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Dr. Anja Weisgerber: "Umweltschutz geht nur gemeinsam"

Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung-EWKKennzV

Plastik ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Im Jahr 2019 fielen in Deutschland 6,28 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. Mehrere Tonnen dieser Plastikabfälle landen jedes Jahr in den Ozeanen, verschmutzen unsere Umwelt und somit unsere Lebensgrundlage. Sie stellen so eine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Unser Ziel ist deshalb, Plastik zu reduzieren. Vieles wurde bereits auf den Weg gebracht, auf europäischer Ebene wie auch hier in Deutschland. Uns ist wichtig, Mehrwegsysteme zu fördern und Verbraucherinnen und Verbraucher aufzuklären. Sie sollen wissen, wo Kunststoffe enthalten sind, damit sie eine bewusste Kaufentscheidung treffen können. Und genau darauf zielt die Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung, die wir heute verabschieden, ab, und das ist gut so.

Mit dieser Verordnung werden zwei wesentliche Ziele der sogenannten Single-Use Plastic Directive, SUPD, bzw. der Einwegkunststoffrichtlinie der EU umgesetzt.

Einerseits soll diese Verordnung regeln, dass Einweggetränkebehälter bis zu 3 Litern, die teilweise oder ganz aus Kunststoff bestehen, nur noch in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn ihre Kunststoffverschlüsse und -deckel für die gesamte Nutzungsphase fest mit den Behältern verbunden sind. Es gibt bereits gute Lösungen dazu auf dem Markt, und die Industrie stellt sich darauf ein. Dies erfordert jedoch Änderungen in den Produktionsprozessen, und deshalb ist eine Übergangsfrist bis zum 3. Juli 2024 notwendig. Diese Übergangszeit muss genutzt werden, damit Lösungen gefunden werden, die nicht zu einer zusätzlichen Produktion von Kunststoff führen.

Das zweite Ziel, das mit der Verordnung verfolgt wird, ist, dass bestimmte Einwegkunststoffprodukte gekennzeichnet werden müssen. Entweder auf der Verpackung oder auf dem Produkt selbst sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher durch eine Kennzeichnung bzw. ein Piktogramm auf den Einsatz von Einwegkunststoffen aufmerksam gemacht und sensibilisiert werden. Dies gilt gezielt für bestimmte Produkte wie Hygieneeinlagen, Feuchttücher, Tabakprodukte und Filter zur Verwendung in Tabakprodukten. Zudem wird darauf hingewiesen, welcher Entsorgungsweg zu vermeiden wäre und welche Folgen die unsachgemäße Entsorgung für unsere Umwelt hätte. Damit reduzieren wir indirekt auch den Verbrauch von Produkten aus Einwegkunststoff und von Kunststoffen in diesen Produkten, und wir begrenzen das achtlose Wegwerfen von Abfällen in die Umwelt. Produkte wer- den dadurch langlebiger und innovativer.

Allerdings stellt die Umsetzung dieser Verordnung in so einer kurzen Zeit bis 3. Juli 2021 eine Herausforderung für Unternehmen dar, vor allem, wenn sie noch volle Lagerbestände haben. Um die Vernichtung dieser Lagerbestände zu vermeiden, haben wir mit unserem Koalitionspartner auf einen Entschließungsantrag geeinigt, um gegenzusteuern. Ferner besteht eine Schwierigkeit darin, dass eine entsprechende Leitlinie der EU-Kommission, die klarstellen soll, welche Materialien unter die Richtlinie fallen, fehlt.

Und: Der Teufel steckt im Detail. Wichtig ist natürlich, dass nur die Produkte als Kunststoffe eingestuft werden, die tatsächlich auch Kunststoffe sind. In ihrem Leitlinienentwurf vom Dezember stufte die EU-Kommission Viskose und Lyocell als Plastik ein. In der ursprünglichen Fassung wurden sie aber nicht als Kunststoff eingestuft. Und das war richtig so. Denn Viskose entspricht in der Zusammensetzung der Naturfaser Cellulose. Bei der Viskoseherstellung wird die eingesetzte Cellulosefaser nur kurzzeitig behandelt, um bessere physikalische Eigenschaften der Faser zu erlangen. Ob dieser Behandlungsschritt eine „chemische Modifizierung“ darstellt oder nicht, ist die gegenständliche Streitfrage bei der Erarbeitung der Leitlinie.

Hier sehen wir die Gefahr, dass die Produkte, die Viskosefasern enthalten, durch die Kennzeichnung fälschlicherweise benachteiligt werden. Wenn Viskose als Kunststoff eingestuft wird, ist zu erwarten, dass Hersteller und Verbraucherinnen und Verbraucher womöglich wieder auf die kostengünstigeren, aber wesentlich umweltschädlicheren, ölbasierten Fasern zurückgreifen werden. Und das kann doch nicht im Sinne der Umwelt sein. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, sich stärker dafür einzusetzen, dass wir zu der bisherigen Fassung des Leitlinienentwurfs zurückkehren und die Viskosefasern nicht in die finale Leitlinie aufgenommen werden. Es ist wichtig, dass die Weichen schon von Anfang an richtig gestellt werden. Dabei ist die Richtung klar: Umweltschutz geht nur gemeinsam, nicht mit Alleingängen und Ausnahmen. Deshalb brauchen wir auch verbindliche Standards für alle EU-Mitgliedsländer. Nur dann werden wir im Bereich Umweltschutz erfolgreich und langfristig nachhaltig sein.