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Alexander Krauß: "Wir brauchen mehr Gesundheitsförderung"

Den Öffentlichen Gesundheitsdienst dauerhaft stärken, die Public-Health-Perspektive in unserem Gesundheitswesen ausbauen

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem herzlichen Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Öffentlichen Gesundheitsdienst beginnen. Wir haben gerade in der Pandemie erlebt, dass sie über die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit hinausgegangen sind, und das nicht nur an einem Tag, sondern über Wochen und Monate. Das war eine sehr, sehr respektable Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Öffentlichen Gesundheitsdienst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zur Beschreibung der Istsituation gehört aber leider auch, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst seinen Aufgaben bereits vor der Pandemie nicht ausreichend gerecht werden konnte; denken wir an Einschulungsuntersuchungen und Gesundheitsförderung. Der Grund liegt in der personellen Unterbesetzung. Es gibt derzeit 2 500 Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Vor 25 Jahren waren es 50 Prozent mehr.

Deswegen war es richtig – dafür ein herzliches Dankeschön an den Gesundheitsminister –, im September den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst auf den Weg zu bringen. Der Bund, der eigentlich keine Zuständigkeit für diesen Bereich hat, gibt dennoch 4 Milliarden Euro für den Öffentlichen Gesundheitsdienst aus: für Personal, für Digitalisierung, für moderne Strukturen.

Wir stehen auch vor Herausforderungen. Das wird deutlich, wenn ich an die SORMAS-Software zur Kontaktnachverfolgung denke. Derzeit nutzt nur knapp die Hälfte der Gesundheitsämter dieses System. Die Bundesländer haben zugesagt, bis Ende Februar alle Gesundheitsämter anzuschließen. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass es vermutlich nicht dazu kommen wird, was schade ist. Ich würde mir wünschen, dass gerade die Landkreise, dass die Länder dort wesentlich mehr Dampf machen, damit das gelingt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen sollten wir beraten, wie der Öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt werden kann und wie wir von Bundesseite mehr Einfluss nehmen können, damit der Öffentliche Gesundheitsdienst auch wirklich seine Arbeit macht. Allein mit guten Worten und großzügigen Geldgeschenken wird das auch in Zukunft nicht gelingen.

Das waren für mich jetzt die kurzfristigen Notwendigkeiten. Aber ich finde, wir müssen den Öffentlichen Gesundheitsdienst auch in einer Langfristperspektive betrachten. Wir brauchen den Öffentlichen Gesundheitsdienst für einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik. Wir müssen den Fokus stärker darauf ausrichten, wie Menschen gesund bleiben können. Dabei spielt der Öffentliche Gesundheitsdienst wirklich eine Schlüsselrolle.

Unser Gesundheitswesen beschäftigt sich sehr intensiv damit, warum Krankheiten entstehen und wie man sie heilen kann, und das ist auch vollkommen in Ordnung. Wir müssen uns aber noch viel stärker damit beschäftigen, wie es gelingt, dass Menschen gesund bleiben, also gar nicht erst krank werden. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist gut und richtig, dass Kranken so, wie wir das machen, geholfen wird; aber zusätzlich müssen wir das Gesundheitswesen stärker darauf ausrichten, Menschen gesund zu erhalten. Das verlangt uns allen selbst etwas ab. Die Grundvorstellung „Man wirft eine Tablette ein, und dann wird man gesund“ muss schon durch einen weiteren Gedanken ergänzt werden, nämlich durch den, dass jeder selbst etwas für die Gesunderhaltung tun kann und auch tun muss. Dieser Gedanke kommt uns, jedenfalls mir, zu selten. Ich zum Beispiel nehme mir zu wenig Zeit für die eigene Gesundheit.

Was können wir jetzt tun? Was heißt das konkret? Die Krankenkassen bekommen derzeit umso mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds, je mehr Kranke sie haben. Das ist auch nachvollziehbar, weil man dann auch Mehrausgaben hat. Aber warum geben wir nicht jenen Kassen Geld, denen es gelingt, ihre Versicherten besonders lang gesund zu erhalten? Und wie geht Gesunderhaltung? Das hat etwas mit der Stärkung von Gesundheitskompetenz zu tun, damit, dass Gesundheitskompetenz vermittelt wird, dass es mehr Schutzimpfungen gibt, dass es mehr Prävention gibt.

Wenn ich über Prävention spreche, dann heißt das für mich vor allem, dass die Prävention die Richtigen erreicht. Bei unseren Präventionskursen zeigt die Statistik, dass sie zu 81 Prozent von Frauen besucht werden. Das spricht dafür, dass Frauen besonders intelligent sind; das spricht aber nicht dafür, dass unsere Präventionskurse besonders intelligent sind. Denn die sollten gerade auch Männer erreichen, die vielleicht eher dazu neigen, gesundheitlich angeschlagen zu sein.

Wir brauchen auch mehr Informationen darüber, was man selbst tun kann, wie man sich gesund ernährt, wie man sich mehr bewegt. Wir haben in der Pandemie gemerkt, dass das Thema Gesundheit ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt ist, dass wir auch mehr über Hygienethemen gesprochen haben. Mich hat ein Gastwirt mal angesprochen. Er hat gesagt, jetzt wüssten auch die Männer, wozu das Waschbecken vorm Klo da sei. Es ist bei uns einfach, ein bisschen flapsig gesagt, im Bewusstsein der Menschen angekommen, dass man sich mehr mit Hygiene beschäftigen muss.

Ich denke auch an das Thema Impfen; das wird uns ja in diesen Tagen ganz besonders bewusst. Wir erleben bei den Grippeimpfungen eine sehr positive Entwicklung; die Zahl der Geimpften ist gewachsen. Wir sind natürlich noch immer nicht dort, wo wir hinwollen, dass sich nämlich 75 Prozent der Älteren gegen Grippe impfen lassen, aber wir sind auf einem sehr guten Weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns unser Gesundheitswesen mit einem starken Öffentlichen Gesundheitsdienst umbauen. Wir brauchen mehr Gesundheitsförderung, wir brauchen mehr Prävention, wir brauchen mehr Wissensvermittlung für alle darüber, was sie selbst für ein gesundes Leben tun können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)