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Dr. Georg Nüßlein: Es ist entscheidend, dass sich die Ärzte frei niederlassen können

Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklärung Gesundheit

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe Frau Dörner, ich habe gedacht, dass man von der moralischen Palme aus einen besseren Überblick hat. Aber ich kann das bei Ihnen nicht konstatieren.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sprechen Sie zur Sache, Herr Nüßlein!)

Sie haben über Sorgen und Nöte theoretisch gesprochen. Sie haben dann Dinge ausgeführt, die nach meiner Einschätzung die Menschen in unserem Land nicht umtreiben.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Doch!)

Ich glaube nicht, dass die Menschen auf mehr Werbung für Abtreibungen warten und auf theoretische Debatten über eine Bürgerversicherung hoffen.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Es geht nicht um Werbung! Es geht um Frauen!)

Die Menschen erwarten vielmehr konkrete Gesundheitspolitik zum Beispiel zur Versorgung des ländlichen Raums oder zur Pflege.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie zur Sache!)

Der Minister hat vorhin unser Konzept vorgestellt. Hätten Sie zugehört, hätten Sie es mitbekommen. Darüber will ich nun reden, aber nicht, ohne darauf hinzuweisen, was wir in der letzten Legislaturperiode gemacht haben, wie wir die Pflege gestärkt haben, was wir im Bereich der Krankenhausstruktur, bei Hospiz- und Palliativversorgung und der Hygiene im Krankenhaus verbessert haben. Das haben wir gemeinsam miteinander beschlossen. – Gestatten Sie mir an dieser Stelle, dass ich den Glückwunsch an den neuen Minister verbinde mit einem Dank an Hermann Gröhe, seinen Vorgänger.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Thema ländlicher Raum ist in der Tat ein kompliziertes Thema. Wir sehen hier viele Verwerfungen, die sich nicht so einfach auflösen lassen. Wir haben viele Ansätze: verbesserte Kooperation der Akteure, Aufwertung nichtärztlicher Gesundheitsberufe, Telemedizin und finanzielle Anreize. All diese Themen sind wichtig. Aber entscheidend wird am Schluss sein, Ärztinnen und Ärzte zu motivieren, sich im ländlichen Bereich niederzulassen.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Geld!)

Das geht nur, wenn wir für Flexibilität sorgen, wenn das Niederlassen im ländlichen Bereich keine unumkehrbare Lebensentscheidung ist, wenn die Ärzte auch die Chance haben, sich einmal vor Ort umzuschauen und darüber nachzudenken, ob es Sinn macht, sich im ländlichen Raum niederzulassen. Das derzeitige Zulassungssystem stellt an dieser Stelle ein Hemmnis dar. Die Bedarfsplanung in ihrer Abstraktheit und Weite ist eher ein Nachteil. Ich habe zu denjenigen gehört, die in den Koalitionsverhandlungen festgelegt haben, dass das zu reformieren ist. In Zukunft wird es keine Zulassungssperren für Ärztinnen und Ärzte mehr geben, die sich in ländlichen oder strukturschwachen Bereichen niederlassen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist entscheidend, dass sich die Ärzte frei niederlassen können. Es gibt Gott sei Dank viele ältere Ärzte, die weiterhin praktizieren, dennoch altersbedingt ihren Patientendurchlauf reduzieren. Wenn diese Ärzte dann nicht mehr praktizieren können, soll plötzlich wie Deus ex Machina ein junger, frischer Arzt bereitstehen, der sich vorher nicht hat niederlassen dürfen?

In meinem Wahlkreis wurde zwei jungen Fachärztinnen eine zusätzliche Zulassung versagt mit dem Hinweis, dass es 30 Kilometer weiter einen Arzt gleicher Fachrichtung gibt, dessen Wartezimmer noch relativ leer ist. Die Patienten werden doch wohl selber entscheiden, zu welchem Arzt sie gehen wollen. Wir werden jedenfalls alles tun, um von dieser Planwirtschaft wegzukommen, hin zur Niederlassungsfreiheit gerade im ländlichen Bereich. Ich halte das für ganz entscheidend.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD])

Nachdem die Kollegin von der FDP das Thema Apotheken vorhin so leidenschaftlich angesprochen hat, will ich Ihnen auch sagen: Mit Verlaub, wenn Sie sich anschauen, was der Onlinehandel mit dem Einzelhandel gemacht hat, und wenn Sie daraus Ihre Schlüsse ziehen,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wir reden von 1 Prozent!)

dann werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass wir, wenn wir an dieser Stelle nicht eingreifen, irgendwann richtige Schwierigkeiten mit der Apothekenstruktur bekommen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn Ihnen das nicht gefällt, sage ich Ihnen an dieser Stelle auch noch einmal ganz klar: Sie haben die Chance gehabt, in einer Regierung mitzugestalten. Diese Chance haben Sie des Effekts wegen einfach so beiseitegeschoben. Der Nachteil, dass Sie jetzt in der Opposition sind, ist, dass Sie an dieser Stelle nur schimpfen können.

(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Wir können mehr als schimpfen!)

Was nun das Thema Pflege angeht, so glaube ich, dass das, was Karl Lauterbach vorhin angesprochen hat, von zentraler Bedeutung ist. Es geht nicht nur einfach mal so um 8 000 Stellen und deren Bezahlung, sondern wir wollen hier strukturell maßgeblich etwas ändern. Wir wollen klarstellen: Pflege ist durchfinanziert, beispielsweise über die Vollfinanzierung der Tarifsteigerungen, dadurch, dass wir dafür Sorge tragen, dass insgesamt Tariflöhne gezahlt werden, aber auch über die besagte Reform des DRG-Systems.

Da haben wir uns sehr präzise festgelegt. Wir werden den krankenhausindividuellen Finanzierungsbedarf für die Pflege aus den DRGs herausrechnen. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann werden Sie merken, dass die Zahl der Krankenhausfälle in den letzten Jahren angestiegen ist, dass aber die Zahl der Pflegekräfte gleichgeblieben ist. Es geht eben nicht nur um die Bezahlung, sondern es geht auch um die Arbeitsbedingungen, die von den Pflegerinnen und Pflegern momentan zu Recht beklagt werden.

Deshalb werden wir an dieser Stelle etwas ganz Maßgebliches ändern – das ist im Duktus dessen, was wir in der letzten Legislaturperiode beschlossen haben –: Da haben wir bereits einen Pflegepersonalzuschlag eingeführt und von 500 Millionen Euro auf 830 Millionen Euro jährlich angehoben. Diese Mittel werden auf die jeweiligen Krankenhäuser zur Finanzierung der Pflegekosten verteilt. Das trägt dazu bei, dass die Krankenhäuser keinen Druck haben, gerade in der Pflege Geld zu sparen. Pflege muss uns etwas wert sein. Pflege muss durchfinanziert sein. Es macht Sinn, das genau auf dem Wege zu tun, wie wir es in diesem Koalitionsvertrag präzise vereinbart haben. Ein Pflegepaket muss diesen Punkt in genau diesem Umfang berücksichtigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)