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Dr. Volker Ullrich: Eine künftige gemeinsame europäische Asylpolitik muss auf den Weg gebracht werden

Rede zur europäischen Flüchtlingspolitik

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ordnung und Steuerung der Migration bleibt auch in schwierigen Zeiten ein wichtiger politischer Auftrag, und wir müssen ihn unter Berücksichtigung der Humanität und der Geltung der Menschenrechte wahrnehmen.

Ich möchte zunächst einmal darauf zu sprechen kommen, dass es richtig war, dass sich Anfang März zehn Staaten der Europäischen Union und die Schweiz darauf verständigt haben, insgesamt 1 600 Kinder – unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – aus den Lagern in Griechenland europaweit zu verteilen und aufzunehmen. Das war auch deswegen richtig, weil das der Einstieg in einen europäischen Verteilmechanismus und in die gemeinsame Willenserklärung war, dass das Problem uns alle angeht und dass wir es nur in europäischer Solidarität gemeinsam lösen können.

Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir zu dieser Vereinbarung stehen und dementsprechend 350 Kinder in Deutschland aufnehmen. So wichtig es ist, dass wir unseren Beitrag leisten, so wichtig ist es aber auch, dass auch alle anderen europäischen Partner, die sich darauf verständigt und sich verpflichtet haben, Kinder aufzunehmen, ihren Anteil solidarisch leisten. Das müssen wir auch in schwierigen Zeiten einfordern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Klar ist auch: Das UN-Flüchtlingshilfswerk und die IOM brauchen vor Ort die Unterstützung, damit die Auswahl der Menschen, die über diese Kontingente nach Europa kommen, auch nach den Grundsätzen erfolgen kann, die wir gemeinsam aufgestellt haben. Es ist wichtig, dass wir ein entsprechendes Signal setzen, damit sich die Europäische Union insgesamt aufmacht, um das europäische Asylsystem zeitnah zu reformieren. Diese gemeinsame Erklärung muss der Startpunkt sein, damit wir in Europa nicht weiter zögern, sondern nach Dublin zu einem neuen System mit einer Gemeinsamen Europäischen Solidarität im Rahmen des Asylrechts kommen.

Das setzt übrigens auch voraus, dass wir darüber sprechen, warum die Menschen sich auf die Flucht begeben und warum sie in diesen Lagern gelandet sind. Deswegen ist ein wichtiger Baustein einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik auch die Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort. Das darf in keiner Debatte fehlen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Georg Link [FDP])

Eine künftige gemeinsame europäische Asylpolitik muss in den nächsten Wochen und Monaten auf den Weg gebracht werden. Vielleicht schafft es die kroatische EU-Ratspräsidentschaft nicht mehr, alle Dossiers abzuhandeln, weil durch Corona vieles überlagert wird. Aber dann wird es unter Führung der deutschen Ratspräsidentschaft unsere Aufgabe sein, die wesentlichen Dossiers einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik klar und deutlich zu benennen und voranzubringen. Es wird ein Lackmustest für Zusammenarbeit und Solidarität in Europa sein, wie es uns gelingt, dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem zu reformieren.

Für uns ist klar, dass wir Humanität, Ordnung und Steuerung der Migration als die Eckpunkte eines europäischen Asylsystems sehen. Wir wollen, dass die europäische Außengrenze geschützt wird, dass aber auch klar ist, und zwar bereits an der europäischen Außengrenze, wer nach Europa kommt. Aber wer nach Europa kommt, dem muss auch klar sein, ob er einen Asylanspruch hat oder nicht. Deswegen ist eine kursorische Prüfung an der europäischen Außengrenze Teil dieses Asylsystems.

Dann muss auch klar sein, welches Land zuständig ist. Dieser Verteilmechanismus muss innerhalb Europas solidarisch gelten. Da brauchen wir die Solidarität aller 27 EU-Mitgliedstaaten. Auch bei diesem Thema darf es letztlich keine Sonderrollen geben, sondern Europa muss seine Werte und seinen Zusammenhalt auch darin sehen, dass in Europa bei dieser Frage alle mitmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann muss auch deutlich werden, dass die Probleme, die das Dublin-System hervorgerufen hat, nämlich unklare Fragen der Zuständigkeit, fehlende Rücküberstellungen im neuen europäischen Asylsystem ausgeräumt werden. Das bedeutet, dass ein Staat zuständig ist und zuständig bleibt und dass wir Sekundärmigration in Europa unterbinden, um damit allen Staaten insgesamt zu helfen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Also nationale Grenzkontrollen!)

Wenn wir das hinbekommen, dann, glaube ich, kann Europa mit Stolz und mit Recht sagen, dass wir die Situation solidarisch und menschenrechtlich einwandfrei in den Griff bekommen und so handeln, wie es unsere Pflicht ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)