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Dr. Michael von Abercron: "2,8 Millionen Studenten steht eine Summe von 1 Milliarde Euro gegenüber"

Bundesprogramm Lern-Buddys – Studierende helfen im Corona-Schuljahr

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ohne Zweifel jede Mühe wert, sich Gedanken zu machen, wie man die großen Lerndefizite, die durch Corona entstanden sind, nun auflösen kann. Dazu haben eine Reihe von Bundesländern sich ernsthafte Gedanken gemacht.

Mein Land Schleswig-Holstein hat sich zum Beispiel mal mit dem Thema Sommerschule auseinandergesetzt. Weitere Diskussionspunkte kennen Sie auch: die Verkürzung von Ferien etc. Aber wir müssen weiter darüber nachdenken, wie wir dieses Problem lösen. Es sind alle, insbesondere auch die KMK und die Bildungsminister und Bildungsministerinnen, sicherlich auch die Bildungsministerin aus Nordrhein-Westfalen, aufgefordert, darüber nachzudenken, wie man das lösen kann.

Trotzdem stellt sich für uns gerade deshalb, weil es auch sehr stark länderbezogen ist, die Kernfrage: Soll sich der Bund wirklich damit auseinandersetzen, welche Leistungspunkte zu vergeben sind, wenn Lehramtsstudierende in den Bundesländern Schülerinnen und Schüler im Zuge der Coronapandemie unterstützen?

(Zuruf von der AfD: Nein!)

Ich bin mir sicher, dass die betroffenen Universitäten und Hochschulen davon nur wenig begeistert sind. Ich halte auch, ehrlich gesagt, gar nichts davon; denn es geht hier auch um die Frage der Autonomie der Hochschulen insgesamt, die dadurch eingeschränkt wird. Studienleistungen durch den Bund vergeben zu wollen, halte ich nun wirklich für völlig verfehlt.

Völlig unscharf bleibt in Ihrem vorliegenden Antrag auch, welche Studenten mit welcher Qualifikation eigentlich diese Aufgabe übernehmen sollen. Lehramtsstudenten – das wissen wir alle – haben Semester mit einem großen Praxisanteil. Die müssten sehr genau aufeinander abgestimmt werden. Und was ist mit denjenigen, die fachfremd sind? Reichen deren pädagogische Kenntnisse aus, um solche Aufgaben zu übernehmen? Das bedeutet doch im Grunde genommen, dass wir uns darum bemühen müssten, in den Schulen entsprechende Ausbildungsgänge zusätzlich einzurichten. Das führte nicht nur zu großer Bürokratie, sondern auch zu einer erheblichen Erschwerung der Arbeit der ohnehin schon belasteten Schulen.

Wie viele der Lern-Buddys, die erstmalig vor eine Klasse treten, können eigentlich Frontalunterricht machen? Haben Sie sich darüber mal Gedanken gemacht? Eine schwierige Aufgabe! Das Ziel kann man nicht ohne Weiteres dadurch erreichen, dass man die unvorbereitet reinlässt; denn es handelt sich eben um keine normale Nachhilfe.

Für dieses Programm soll der Bund – so haben Sie es vorgeschlagen – 1 Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Das ist rund und eindrucksvoll. Aber ist es auch schlüssig? Bei einer Vergütung von 10 Euro die Stunde entspräche das 100 Millionen Unterrichtsstunden. Damit stünden jedem einzelnen Schüler etwa zwölf Stunden zur Verfügung. Nun kann man sagen: Es wird ja auch Klassenunterricht betrieben, und nicht jede Jahrgangsstufe hat den gleichen Anteil, sondern manche Stufe hat vielleicht ein bisschen mehr. Das bedeutet einerseits doch aber, dass wir einen erheblichen Teil von zusätzlichen Stunden in den Schulen unterbringen müssen. Das bedeutet nicht nur einen enormen organisatorischen Aufwand, sondern auch erhebliche zeitliche Herausforderungen.

Andererseits wäre damit auch nicht das Problem gelöst, wie die Studenten die Ausfälle ihrer Studentenjobs ausgleichen könnten; denn 2,8 Millionen Studenten steht eine Summe von 1 Milliarde Euro gegenüber. Wenn man das umrechnen würde, würde das für jeden etwa 350 Euro ausmachen. Das kann es nicht sein. Das würde also nur funktionieren, wenn nur Einzelne diese Aufgabe wahrnehmen würden.

Der Antrag verkennt außerdem völlig, dass es längst Nachhilfeprogramme gibt und die Studierenden sie oft selber organisieren und auch ganz intensiv mit der Nachhilfearbeit ihr Geld verdienen. Ich finde es sehr merkwürdig, dass ausgerechnet die sonst liberale FDP private, ehrenamtliche Initiativen so reglementieren will und ein Konkurrenzprodukt schaffen will. Auch der Name mit dem gekünstelten halben Anglizismus „Lern-Buddys“ macht den Antrag nun auch nicht gerade besser. Dieser wenig liberale Ansatz untergräbt die Bildungshoheit der Länder, er missachtet die Autonomie der Hochschulen, er schadet dem ehrenamtlichen Engagement, und er weist 1 Milliarde Euro an Kosten aus, ohne eine schlüssige Kalkulation vorzulegen.

Bei allem guten Willen, den ich da erkenne, Lösungen zu schaffen, so muss man doch sagen – mein Fazit –: Lern-Buddys für die Schulen? Nein, sondern vielleicht mehr Lern-Buddys für die Bildungspolitiker in den Ländern, in der KMK, aber auch für die Bildungspolitiker der FDP hier im Deutschen Bundestag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)