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Dr. Matthias Zimmer: "Nur in einem starken Europa können wir Wachstum und Wohlstand wahren"

Rede zur Entlastung bei den Sozialabgaben

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD fordert in ihrem Antrag, bestimmte gesetzlich Versicherte und Selbstständige von Sozialversicherungsleistungen zu befreien und diese Zahlungen dann aus Steuermitteln zu bestreiten. Das Finanzierungsvolumen geben Sie mit 36 Milliarden Euro pro Jahr an. Einen großen Teil – der Kollege hat es eben gesagt – wollen Sie dadurch finanzieren, dass Sie Zahlungen nach Europa einstellen und umlenken.

Hierzu will ich zwei Bemerkungen machen:

Die erste Bemerkung. Bei einer Versicherung, sei es die Krankenversicherung, die Arbeitslosenversicherung oder die Rentenversicherung, stehen den Prämien, die zu zahlen sind, immer auch Leistungen gegenüber. Diese Leistungen sind individuell: nach dem Äquivalenzprinzip bei der Rente, nach den Versicherungszeiten bei der Arbeitslosenversicherung und nach der medizinischen Indikation bei der Krankenversicherung. Aus guten Gründen sind Arbeitnehmer pflichtversichert; aus guten Gründen debattieren wir die Einbeziehung von Selbstständigen in diese Versicherungen. Zentral ist aber: Es sind Versicherungen und keine Fürsorgeleistungen.

Die Fürsorgeleistungen werden in Deutschland nach dem Prinzip der Subsidiarität und der Solidarität von den Steuerzahlern getragen. Die Versicherungsleistungen nicht. Sie sind nur subsidiär, und Subsidiarität ist ein freiheitssicherndes Prinzip.

Sie wollen mit Ihrem Antrag Menschen von staatlichen Transferleistungen abhängig machen, indem Sie Versicherungs- und Fürsorgeleistungen vermischen. Das ist ordnungspolitisch grundfalsch. Es widerspricht der Idee des freien und Verantwortung für sich tragenden Menschen. Ihr Antrag führt zu einem Staat der Unfreiheit, der zumindest uns in der Union fremd ist. Das ist der Weg in die Knechtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Das ist übrigens schon erstaunlich für eine Partei, die ansonsten misstrauisch gegenüber dem Staat ist. Aber da sind Sie vermutlich wie die Kommunisten: Wenn man die staatliche Gewalt selbst hat, ist alles anders.

Eine zweite Bemerkung. Was da verschämt hinter dem Antrag hervorlugt und sich als Sorge um die Bezieher kleiner Einkommen tarnt, ist in Wahrheit etwas ganz anderes. Des Pudels Kern ist hier: Sie wollen unser Europa nicht, und Sie wollen unser Europa zerschlagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die EU! Nicht Europa!)

Dazu passt, dass Sie kürzlich Steve Bannon eingeladen haben, der sich die Zerschlagung Europas auf die Fahnen geschrieben hat. Der Mann ist Ihr geistiger Pate. Er versammelt um sich alle Antieuropäe r, mit denen Sie auch befreundet sind: den Front National mit Marine Le Pen, die Lega Nord mit Salvini, die niederländische PVV mit Geert Wilders. Europa zu zerschlagen, darin sind sich auch Trump und Putin einig – aus unterschiedlichen Gründen. Sie sind deren willige Vollstrecker.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Grigorios Aggelidis [FDP] und Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie sind anti Europa wie Ihr Freund Farage, nationalistisch wie Ihr Vorbild Trump, und Sie lassen sich von Putin finanzieren.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Petr Bystron [AfD]: Was ist das denn jetzt? – Jürgen Braun [AfD]: Glatte Lüge so was! – Weitere Zuruf von der AfD: Das ist eine Unverschämtheit!)

Sie sind keine Alternative für Deutschland. Sie sind der Untergang Europas.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie versuchen, Geringverdiener gegen die EU auszuspielen. Sie hoffen dabei im Stillen, dass die Geringverdiener Europa für ihre Lage verantwortlich machen, und rufen ihnen zu: Schaut her! Weniger Geld für Europa, und schon geht es euch gut. – Das Gegenteil ist der Fall. Nur in einem starken Europa können wir Wachstum und Wohlstand wahren. Nur in einem starken Europa können wir die Arbeitsplätze sichern. Nur in einem starken Europa können wir auf Frieden und Freiheit hoffen. Europa ist deshalb unsere Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Petr Bystron [AfD]: Sie haben es vergeigt! Europa ist nicht stark!)

Sie und Ihr Nationalismus, das ist Vergangenheit, die nie wieder Zukunft werden darf. Sie und Ihr Nationalismus, Sie und Ihr Europabild, das ist das 19. Jahrhundert, das ist Kampf, Konflikt, Konkurrenz und Krieg in Europa. Dieses Europa wollen wir genauso wenig, wie wir Sie wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)