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Elisabeth Motschmann: 111 Kilometer Stasiakten werden rechtlich in das Bundesarchiv überführt

Redebeitrag zur Änderung des Bundesarchivgesetzes

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mauer hat Deutschland geteilt. Sie hat Familien getrennt, getrennt zwischen Freiheit und Unfreiheit, zwischen Bundesrepublik und DDR, zwischen Recht und Unrecht.

Ja, meine Damen und Herren, die DDR war ein Unrechtsstaat. 111 Kilometer Stasiakten sind dafür der beste Beleg. Geschichte aber ist unteilbar. Wer nur die halbe Wahrheit gelten lässt, lebt schon in der ganzen Unwahrheit. Geschichte ist kein Selbstbedienungsladen, aus dem man sich heraussucht, was einem gerade passt. Das dunkle Kapitel der DDR-Diktatur darf niemals vergessen, verdrängt, verharmlost werden. Wir haben das Glück, dass durch die mutige Bürgerrechtsbewegung die Stasiakten 1989 vor der Vernichtung gerettet worden sind. Sie geben Zeugnis von Angst, Überwachung, Verhaftung, Zersetzung, Ermordung. Diese Akten gehören zu unserem nationalen Gedächtnis.

Wir bringen heute den Entwurf eines Gesetzes in den Bundestag ein, das diese Akten für die nachfolgenden Generationen sichert. Sie werden rechtlich in das Bundesarchiv überführt. Sie werden damit dauerhaft geschützt und zugänglich gemacht. Wir haben in den letzten Jahren einen langen Diskussions- und Entscheidungsprozess erlebt. Viele wurden in diesen Prozess eingebunden, allen voran die Opferverbände. Aber ich danke auch meinen Kollegen Gitta Connemann, Johannes Selle, Nikolas Löbel, auch Katrin Budde, Roland Jahn, Michael Hollmann als Präsident des Bundesarchivs und natürlich ganz besonders unserer Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Es war ein mühsamer Prozess.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katrin Budde [SPD] und Simone Barrientos [DIE LINKE])

Im Ergebnis wird der heutige Gesetzentwurf von einem breiten Konsens getragen. Uns eint, dass wir damit die gesamtdeutsche Aufarbeitung stärken. Wir sind ein Volk, und die Geschichte unserer Teilung ist unsere gemeinsame Geschichte. Aufklärung statt Verklärung, das muss uns leiten.

Mit über 280 000 Mitarbeitern war die Staatssicherheit der DDR, gemessen an der Bevölkerungszahl, der größte Geheimdienst der Welt. 3,2 Millionen Anträge auf Akteneinsicht wurden bisher insgesamt gestellt. Noch immer gibt es monatlich über 4 000 Anträge. Auch weiterhin ist eine Antragstellung möglich, und auch weiterhin gilt dabei das Stasi-Unterlagen-Gesetz. Darauf haben wir großen Wert gelegt. Alle Außenstellen bleiben erhalten.

Die Möglichkeit der Einsicht in die eigene Akte ist eine weltweit einmalige Errungenschaft und hat enorme Vorbildfunktion für viele andere Staaten. Für uns als Union standen und stehen dabei immer die Opfer im Mittelpunkt. Jede Akte ist ein Schicksal. Jede Akte ist eine Familiengeschichte. Jede Akte hinterlässt Wunden und Narben. Viele Menschen leiden heute noch unter den Folgen der Willkür und der Repression. Sie werden aber oft nicht mehr gehört. Daher wollen wir das Amt einer oder eines Opferbeauftragten im Deutschen Bundestag schaffen. Sie oder er soll den vielen Menschen eine öffentliche Stimme geben. Sie soll uns aufzeigen, wo wir noch nachsteuern müssen, zum Beispiel beim Thema Zwangsadoption.

Die Überleitung der Stasiunterlagenbehörde unter das Dach des Bundesarchivs ist ein Versprechen der Koalition, das wir heute einlösen, und die oder der Opferbeauftragte ist das auch. Ich finde, wir haben ein tolles Ergebnis erzielt, alle miteinander. Dafür noch mal vielen Dank.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)