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Christoph Bernstiel: "Die notwendige Wissensvermittlung für junge Menschen stärken"

Rede zum Bundesprogramm „Jugend erinnert“

Mit dem Bundesprogramm „Jugend erinnert“ wollen wir die Wissensvermittlung über die NS-Terrorherrschaft und die SED-Diktatur stärken. Dafür sind im Bundeshaushalt 2019 bereits insgesamt 7 Millionen Euro eingestellt. Beteiligt sind hierbei das Auswärtige Amt, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Das Programm „Jugend erinnert“ hilft uns dabei, die notwendige Wissensvermittlung für junge Menschen zu verstärken. Das tun wir dabei bewusst im In- und Aus- land. Die Umsetzung des Programms ist eine Folge des in Deutschland noch zu gering ausgeprägten zeitgeschichtlichen Interesses bei Jugendlichen. Fehlendes Grund- wissen im Bereich des Nationalsozialismus, der DDR und auch der Bundesrepublik sind leider zu häufig an der Tagesordnung.

Mit dem Programm verfolgen wir das Ziel, den Trägern die Vernetzung mit neuen Kooperationspartnern zu ermöglichen und nachhaltig wirkende Bildungsformate für junge Menschen zu erschaffen und weiterzuentwickeln.

In diesem Jahr haben bereits 29 Projekte einen Zuschlag erhalten. Die Projekte werden dabei mit insgesamt 6 Millionen Euro gefördert. In der ersten Förderkonzeption wurden Projekte berücksichtigt, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben. Im zweiten Schritt muss jetzt schnellstmöglich eine Förderrichtlinie für Projekte aus dem Bereich SED-Un- recht erarbeitet werden, um so einen umfänglichen Förderschwerpunkt auf beide deutsche Diktaturen zu legen.

Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die Gedanken und Erlebnisse auch für kommende Generationen erleb- bar zu machen. An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, wie wichtig die Arbeit mit Zeitzeugen für die Aufarbeitung und auch Prävention sind. Sie stellen ein sehr wichtiges Mittel dar; denn nichts berührt und bewegt einen Menschen mehr, als die Erlebnisse und Geschichten von einem Menschen zu hören, der selbst Unrecht und Repression erfahren hat. Dieser Einblick kann durch nichts ersetzt werden. Daher bedarf es einer ausreichen- den Förderung, um zukünftige Projekte auch ausreichend zu finanzieren und auszustatten.

Bei der Arbeit mit Zeitzeugen tritt leider ein natürliches Phänomen auf; denn Zeitzeugen sind nicht für immer auf dieser Welt, um über ihre Geschichte zu berichten. Aus diesem Grund müssen wir das Gesagte und die Erinnerungen bewahren. Mithilfe der Digitalisierung von Zeitzeugengesprächen können wir das ermöglichen. Erst kürzlich habe ich von einem Projekt der Aufnahme von Zeitzeugengesprächen erfahren. Anita Lasker-Wallfisch, die mir noch sehr gut durch Ihre sehr bewegende Rede am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Erinnerung geblieben ist, wurde dort portraitiert. Die USC Shoah Foundation und die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, EVZ, starten demnächst den gemeinsamen deutschsprachigen Betatest von Dimensions in Testimony. Vor Kurzem gaben die Stiftungen bekannt, dass das Programm 2020 an zwei ausgewählten Standorten in Deutschland in die Testphase geht.

Auch in meiner Heimatstadt Halle (Saale) bietet die „Luther virtuell“-App die Möglichkeit, auf den Spuren des Reformators digital zu wandeln. Mit dem virtuellen Rundgang können die Standorte erlebbar werden und damit auch für jüngeres Publikum attraktiver gemacht wer- den.

Dass wir Bildung und Ansprache brauchen, zeigen uns auch die leider immer wiederkehrenden Beleidigungen, Angriffe und Schmähungen gegenüber Juden. Die antisemitischen Straftaten beruhen auch auf Vorurteilen und falschen Wertevermittlungen. Umso wichtiger sind daher Programme, die für Zusammenhalt und Verständnis stehen. Können Jugendliche aufgrund ihrer fehlenden Kenntnisse nicht zwischen Diktatur und Demokratie unterscheiden, führt dies zu fehlerhaften Annahmen und Fehleinschätzungen aktueller politischer Situationen und in der Bewertung von Systemen.

Auch heute ist Demokratie nicht selbstverständlich. Eine Demokratie muss einiges aushalten; das kann kurzfristig auch zur Belastungsprobe werden. Die Stärken der Demokratie müssen uns aber Grund genug sein, sie zu bewahren und zu verteidigen. Die Entwicklungen der letzten Jahre und die damit verbundene Ausgrenzung und Polarisierung zeigen uns mehr denn je, wie wichtig Demokratie und Demokratiebewusstsein sind.