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Dr. Maria Flachsbarth: "Ernährung wird immer individueller"

Rede zu Gesunde Ernährung - Für ein gutes Leben

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit Ernährung. Das ist seit Jahren ein stabiler Trend, der sich mit Sicherheit auch im Jahr 2018 fortsetzen wird. Lieber Herr Kollege Hofreiter, die Menschen wollen von uns keine Ernährungsberatung, sondern eine konsistente Ernährungspolitik, und genau das haben wir zu leisten.

Ernährung wird immer individueller, und Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich immer mehr eindeutige und verlässliche Informationen über ihre Lebensmittel. Die Ernährungsweisen werden immer vielfältiger, nicht nur mit Blick auf Vorlieben und Geschmack, sondern auch hinsichtlich der Lebenseinstellung und des Wertegerüsts. Für all diese Bedürfnisse – bei Allergien und Unverträglichkeiten sind es Notwendigkeiten – liefert unsere heimische Land- und Ernährungswirtschaft ein ebenso vielfältiges wie qualitativ hochwertiges Angebot.

Noch ein Trend ist zu beobachten. Nach Zeiten großer Entfremdung rücken Landwirtschaft und Konsumenten nun stellenweise wieder zusammen. Denn die Menschen möchten nicht nur die Pflichtangaben auf einer Verpackung lesen, sie möchten auch wissen: Wo genau kommt das Lebensmittel eigentlich her, und wie wird es produziert? Unter welchen Haltungsbedingungen hat das Schwein oder die Pute gelebt, von dem oder der ich gerade ein Schnitzel kaufe? Der Weg zwischen Stall und Teller wird wieder kürzer.

Auch deshalb ist es sinnvoll und zukunftsweisend, Agrar- und Ernährungspolitik und den gesundheitlichen Verbraucherschutz gemeinsam zu betrachten. Alle drei Politikbereiche sind Teile einer Wertschöpfungskette. Alle drei Politikbereiche gestalten wir deshalb aus einem Guss. Wir schlagen damit drei Fliegen mit einer Klappe: Wir stärken die Land- und Ernährungswirtschaft. Wir sorgen für ein vielfältiges, nachhaltiges und transparentes Lebensmittelangebot für Verbraucherinnen und Verbraucher, und wir geben darüber hinaus Impulse für lebendige ländliche Regionen.

Deshalb ist es sinnvoll und zukunftsweisend, Agrar- und Ernährungspolitik, den gesundheitlichen Verbraucherschutz und die Politik für den ländlichen Raum auch zukünftig in einem Ressort zu vereinen, nämlich in einem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Ich sagte es schon: Im Hinblick auf die sich wandelnden Gewohnheiten und Verbrauchererwartungen werden wir in der Agrarpolitik künftig die Ernährungsbelange noch stärker in den Fokus nehmen müssen.

Wenn die EU-Kommission für ihre Pressemitteilung zur Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik die Überschrift „Ernährung und Landwirtschaft der Zukunft“ gewählt hat, so ist das eine Zielformulierung, der wir uns nur anschließen können. Hier liegt die große Chance für die Landwirtschaft. Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden aufgewertet. Es eröffnen sich nachhaltige und innovative Marktchancen. Regionale Vertriebswege und enge Kundenbindung tragen dazu bei, die Wertschätzung für landwirtschaftliche Produkte und die Landwirtschaft selbst zu steigern und auch den bewussteren Umgang mit Lebensmitteln zu fördern.

Ganz nebenbei stehen wir mit diesen Produkten aus einem wettbewerbsstarken und verbraucherorientierten Markt auch noch künftig beim Export in Länder mit hoher Kaufkraft gut da. Lassen Sie mich konkrete Beispiele geben. Glaubt man der Marktforschung, werden eiweißreiche Hülsenfrüchte bei Verbraucherinnen und Verbrauchern immer beliebter. Diese ernährungsphysiologisch vorteilhaften Pflanzen verbessern zugleich beim Anbau den Boden, sparen Stickstoffdünger und erhöhen die Biodiversität. Es lohnt sich deshalb bei agrarpolitischen Entscheidungen, diese Vorlieben im Ernährungsverhalten der Bevölkerung mitzudenken. Damit haben wir schon gute Erfahrungen gemacht, etwa bei der Zusammenführung der bisherigen EU-Programme für Schulobst und Schulmilch – liebe Frau Kollegin Schulte, nicht nur 9, sondern 15 Bundesländer beteiligen sich inzwischen daran –; das entspricht dem Ernährungsbedarf der Kinder, aber darüber hinaus auch den pädagogischen Begleitmaßnahmen, die notwendig sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das haben wir schon gehört: Eine unausgewogene Ernährung kann ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen. Adipositas ist der große Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Typ-2-Diabetes. Diese Erkrankungen verursachen nicht nur individuelles Leid, sondern auch gesamtgesellschaftliche Schäden.

Eine Land- und Ernährungswirtschaft aus einem Guss kann dem jedoch entgegenwirken. In diesem Sinne haben wir im vergangenen Jahr zwei neue Einrichtungen eröffnet, nämlich das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft als zentralen Informationsdienstleister für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Gartenbau und das Bundeszentrum für Ernährung als zentrale Stimme für alterstaugliche, wissenschaftsbasierte Ernährungsempfehlungen rund um gesundes Aufwachsen, ausgewogene Ernährung und die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Landwirtschafts- und Ernährungspolitik aus einem Guss nimmt Verbraucherinnen und Verbraucher ernst, die nach den Bedingungen, unter denen Lebensmittel produziert werden, fragen. Gerade wenn es um die Haltung unserer Nutztiere geht, erleben wir in diesen Tagen wieder besonders kritische Nachfragen. Deshalb steht die diesjährige internationale Agrarministerkonferenz im Rahmen der Internationalen Grünen Woche, das Global Forum for Food and Agriculture, unter dem Titel „Die Zukunft der tierischen Erzeugung gestalten – nachhaltig, verantwortungsbewusst und leistungsfähig“. Von nun an werden auf Einladung von Bundeslandwirtschaftsminister ­Christian Schmidt rund 70 Agrarministerinnen und Agrarminister darüber beraten genauso wie über die Möglichkeit, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung auf das absolut unerlässliche Maß zu reduzieren. Ich werte es als großen Erfolg, dass der Bundeslandwirtschaftsminister und der Bundesgesundheitsminister im Rahmen der deutschen G-20-Präsidentschaft gemeinsam den Startschuss für einen auf Dauer angelegten engen und grenzüberschreitenden Fachaustausch zwischen Human- und Veterinärmedizin im Sinne des One-Health-Ansatzes gegeben haben, um Antibiotikaresistenzen wirksam zu begegnen.

Klar ist aber auch: Der Umbau der Tierhaltung geht nicht von heute auf morgen, und er geht nur mit und nicht gegen die Tierhalter. Mit der Initiative „Eine Frage der Haltung. Neue Wege zu mehr Tierwohl“ von Bundesminister Schmidt sind wir 2014 gestartet. Wir haben sichtbare Verbesserungen erreicht. So wurden nichtkurative Eingriffe bei Nutztieren weiter zurückgedrängt. Auf das Schnabelkürzen bei Legehennen wird inzwischen verzichtet. Das Töten von Eintagsküken steht vor dem Aus. Wir bleiben dran. Denn der BMEL-Ernährungsreport 2018 zeigt uns: 47 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher sind auf jeden Fall und 43 Prozent eher bereit, mehr Geld für Fleisch mit einem staatlichen Tierwohllabel auszugeben; zusammen sind das 90 Prozent. Deswegen hat das Tierwohllabel weiterhin Priorität auf der BMEL-Agenda für das Wohl der Tiere, eine gerechte Vermarktung und transparente Verbraucherinformationen.

Landwirtschafts- und Ernährungspolitik aus einem Guss, das ist der Maßstab, an dem wir uns messen lassen müssen und messen lassen wollen. Alle Seiten können davon nur profitieren: Landwirtinnen und Landwirte, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie nicht zuletzt Tiere und Umwelt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)