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Matern von Marschall: Es geht um Souveränität in der EU

Redebeitrag zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Wir sind zu unserem Glück vereint – Frau Bundeskanzlerin, das ist der Leitsatz der Berliner Erklärung von 2007 gewesen. Frau Bundeskanzlerin, Sie waren auch zum damaligen Zeitpunkt Bundeskanzlerin, und 27 Ratspräsidentschaften später sind Sie es weiterhin, und das ist, glaube ich, die beste Garantie dafür, dass eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft unter deutscher Führung in der zweiten Jahreshälfte erfolgen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin auch dankbar, dass wir als Parlamentarier hier darüber debattieren. Die Ratspräsidentschaft ist ja gewissermaßen das zweite legislative Organ neben dem Europäischen Parlament. Es ist allerdings durch die Exekutive bestimmt, und insofern ist es wichtig, dass wir parlamentarische Kontrolle – darüber ist geredet worden – hier auch aktiv wahrnehmen, etwa in der Bestätigung des Eigenmittelbeschlusses.

Wenn wir über das jetzt anstehende große Programm, den Recovery Plan – es trägt den Titel „Next Generation EU“, also in die Zukunft gerichtet –, diskutieren, dann, glaube ich, sollten wir uns klarmachen, dass es – darauf ist hingewiesen worden – um Souveränität in der EU geht. Verwechseln wir Souveränität allerdings bitte nicht mit der vielleicht darin enthaltenen Versuchung, uns einzukasteln, auch nicht mit der Versuchung, damit Protektionismus zu verknüpfen. Es geht um Eigenständigkeit. Und diese Eigenständigkeit verknüpfe ich mit drei Begriffen, die mit „W“ anfangen – das ist ganz gut und praktisch zu merken –: Widerstandsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Wehrhaftigkeit.

Widerstandsfähigkeit, Herr Minister Spahn, betrifft sicher den Bereich der Gesundheit; da hätten wir besser, da hätten wir enger zusammenarbeiten können. Ich glaube, es ist wichtig, die Europäische Agentur, die diesbezüglich ja existiert, zu stärken. Wir könnten hier viel mehr Datenaustausch betreiben, wir könnten einen größeren Überblick über gemeinsame Kapazitäten im Gesundheitswesen gewinnen und uns besser gemeinsam aufstellen.

Wettbewerbsfähigkeit sollte auch ein Bestandteil sein. Dabei geht es mir vor allen Dingen um Innovation. Und wenn ich „Innovation“ sage – wir haben über die Wasserstoffinitiative in Deutschland gesprochen –, dann möchte ich das nicht nur europäisieren – Sie haben über den Afrika-Gipfel gesprochen –, sondern auch mit den Möglichkeiten gemeinsamer Kooperation mit Partnerländern, zum Beispiel im Maghreb bei der Herstellung Grünen Wasserstoffs, verbinden. So wird ein Schuh daraus, und so wird auch gezeigt, dass wir europäisch und international im Interesse des Klimaschutzes und der Entwicklung zusammen mit Afrika handeln werden. Das finde ich wichtig und wertvoll.

Und schlussendlich: Wehrhaftigkeit. Ja, wir müssen über Industriestrategie, über sensible, über strategische Industrien reden und diese auch vor Übernahmen schützen. Wir müssen sie in Europa halten; das betrifft auch die Industrie im Bereich der Rüstung.

Das sind wichtige Punkte. Diese drei sollten wir zusammenfassen: die Widerstandsfähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit und die Wehrhaftigkeit Europas. Und dann, glaube ich, können wir in die Zukunft blicken. Und dann, Frau Bundeskanzlerin, könnte ich mir vorstellen, dass Sie nach weiteren 27 Ratspräsidentschaften – dann sind Sie möglicherweise nicht mehr Bundeskanzlerin – vielleicht bei einem Spaziergang in der Uckermark die Kraniche aufsteigen und über Europa fliegen sehen und denken: Wir sind zu unserem Glück vereint!

(Beifall bei der CDU/CSU)