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Zukunft für Christen und Jesiden im Nordirak

Kongress der Unionsfraktion zur Religionsfreiheit

Vor gut einem halben Jahr ist der Norden Iraks von der brutalen Herrschaft des Terrornetzwerks Islamischer Staat befreit worden. Nun geht es um die Frage, wie man den Vertriebenen – vor allem Christen und Jesiden – eine Rückkehr in ihre angestammte Heimat in der Ninive-Ebene und dem Sindschar-Gebirge ermöglichen kann.

Die Unions-Bundestagsfraktion hat das Thema jetzt mit Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und Hilfsorganisationen diskutiert. So sprach Volker Kauder auf dem Kongress unter dem Titel 'Einsatz für die Religionsfreiheit - Über Perspektiven für Christen und Jesiden im Nordirak' unter anderem von großen Herausforderungen, die gemeistert werden müssen, um den Menschen vor Ort eine Zukunft zu geben.  

Die Zerstörung in der Region sei immens, die Ersparnisse der Menschen, die sich seit vier Jahren auf der Flucht befinden, jedoch aufgebraucht. Johannes Freiherr Heereman von Zuydtwyck vom Päpstlichen Hilfswerk Kirche in Not bezifferte die Kosten für den Wiederaufbau allein in der Ninive-Ebene auf 253 Millionen Euro. 

Deutschland ist Geberland Nummer eins

Die Bundesregierung ist bereit zu helfen, wie der Bundesminister für wirtschaftliche Entwicklung, Gerd Müller, betonte. Deutschland sei Geberland Nummer eins. So würden für Wiederaufbauprojekte im Irak im Haushalt dieses Jahres 350 Millionen Euro bereitgestellt. Innerhalb von sechs Monaten seien beispielsweise 170 Schulen mit deutschen Entwicklungsgeldern errichtet worden. „Das Signal muss ein: Die Menschen haben eine Zukunft in ihrer angestammten Heimat“, sagte er. Heereman von Zuydtwyck berichtete, dass 45 Prozent der Christen in ihre Dörfer in die Ninive-Ebene zurückgekehrt seien, nachdem ein Drittel der Häuser restauriert worden sei. Schwierig sei aber immer noch die Wasserversorgung und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

„Zurückerobert, aber nicht befreit“

Der Gründer und Exekutivdirektor des irakischen christlichen Hilfswerks CAPNI, Emanuel Youkhana, zeigte sich allerdings skeptisch. Die Ninive-Ebene sei zwar zurückerobert, aber nicht „befreit“ im kulturellen und ideologischen Sinne. Für eine vollständige Wiederansiedelung der Christen bedürfe es mehr als nur „physischer Sicherheit“, mehr als Häuser, Schulen und Gesundheitsversorgung. Die Christen und Jesiden wollten eine Garantie, dass sich der Genozid an ihnen nicht wiederholen könne. Denn die ideologischen Wurzeln, die den Vernichtungsfeldzug des IS ermöglicht hätten, seien die Einstellungen der Menschen gegen die religiösen Minderheiten. So würden Christen als Ungläubige und Jesiden als Teufelsanbeter wahrgenommen. So lange es keine Religionsfreiheit gebe, so lange hätten Christen und Jesiden keine Zukunft im Norden Iraks. Und das, obwohl Christen bereits seit mehr als 2000 und Jesiden seit 4000 Jahren dort lebten. Sie könnten in ihrer Heimat aber eine wichtige Rolle einnehmen.  Beide „können Brückenbauer sein, Wahrer der Vielfalt“, sagte er. 

Zwischen Hoffnung und Skepsis

Auch der Journalist Stefan Meining, der seit 2012 bereits fünf Mal zu Recherchen im Irak war, sagte, es gebe inzwischen wieder Hoffnung für die Menschen dort. Allerdings nur, so lange sie geschützt würden. „Sicherheit ist alles“, sagte Meining. In seinem Film zeigte er die Skepsis der Menschen, die in ihre mit Hilfsgeldern restaurierten Häuser zurückgekehrt sind und trotzdem nicht recht an eine Zukunft in ihrer Heimat glauben. Die Christen in der Ninive-Ebene fühlten sich weder als Kurden noch als Iraker, sondern als Menschen zweiter Klasse. Nicht nur der IS habe ihre Häuser angezündet, sondern oft auch die Nachbarn. „Ohne internationale Sicherheitsgarantien werden auch die letzten irakischen Christen ihre Heimat verlassen“, resümierte Meining. 

Verbrechen müssen aufgearbeitet werden

„Es muss einen Ausgleich geben zwischen der Bevölkerungsmehrheit, den Minderheiten, den Ethnien und Religionen“, forderte Müller von der neuen irakischen Regierung, die aus der Parlamentswahl vor einer Woche hervorgehen wird. Die Religionsfreiheit müsse umgesetzt werden. Zudem müssten die Verbrechen aufgearbeitet und Versöhnungsarbeit geleistet werden, sagte Müller. „Zur Tagesordnung überzugehen ist keine Basis für die Zukunft.“

„Geld gibt es nicht umsonst“

Ähnlich äußerte sich auch die jesidische Journalistin Düzen Tekkal, Gründerin und Vorsitzende des Vereins Hawar.help. Um Gerechtigkeit herzustellen, bedürfe es einer Strafverfolgung durch den internationalen Strafgerichtshof und einer Entschädigung der Opfer. Tekkal setzt sich besonders auch für die Frauen ein, die unsäglich unter dem Krieg gelitten haben, die vom IS vergewaltigt und auf Sklavenmärkten verkauft wurden. Sie forderte eine Bindung von Hilfsgeldern an die Bedingung, dass im Nordirak für menschenwürdige Verhältnisse gesorgt werde. Opfer müssten Unterstützung in Traumazentren bekommen. „Geld gibt es nicht umsonst“, sagte sie. Es sei ein gutes Druckmittel.