Skip to main content

Dr. Stephan Harbarth: Flüchlingsschutz ist vor allem ein Schutz auf Zeit

Rede zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte ist ausgeführt worden, dass ohne Familiennachzug keine Integration möglich sei. Meine Fraktion geht von einer anderen Prämisse aus: Für CDU und für CSU ist Flüchtlingsschutz zunächst und vor allem Schutz auf Zeit, und der Familiennachzug muss sich dabei nach unseren Aufnahmemöglichkeiten richten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Dies geschieht nicht aus einem Mangel an Mitgefühl, sondern wir weil wissen, dass Bundespräsident Gauck recht hatte, als er sagte: „Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Umfang des Familiennachzugs zu Schutzberechtigten, mit dem Deutschland in den nächsten Jahren konfrontiert sein wird, kann nur mit einem mehr oder minder plausiblen Näherungswert beziffert werden, weil im Asylverfahren nicht erhoben wird, ob der Antragsteller über eine Familie im Ausland verfügt. Alle Berechnungen sind mit Unsicherheiten verbunden. Aber es steht fest, dass 2016/2017 deutlich mehr als 250 000 Menschen als subsidiär schutzberechtigt anerkannt wurden und im Falle des Auslaufens der bestehenden Regelung Familienangehörige nachziehen könnten.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat immer wieder dargelegt, dass bereits die Belastungen durch den Nachzug zu unter die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention fallenden Schutzberechtigten für die Kommunen außerordentlich hoch sind, und hat dementsprechend mehr als einmal an den Bundestag appelliert, die Aussetzung des Nachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten zu verlängern.

Seinen Grund hat dies auch darin, dass leider eine ganze Reihe von Bundesländern von der Möglichkeit der Wohnsitzauflage keinen Gebrauch gemacht hat und sich Schutzbedürftige stark auf bestimmte Ballungsgebiete konzentrieren. Wir verlängern deshalb zunächst die Aussetzung und werden bis zum 31. Juli 2018 eine Neuregelung verabschieden, die künftig nur einen sehr begrenzten Nachzug aus humanitären Gründen vorsieht.

Deshalb sind wir auch anderer Auffassung als die Freien Demokraten. Wir glauben nicht, dass es der richtige Weg ist, zu sagen, wir muten allen Beteiligten einen weiteren zweijährigen Schwebezustand zu.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Das ist unzumutbar für die Flüchtlinge, das ist unzumutbar für die Kommunen. Wir sind nicht dafür gewählt worden, Dinge zu vertagen, sondern dafür, über Dinge zu entscheiden, und das werden wir in diesem Jahr tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Für uns ist auch die europäische Situation ein zentrales Argument. Es besteht keine völker- oder europarechtliche Verpflichtung, subsidiär Schutzberechtigten einen privilegierten Nachzug zu gewähren. Jeder Staat schafft sein eigenes Recht. Deshalb sieht etwa die Rechtslage in Österreich, in den Niederlanden, in Schweden, in Finnland oder Tschechien nur einen konditionierten Nachzug, zum Teil erst nach Ablauf einer längeren Frist, vor. Dasselbe gilt etwa für die Schweiz. Mit anderen Worten: Der privilegierte Familiennachzug wäre ein ganz wesentlicher Anreiz für eine Antragstellung in Deutschland. Das würde Asymmetrien in der Flüchtlingsverteilung in Europa vertiefen; es würde eine starke Magnetwirkung zulasten Deutschlands entfalten, und genau das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Große Koalition hat konsequent und erfolgreich dafür gearbeitet, den Zustrom von Flüchtlingen deutlich zu senken. Wir wollen alles dafür tun, dass die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft niedrig bleibt und die Zuwanderung auf ein Maß begrenzt wird, das die gesellschaftliche Akzeptanz und Integrationsfähigkeit nicht übersteigt. Deshalb wollen wir nicht, dass dies durch einen unbeschränkten Nachzug konterkariert wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)