gute Ideen. Aber dafür gibt es ja uns als Union.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Voll der Brüller! Selbstlob stinkt!)

Ganz offen: Um hier einen letzten Beweis der Realitätsferne abzuliefern, fordern Sie in Ihrem Antrag auch noch, die „Teilhabe an gesellschaftlich sinnvoller und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung“ zu finanzieren. Als erfolgreiches Beispiel wird ausgerechnet Berlin genannt, wo es die höchste Hartz-IV-Quote in Deutschland und viele Langzeitarbeitslose gibt. Den Einzigen, den Sie da wirklich intensiv betreuen sollten, anstatt Ihr Konzept hier auszubreiten, ist der Regierende Bürgermeister von Berlin.

Meine Damen und Herren, die Union schlägt anderes vor. Wir müssen die Menschen qualifizieren, wir müssen sie besser betreuen, wie müssen sie mitnehmen in den ersten Arbeitsmarkt und aus Hilfskräften Fachkräfte machen. Das muss unser Ziel sein.

Ich hoffe, dass wir mit der SPD – wir haben uns ja die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zur Aufgabe gemacht – einen guten Gesetzentwurf dazu hier durchs Parlament bekommen, damit wir den Menschen helfen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)