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Dr. Matthias Zimmer: Wir können uns keine tariffreien Bereiche leisten

Redebeitrag in der aktuellen Stunde - Gute Löhne und Verteilungsgerechtigkeit

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kenne eine ganze Reihe von Mittelständlern, eine ganze Reihe von Unternehmern, mit denen ich in diesen Tagen auch spreche – einer sitzt da vorne; das ist der Herr Cronenberg –,

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Es geht um die Superreichen!)

und ich bin mir ziemlich sicher: Diese Unternehmer machen sich alle Sorgen um die Zukunft ihres Unternehmens und um die Zukunft ihrer Mitarbeiter, und die feiern keine „Coronapartys“.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Aber wie so häufig, Frau Ferschl, ist bei den Reden, die Sie hier halten, Wahres und Falsches eng beieinander.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist wie bei euch!)

Ich will zwei Dinge besonders herausgreifen:

Sie finden uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, die Tarifbindung zu stärken. Das halte ich für eine der wichtigsten Aufgaben in den nächsten Jahren. Wir können uns keine tariffreien Bereiche leisten, und die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist eine der zentralen Errungenschaften in der sozialen Marktwirtschaft. Die wollen wir nicht nur stärken, die wollen wir ausbauen, und da finden Sie uns an Ihrer Seite.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss man was tun!)

- „Da muss man was tun“, sagt die Frau Müller-Gemmeke,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

und da bin ich völlig bei Ihnen.

Ich bin sehr dafür, dass wir Experimentierräume für Unternehmen öffnen, die tarifgebunden sind.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Das ist doch nicht die Lösung!)

Ich bin sehr dafür, dass wir die Sozialpartnerschaft dadurch stärken, dass wir ihnen zusätzliche Kompetenzen einräumen. Ich bin sehr dafür, dass wir die Möglichkeit schaffen, dass auf betrieblichen Ebenen sehr viel flexibler auf die Herausforderungen des modernen Arbeitslebens reagiert wird. Das ist ein kluger Weg, die Sozialpartnerschaft zu stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie finden uns auch an Ihrer Seite, Frau Ferschl, wenn es um höhere Löhne geht. Das ist eine Aufgabe der Tarifpartner. Ich wünsche jedem der Tarifpartner viel Erfolg dabei, höhere Löhne auszuhandeln.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Es sind aber nur noch die Hälfte gebunden!)

Ich bin auch nicht dagegen, dass wir einen höheren Mindestlohn haben. Das habe ich hier an dieser Stelle schon mal gesagt. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir dafür ein eingeübtes Verfahren haben, und das Verfahren bedeutet: Wir lassen den Mindestlohn von den Sozialpartnern in der Mindestlohnkommission aushandeln und werden ihn nicht politisch bestimmen. – Das haben wir explizit abgelehnt, und das halte ich nach wie vor für richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir stehen in der Krise natürlich vor besonderen Herausforderungen, und es ist auch richtig, dass wir darüber diskutieren. Jeder von uns merkt doch in der Debatte, die wir jetzt führen – die Haushaltswoche ist in der nächsten Sitzungswoche –, dass wir vor unglaublichen Herausforderungen stehen und dass diese Herausforderungen sehr stark mit Corona und mit dem Wunsch und dem Willen zu tun haben, in der Coronapandemie weiterhin eine soziale Balance wahren zu können.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Die ist aber nicht gegeben! Die war vorher schon nicht gegeben!)

Deswegen sind unsere Maßnahmen doch auch völlig klar: erleichterter Zugang zum ALG II, deutliche Verlängerung des Kurzarbeitergeldes, Kinderbonus für Alleinerziehende, die ganzen Entschädigungszahlungen. All das machen wir doch nicht zum Spaß, sondern deswegen, damit die Coronapandemie die soziale Ungleichheit hier nicht in irgendeiner Weise verschärft und wir einen sozialen Ausgleich schaffen können.

Ich sage aber auch: Wenn man sich die Frage „Arm und Reich in Deutschland“ betrachtet, dann kann man zu sehr unterschiedlichen Aussagen kommen. Ich habe eine Studie vom Paritätischen Wohlfahrtsverband aus den letzten Tagen gelesen. Da steht plakativ drauf: „Gegen Armut hilft Geld“. Dieser Meinung bin ich nicht, und ich glaube, dieser Meinung sind wir auch in unserer Koalition nicht. Ich glaube, wenn man die Studie des Paritätischen sehr genau liest, in der sozusagen nur eine Momentaufnahme gemacht wird, dann ist man froh, dass man die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung hat, in denen Lebenslagen analysiert werden. Aus der Analyse der Lebenslagen geht doch etwas ganz anderes hervor. Daraus geht nämlich hervor: Gegen Armut hilft nicht Geld, sondern gegen Armut hilft Bildung, hilft Unterstützung und hilft Intervention in speziellen Lebenslagen. – Das ist unsere Antwort auf die Armut in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, unsere Politik ist es, auch was die Frage von Armut und Reichtum angeht – ich will nur darauf hinweisen, dass der Gini-Koeffizient, der Einkommensarmut anzeigt, seit Jahren weitgehend unverändert ist und sich lediglich seitwärts bewegt –, die Menschen zu ertüchtigen, den Menschen etwas zuzutrauen – und nicht, die Probleme dieser Welt mit Geld zuzustopfen, das ist nicht unser Weg. Wir werden diesen Weg weitergehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)