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Alexander Krauß: Die Krankenschwestern gehören zu den Leistungsträgern in unserer Gesellschaft

Rede zur Personalbemessung in Krankenhäusern

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeit der Krankenschwestern in unserem Land

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Krankenpflegefachkräfte!)

hat in den vergangenen Monaten eine deutlich größere Wertschätzung erfahren; das war auch notwendig. Das ist gut so, das ist richtig so; denn die Krankenschwestern bei uns im Land machen einen Spitzenjob. Sie gehören zu den Leistungsträgern in unserer Gesellschaft.

Seit vorigem Jahr greift unser Sofortprogramm Pflege. Wir haben ja beschlossen, dass jede zusätzliche Pflegekraft voll finanziert wird. Einerseits wird jede Krankenschwester, die zusätzlich eingestellt wird, voll finanziert, und auf der anderen Seite wird jede Tarifsteigerung eins zu eins finanziert. Das war die einschneidendste Verbesserung in den vergangenen Jahren im Krankenhausbereich.

Wie war die Situation vorher? Auf der einen Seite haben die Krankenhäuser über die Jahre mehr und mehr Ärzte eingestellt, weil die Ärzte diejenigen sind, die Leistungen abrechnen können. Auf der anderen Seite ist der Umfang des Pflegepersonals bestenfalls gleich geblieben, zum Teil aber auch reduziert worden, weil manche Krankenhäuser in den Krankenschwestern eine Kostenstelle mit zwei Ohren gesehen haben.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Krankenpflegefachkräfte!)

Das war eine vollkommen falsche Einschätzung, angesichts der wir gesagt haben: Wir müssen hier korrigierend eingreifen. – Das haben wir getan, und ich glaube, das war auch richtig so.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jetzt liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, wie man den Bedarf an Pflegepersonal bemessen kann. Ich danke den Akteuren, die daran mitgewirkt haben; das war ja ein Auftrag aus der Konzertierten Aktion Pflege. Wir sind aufgerufen, diesen Vorschlag zu prüfen, und wir werden ihn auch, Herr Kollege Weinberg, wohlwollend prüfen; dem steht selbstverständlich nichts entgegen. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir Ihrem Antrag dann auch wirklich zustimmen.

Wir müssen zuerst eine Frage klären: Woher nehmen wir die Pflegekräfte?

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: 300 000 sind weggegangen!)

Der Vorschlag besagt, dass man bis zu 80 000 neue Pflegekräfte braucht. Ich sage ganz deutlich: Woher nehmen, ohne zu stehlen? Ich möchte nicht, dass wir Pflegekräfte aus Rehaeinrichtungen oder der Altenpflege absaugen, wo wir 15 000 unbesetzte Altenpflegestellen haben.

(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja noch schöner!)

Das möchte ich nicht; vielmehr müssen wir uns da schon ein bisschen mehr Gedanken machen.

Wir müssen uns auch mal anschauen, wie die Situation jetzt in den Krankenhäusern ist. Laut Deutschem Krankenhausinstitut gab es im Dezember 17 000 unbesetzte Stellen in der Pflege im Krankenhausbereich. Und einen Monat später kam die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit dem Vorschlag, 40 000 bis 80 000 neue Stellen zu schaffen. Wir müssen schon mal gucken, wie wir das übereinanderbringen. Deswegen erwarte ich von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, dass sie ein stimmiges Konzept vorstellt, wie sie diese Stellen besetzen möchte.

(Beifall des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])

Und dieses Konzept – das sage ich auch ganz deutlich in Richtung der Deutschen Krankenhausgesellschaft – darf nicht im Elfenbeinturm in Berlin erstellt werden, sondern das muss mit den Krankenhäusern vor Ort abgestimmt werden, die die Praxis wirklich kennen. Das ist der Auftrag an die Deutsche Krankenhausgesellschaft.

Ich möchte nicht verhehlen, was meine Priorität bei dem Ganzen ist. Wenn jetzt 17 000 Stellen in den Krankenhäusern unbesetzt sind, dann erwarte ich, dass diese 17 000 Stellen zuerst besetzt werden, dass man Anstrengungen unternimmt, um das hinzubekommen. Wir haben dazu auch Anregungen durch die Konzertierte Aktion Pflege erhalten; so wurde gesagt, dass wir durch die Ausbildungsoffensive Pflege die Zahl der Auszubildenden erhöhen wollen. Das ist sinnvoll. Das sind aber nur 2 400 pro Jahr. Da bleibt eine kleine Lücke bis 80 000. Wir haben auch gesagt, dass wir mehr ausländische Bildungsabschlüsse anerkennen wollen. Da hat sich die Zahl binnen zwei Jahren auf 10 000 pro Jahr verdoppelt. Aber das reicht alles nicht aus. Wir müssen insofern schon auf die Zahlen schauen und das durchrechnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss leider auch noch auf einen kleinen Schönheitsfehler des Vorschlags hinweisen: Es hängt kein Preisschild dran. – Ich finde, dass die Arbeitnehmer, dass die Arbeitgeber, dass auch die Krankenkassen ein Recht haben, wenn Vorschläge unterbreitet werden, zu erfahren, wie viel die kosten.

(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Wenn mir jemand ein Auto verkaufen möchte, dann möchte ich nicht nur wissen, inwieweit die Kosten für die Serviceleistungen steigen, sondern auch, was das Auto eigentlich kostet. Insofern möchte ich auch hier wissen, was es kostet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP] – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Signal an die Pflege!)

Der Kollege Weinberg hat richtigerweise darauf verwiesen, dass 1993 die Pflegepersonalregelung 1.0, so könnte man sagen, eingeführt worden ist. Sie ist nach drei Jahren beerdigt worden, weil es erhebliche Mehrkosten gab, die man nicht gesehen hat. Das darf uns nicht noch einmal passieren. Es muss, wenn man eine Reform macht, solide durchgerechnet werden, was sie kostet.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden den Vorschlag der Krankenhausgesellschaft, des Pflegerates und der Gewerkschaften sehr gern prüfen, weil es gut ist, dass Vorschläge gemacht werden. Bislang handelt es sich um einen Wunschzettel. Die Forderung der Linken ist jetzt, dass wir den Wunschzettel eins zu eins in Gesetzesform gießen. Da wir aber weder Weihnachtsmann noch Osterhase sind, wird das nicht so einfach gehen, sondern wir müssen uns da ein bisschen mehr Gedanken darüber machen: Was ist wirklich realistisch? Was ist machbar?

Ich erwarte jetzt, dass zuerst die Krankenhausgesellschaft ihre Aufgaben macht, dass sie uns ein Konzept vorlegt, wie sie die 17 000 unbesetzten Stellen besetzen will und woher sie das Personal nehmen will. Dann können wir auch gern über die Weiterentwicklung sprechen. Auf die entsprechende Diskussion freue ich mich.

Vielen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])