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Dr. Dietlind Tiemann: Die Duale Berufsausbildung ist seit Jahren ein Garant

Rede zur solidarischen Umlagefinanzierung für mehr Ausbildungsplätze

Die duale Berufsausbildung, die wir in der Bundesrepublik haben, ist seit Jahren ein Garant nicht nur für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern vor allem auch für die persönlichen und individuellen Zukunftschancen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Mit nur 6 Prozent Jugendarbeitslosigkeit stehen wir europa- und weltweit hervorragend da, und unser Erfolgsmodell wird reihenweise mit Hochachtung kopiert. Unser Ziel, an dem wir als Fraktion, als Regierungsbündnis und auch übergreifend in der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“ mit Hochdruck arbeiten, ist die Stärkung ebendieser beruflichen Bildung.

Unsere Maßnahmen können sich sehen lassen: So sind wir kurz vor der Verabschiedung des BBiMoG, in dem wir eine Reform der Aufstiegs- und Fortbildungsordnung und die Stärkung der Teilzeitberufsausbildung verankert haben. Ebenso lassen sich bald nun bislang abgelegte Abschlussprüfungen auf folgende Aus- und Weiterbildungen anrechnen. Die auch finanzielle Anerkennung der Auszubildenden drücken wir mit einer sorgfältig austarierten Mindestausbildungsvergütung aus.

Vom Bundesinstitut für Berufsbildung nenne ich Ihnen zwei Zahlen: 589 069 und 555 953. Die erste Ziffer, die um mehr als 30 000 höher liegt, bezeichnet die im Jahr 2018 angebotenen Ausbildungsplätze deutschlandweit. Die niedrigere Zahl steht für die Bewerber und Bewerberinnen dieses Jahres. Die Forderung nach mehr Ausbildungsplätzen, wie Sie nun von der Fraktion Die Linke eingebracht wurde, kann vor diesem Hintergrund wohl eher als Griff in die Forderungsmottenkiste verstanden werden.

Die Anzahl der Ausbildungsplätze übersteigt deutlich die der Bewerber. Entgegen aller verzerrenden Darstellungen, insbesondere vonseiten der Fraktion Die Linke, sehen wir uns also einer Situation gegenüber, in der wir die ausbildenden Unternehmen und Betriebe stärken sollten, anstatt sie über eine zusätzliche, noch dazu umständliche weitere Abgabe zu belasten oder zu verunsichern. Daher verwundert der nun eingebrachte Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Linken erheblich: Die von ihnen einem Mantra gleich geforderte Ausbildungsplatzabgabe mag, wenn überhaupt, bedenkenswert erscheinen, wenn ein Mangel an Plätzen herrscht. Aber noch einmal: Genau das Gegenteil ist der Fall!

Wir können nicht einmal alle angebotenen Ausbildungsplätze durch geeignete Bewerber besetzen. Darüber hinaus bestehen erhebliche juristische Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Gängelung der Unternehmen. Außerdem würden Sie ein kaum bezwingbares Bürokratiemonster erschaffen, das zusätzliche Ressourcen, insbesondere des Mittelstands, binden würde. Bereits mehrfach, zuletzt im Jahr 2004, sind Versuche, dieses ungeeignete Instrument der Ausbildungsplatzabgabe einzuführen, gescheitert – und zwar am berechtigten Widerstand aller, die Sach- und Fachkenntnis von ausbildenden Unternehmen besitzen.

Gern werde ich Ihnen die negativen Folgen, die eine Zustimmung zu Ihrem Antrag mit sich bringen würden und die damals wie heute gelten, aufschlüsseln: Eine Ausbildungsplatzabgabe wirkt prozyklisch und gleicht konjunkturelle Ausschläge nicht aus, sondern verstärkt sie. Der Beitrag müsste also aus Ihrer Sicht im Falle einer schwachen Konjunktur und schlechten Firmensituation daher besonders hoch sein und würde damit zu einer existenzbedrohenden Schwächung der Unternehmen führen.

Zudem belastet er gerade beschäftigungsintensive Unternehmen, weil er ähnlich wie Lohnzusatzkosten wirkt. Es käme zu einem unausgewogenen und nicht bedarfsgerechten Ausbildungsmarkt. Wird das Angebot an „eingekauften“ Ausbildungsplätzen etwa einseitig nach den Wünschen der Jugendlichen ausgerichtet, wird die Jugendarbeitslosigkeit steigen, da im Zweifel am Bedarf der Unternehmen vorbei ausgebildet wird. Das ehrenamtliche Engagement, zum Beispiel von Prüfern und Prüfungsausschussmitgliedern aus der betrieblichen Praxis, wird zurückgehen. Wo Geld fließt, wird auch Geld gefordert, und der unverzichtbare Einsatz der vielen freiwillig Engagierten wird ausgehöhlt.

Eine Abgabe setzt falsche Anreize für Betriebe. Sie reduziert die Ausbildungsentscheidung zu sehr auf ein rein betriebswirtschaftliches Kalkül. Unter Umständen verzichten Betriebe lieber auf das Anbieten von Ausbildungsplätzen, weil es sich nicht mehr rechnet bzw. es sich ökonomisch eher lohnt, die Abgabe zu zahlen.

Die Konsequenz aus dem „Einkaufen“ von betrieblichen Ausbildungsplätzen führt mittel und langfristig zu einer Subventionsmentalität und in die Förderfalle: Obwohl immer mehr Geld fließt, gibt es insgesamt eher weniger Lehrstellen. Gekaufte Lehrstellen verdrängen freiwillig angebotene. Zudem sind zentral gesteuerte Maßnahmen höchst unflexibel und gehen an den Besonderheiten und Bedürfnissen regionaler Ausbildungs- und Arbeitsmärkte vorbei.

Am Beispiel der Bauwirtschaft, die Sie selbst in Ihrem Antrag nennen, wird doch eines deutlich: Es bedarf keiner staatlichen Überregulierung, wenn sich eine Branche eigenständig und bedarfsgenau ein Angebot schafft. Die SOKABAU, also die Sozialkassen der Bauwirtschaft, die insbesondere für den Erfolg von überbetrieblichen Ausbildungszentren sorgen, sind doch ein gutes Beispiel für das Funktionieren der bisherigen Regelungen. Sie basieren vor allem auf dem freiwilligen Mitwirken und der passgenauen Beteiligung der Unternehmen. Kompetenz und Erfahrung der Betriebe und Unternehmen vor Ort werden nach Ihren Vorstellungen einer zentralen staatlichen Umlage dagegen ignoriert und über einen Kamm geschert.

Darüber hinaus wäre eine Abgabe nach Ihren Wünschen in hohem Maße ungerecht: Da die Abgabepflicht an die tatsächliche Ausbildungsleistung anknüpfen soll, müssten beispielsweise Betriebe, die keine geeigneten Bewerber finden, eine Strafabgabe zahlen, obwohl sie ausbilden wollen. Wer von Ihnen in letzter Zeit mit einem Handwerksmeister oder einem mittelständischen Unternehmer gesprochen hat, weiß, wie schwer es die Betriebe teilweise haben, überhaupt jemanden für einen Ausbildungsvertrag zu gewinnen. Im Zweifel müssten auch Unternehmen in Regionen die Abgabe zahlen, in denen der Ausbildungsmarkt ausgeglichen ist. Das halte ich für nicht vermittelbar und redet einem zentralistischen Ordnungswahn das Wort.

Bedenklich ist ebenfalls die Situation jener Betriebe, für deren Qualifikationsanforderungen es keine Ausbildungsberufe gibt. Dieses Argument gilt in besonderem Maße für Betriebe mit einem hohen Anteil an Hochschulabsolventen, wie zum Beispiel in der Hightech und IT Industrie. Die Verstaatlichung der Berufsbildung wäre das Ende des deutschen Erfolgsmodells, und daher bitte ich Sie, den Antrag gemeinsam mit der Unionsfraktion abzulehnen.