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Matern von Marschall: "Wir haben einen wirklichen Paradigmenwechsel"

Rede zu 40 Jahre Nord-Süd-Bericht

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gewissermaßen eine historische Debatte. Wir denken 40 Jahre zurück. Wir denken an den wichtigen Impuls – das ist ausgeführt worden –, den Willy Brandt gegeben hat. Vielleicht noch ein paar Jahre zurück: in das Jahr 1973. Willy Brandt war Kanzler. Zu diesem Zeitpunkt ist Deutschland in die Vereinten Nationen aufgenommen worden. Es ist ein ganz bedeutender Zeitpunkt gewesen. Er hat damals – ich zitiere – gesagt: „Wir sind … gekommen, um … weltpolitische Mitverantwortung zu übernehmen.“ Über diesen langen Prozess auf einem Weg Deutschlands, weltpolitische Verantwortung zu übernehmen, können wir in diesem Jahr, in dem wir 30 Jahre Wiedervereinigung feiern, noch einmal neu nachdenken. Aber der erste Impuls, den Willy Brandt 1973 bei der Aufnahme Deutschlands in die UN gegeben hat, ist sehr wichtig.

Diesen Impuls für diesen Nord-Süd-Bericht, über den wir noch sprechen werden, hat der Weltbankpräsident gegeben. Ich weiß nicht genau, ob erinnerlich ist, wer damals der Weltbankpräsident war: Robert McNamara, der vorherige amerikanische Verteidigungsminister, der eine sehr schwierige und natürlich auch sehr schwere Verantwortung im Vietnam-Krieg getragen hatte, sich dieser Verantwortung nicht mehr gewachsen zeigte, zurücktrat und später Weltbankpräsident wurde und eine ganz andere Perspektive hinsichtlich der Verantwortung für die Entwicklung der Welt hatte. Unter verschiedenen Staatsmännern führte es dann Willy Brandt, den damaligen Altkanzler, an die Spitze dieser Gruppe, die international zusammengesetzt war.

Heute – darauf ist hingewiesen worden – haben wir einen wirklichen Paradigmenwechsel. Wenn wir von dem Begriff, um den es geht, „Nord-Süd-Bericht“ reden, dann sieht man daran, dass wir von einer zweigeteilten Welt sprechen, von einer Welt, die in Nord und in Süd, in Arme und in Reiche zerfällt und die auch noch so begriffen worden ist. Das ist heute mit dem, was wir in den globalen Nachhaltigkeitszielen verabreden, nämlich eine Begegnung auf Augenhöhe, eine wechselseitige Verantwortung füreinander, ein ganz neues Modell. Ich bin sehr dankbar, dass sich Deutschland diesen globalen Nachhaltigkeitszielen mit großem Engagement, lieber Minister Müller, stellt und dass wir versuchen, diese anspruchsvolle Agenda mit der Verantwortung, die wir hier in Deutschland haben, auch umzusetzen.

Dazu gehört auch ein Bekenntnis zu den Klimaschutzzielen, die ein wesentlicher Teil der internationalen Zusammenarbeit sind. In unserem Ministerium macht der globale Klimaschutz einen ganz beträchtlichen Anteil der Investitionen aus.

Wenn ich von Investitionen spreche – darauf ist vonseiten der Liberalen hingewiesen worden –, dann sollten wir noch einmal deutlich machen, worum es uns eigentlich geht. Wir haben – es ist sehr viel Negatives gesagt worden – in diesen 40 Jahren Großes erreicht. Die absolute Armut auf der Welt ist unglaublich stark zurückgegangen. Wir hatten im Jahr 1980 4,5 Milliarden Menschen und fast 2 Milliarden davon in absoluter Armut. Bei einer jetzt auf 7,5, 7,7 Milliarden Menschen angestiegenen Bevölkerung ist der Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen dramatisch zurückgegangen. Es sind nur noch 700 Millionen Menschen. Wir haben also die Zahl absolut verringert, mehr als halbiert, prozentual sind es überhaupt nur noch 10 Prozent der Menschen. Das ist ein gewaltiger Erfolg. Insofern sollten wir dankbar sein für diesen Impuls von 1980 und auch einmal positiv über das sprechen, was wir erreicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das gilt übrigens auch für viele andere Bereiche. Ich nenne nur einen Bereich, über den wir vorhin debattiert haben: die Gesundheit. Auch die Sterblichkeit von Kindern ist ganz stark zurückgegangen, hat sich in dieser Zeit halbiert. Auch das ist ein Riesenerfolg.

Die Sache ist schwierig – deswegen muss man auch differenziert schauen –, wenn man den Blick auf Afrika richtet. Wir haben einen wahnsinnigen Erfolg, eine wahnsinnige Entwicklung in Asien, in China, in Indien, in Südostasien erlebt. Große Mittelschichten sind entstanden. Afrika – das muss man sagen – ist unser Sorgenkind. Deswegen muss unser Augenmerk auch auf Afrika gerichtet sein. Das tut auch Herr Minister Müller. Da geht es genau um zwei Dinge. Da geht es zum einen um die Verbesserung in der Regierungsführung, auf Englisch Good Governance. Das heißt, wir müssen die Staaten, die dazu gewillt sind, ertüchtigen, gegen Korruption und für gute Regierungsführung zu arbeiten. Dabei unterstützen wir sie, vor allen Dingen mit unserer GIZ. Das heißt auch, dass Staaten sich selbst in die Lage versetzen, Steuern in ihren Ländern zu erheben, um so einigermaßen auf eigenen Füßen zu stehen, was ihre Finanzkraft angeht.

Dann geht es zum anderen darum – das sollte die Folge von Bemühungen um Good Governance sein –, dass wir die Investitionsbedingungen in den betreffenden Ländern verbessern, sodass unsere Unternehmen Lust und Rechtssicherheit haben, dort zu investieren. Was die Menschen dort brauchen, das sind Jobs, das sind Arbeitsplätze. Wir sollten die Begegnung mit den Menschen in Afrika, mit den Staatenlenkern auf Augenhöhe suchen. Wenn wir das gemeinsam tun – die EU und die Afrikanische Union –, dann bin ich positiv gestimmt, dass wir in Zukunft unsere Zusammenarbeit auf einen guten Weg bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Abschluss will ich noch einen wichtigen Punkt ansprechen. All das ginge nicht ohne Engagement, ohne Engagement von Zivilgesellschaft, von Kirchen und vor allen Dingen von jungen Menschen, die in der Begegnung auf diesem Erdball voneinander lernen. Wenn ich an die vielen „weltwärts“-Programme denke, die stark auch von kirchlichen Einrichtungen getragen werden und durch die junge Menschen in die Welt hinaus gesandt werden, wo sie in der Begegnung mit anderen jungen Menschen auf der ganzen Welt voneinander lernen und die sie auch zu uns holen, sodass junge Menschen aus anderen Ländern hier bei uns lernen können, dann stelle ich fest, dass wir der wirklichen Bedeutung der globalen Nachhaltigkeitsziele nahekommen, nämlich einer gemeinsamen Entwicklung in wechselseitiger Verantwortung auf Augenhöhe.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)