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Elisabeth Motschmann: Die Deutsche Welle braucht keine Gesetzesänderung, sie braucht ein stabiles finanzielles Fundament

Änderung des Deutsche-Welle-Gesetzes

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Tribüne! Dass sich ausgerechnet die AfD, Herr Ehrhorn, zum Gralshüter von Demokratie, Pressefreiheit und Unabhängigkeit aufschwingt, ist ein Treppenwitz.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Da lachen ja die Hühner!)

Aber ein Gutes hat die Debatte: Wir reden hier zur ­Primetime über die Deutsche Welle, und sie hat es verdient. Sie ist nämlich großartig.

(Hansjörg Müller [AfD]: Propagandasender!)

Ich freue mich, dass der Intendant, Peter Limbourg, mit seinen Mitarbeitern auf der Tribüne sitzt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlich willkommen und danke für Ihre wirklich wichtige Arbeit! Ich rede jetzt über die Deutsche Welle und nicht wie Sie, Herr Ehrhorn, über Gott und die Welt. Der Auslandsrundfunk ist heute in einer unruhiger gewordenen Welt wichtiger als je zuvor.

Erstens. Wir beobachten weltweite Einschränkungen der Pressefreiheit. Nur noch 13 Prozent der Weltbevölkerung – darüber war ich selbst erschrocken – kommen laut dem aktuellen Pressefreiheitsbericht von Freedom House in den Genuss freier Medien. Nur noch 13 Prozent!

Wir beobachten zunehmend Verfolgungen und Tötungen von Journalistinnen und Journalisten. Deshalb haben sich Union und SPD bereits im letzten Jahr für die Schaffung des Amtes eines UN-Sonderbeauftragten zum Schutz von Journalisten ausgesprochen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Wir verzeichnen eine steigende Konkurrenz in der internationalen Kommunikation. Autoritäre Staaten wie China, Russland oder der Iran rüsten ihre Auslandssender mit enormen Investitionen auf. Insofern haben wir guten Grund, die Deutsche Welle weiter zu stärken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Drittens. Die Digitalisierung verändert natürlich auch das Mediengeschäft und den Zugang zu Medien in umstürzender Weise. Über das Internet sind nahezu alle Programme überall verfügbar. Das schafft ganz neue Konkurrenzen.

Der von der Deutschen Welle 2017 vorgelegte Evaluationsbericht zeigt: Unser Auslandssender ist auf einem sehr guten Kurs. Seit dem Amtsantritt von Intendant Limbourg 2013 hat sie eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte geschrieben. Die Zahl der wöchentlichen Nutzer stieg von 101 auf 157 Millionen weltweit. 96 Prozent der befragten Nutzer halten die Angebote für glaubwürdig. Heute, da alle von Fake News beeinflusst sind und wir zunehmend sensibilisiert sind, ist das ein großer Erfolg und ein Faustpfand der Stimme Deutschlands in der Welt, die wir nicht unterschätzen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Nutzer erkennen in den Inhalten deutsche und europäische Perspektiven sowie die Werte einer freiheitlichen, rechtsstaatlich verfassten Demokratie. Mit 27 ihrer 30 Sprachangebote gehört die Deutsche Welle zu den Top 3 der Auslandssender. Klasse!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Alle diese Erfolge hat die Deutsche Welle unter den Vorzeichen des Deutsche-Welle-Gesetzes in seiner bestehenden Form erreicht. Nun kommt der Vorschlag der AfD, dieses Gesetz zu ändern. Die Gremien der Deutschen Welle sollen angeblich staatsferner werden. Schauen wir uns einmal an, wie sich die AfD das vorstellt. Man beruft sich auf das ZDF-Urteil und versteht nicht, dass es sich um zwei verschiedene Paar Schuhe handelt. Aber darauf möchte ich nicht eingehen.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

In der letzten Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien haben Sie, Herr Ehrhorn, Folgendes gesagt: Wir können doch nicht einen Sender in Ländern ausstrahlen lassen, die das nicht wünschen, die keine Einmischung in ihre eigenen Angelegenheiten wünschen. – Damit haben Sie allerdings die Maske fallen lassen. Sie betreiben das Spiel Russlands oder anderer autoritärer Regime.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die wollen nämlich keine Einmischung. In Ihrer Logik wünscht eine autoritäre Regierung, dass sie in Ruhe gelassen wird. Das ist entlarvend und unterstreicht Ihr Verständnis von Demokratie und Pluralität.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD])

Russia Today darf selbstverständlich in Deutschland senden. Obwohl wohl uns allen – mir besonders – viele der Sendungen überhaupt nicht gefallen, darf Russia Today senden. Hier wird durch diese Sender hybride Kriegsführung betrieben. Ich weiß, dass Länder wie die baltischen Länder und die Ukraine auch jetzt noch unter dieser Einflussnahme von russischen Medien und Sendern leiden. Erst geht Russland mit Meinung und Propaganda in ein Land, und dann, wie wir im Falle der Ukraine und der Krim gesehen haben, auch mit Soldaten.

Wir werden der AfD eine Nivellierung unserer Werte wie Demokratie, Freiheit, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit sowie Völkerverständigung ganz sicher nicht durchgehen lassen.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Na wunderbar!)

Sie werden es nicht schaffen, den Charakter und das gute, freundliche Gesicht unseres Landes zu verändern, das die Deutsche Welle in der Welt repräsentiert.

Aber zurück zum Gesetzentwurf. Die AfD will – ganz gemäß dem Verfassungsgerichtsurteil – die Zahl der staatlichen Vertreter im Rundfunkrat von sieben auf fünf und damit um ein Drittel drücken. Wie erreicht sie das? Sie will die drei von der Regierung gestellten Vertreter streichen, gleichzeitig erhöht sie aber die Zahl der vom Bundestag zu wählenden Mitglieder von zwei auf drei. Man spürt die Absicht und ist verstimmt; denn der dritte Sitz wäre dann für die AfD, meine Damen und Herren.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ein Schelm, der Böses dabei denkt! – Dr. Roland Hartwig [AfD]: Na und?)

Das ist nämlich der wahre Grund Ihres Antrages.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen in das Gremium. Ich sage einmal: Es ist ein Segen, dass Sie da nicht drin sind. Wir haben schon genug Gremien, in denen Sie drin sind, also nicht auch noch hier.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist Demokratie, Frau Motschmann! Wunderbar!)

Immerhin geben Sie unter „Alternativen“ ja zu, dass es verschiedene Modelle geben könne, sagen aber, dass die von Ihnen vorgeschlagene Regelung am sachgerechtesten sei. So sieht Staatsferne à la AfD aus. Nein, meine Damen und Herren, danke schön, das wollen wir nicht. Das taugt wirklich nicht als Bewerbungsschreiben eines AfD-Vertreters für die Gremien der Deutschen Welle.

Die Koalition wird im Juni die Stellungnahme des Bundestages zum Entwurf der Aufgabenplanung der Deutschen Welle beschließen – ich muss jetzt zum Schluss kommen –, und wir werden über drängendere Fragen der Deutschen Welle reden. Die Deutsche Welle braucht keine Gesetzesänderung. Sie braucht ein stabiles finanzielles Fundament. Wir müssen es für die zusätzlichen Aufgaben aufstocken, damit wir in dieser Welt, die aus den Fugen geraten ist, helfen können – durch Meinung, durch Demokratie, durch Freiheitsgedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insofern freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Limbourg, in der kommenden Zeit.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)