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Matern von Marschall: "Das deutsche Volk weiß, was es bedeutet die Freiheit zu erringen"

Konsequenzen der Bundesregierung aus den jüngsten gewaltsamen, willkürlichen und repressiven Entwicklungen

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir Deutsche wissen sehr gut, was es für ein Volk bedeutet, die Freiheit zu erringen. Wir wissen aus der Geschichte dieses Landes, dass nicht die Menschen unterschiedliche Begabungen haben, sondern dass die Frage, ob sie ihre Begabungen entfalten können, von den Bedingungen, die im jeweiligen Land gegeben sind, abhängen.

Dass Putin offenbar Angst davor hat, dass die Menschen seines Landes sich ihren Möglichkeiten entsprechend frei entfalten, das ist betrüblich, aber das ist die Beobachtung der Stunde, und das macht es uns, die wir gerne mit Russland zusammenarbeiten würden, im Moment schwierig, das auch zu tun.

Ich möchte klar sagen: Die hybride Kriegsführung, die von Russland ausgeht, besorgt mich zutiefst. Ich habe mich, als ich an der Konfliktlinie in Donbass in der Ukraine gewesen bin, einmal gefragt: Warum eigentlich? Ich habe einen klugen Beobachter gefragt, und der sagte: Ja, warum? Das ist doch ganz einfach: Putin kann nicht ertragen, dass in seiner Umgebung Länder das freie Selbstbestimmungsrecht der Völker wahrnehmen, dass sie sich entfalten, dass sie sich auf einen guten, einen erfolgreichen Weg machen. Das sei die einfache, schlichte Strategie. – Das hat mich wirklich erschüttert,

(Zuruf von der AfD: Mich auch! – Jan Korte [DIE LINKE]: Ein wenig unterkomplex!)

weil das im Grunde genommen ja nur eine Aussage nach innen ist. Es soll nicht dazu kommen, dass – vielleicht auch nach den mutigen Demonstrationen in Belarus – die Menschen in Russland selbst auch den Geschmack der Freiheit entdecken. Deswegen erleben wir nach dieser völlig inakzeptablen Inhaftierung und Verurteilung Nawalnys jetzt diese grauenvolle und völlig inakzeptable Unterdrückung der Demonstranten.

Jetzt kann man sich fragen: Was machen wir? Wie gehen wir mit Sanktionen um? Ich finde immer noch, Herr Außenminister: Wir sollten versuchen, die sehr wenigen uns verbliebenen Möglichkeiten des Dialogs zu nutzen. – Damit komme ich auf das, was mich beschäftigt als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Wir haben ja dort im Moment den Vorsitz, den Deutschland auch sehr verantwortungsvoll wahrnimmt. Wir haben lange darum gerungen, ob es wieder möglich sein sollte, dass die russische Delegation – trotz der extremen Verletzungen des Völkerrechts innerhalb der Mitgliedstaaten, nämlich gegenüber der Ukraine und auch gegenüber Georgien – dort wieder vertreten sein sollte. Wir haben gesagt: Ja, wir finden es richtig, weil wir dann auch ansprechen können, was dort geschieht, weil wir die Mitglieder der russischen Delegation auf diesem Wege zwingen können, Stellung zu nehmen zu den Vorwürfen. Wenn Sie sich – und ich bitte Sie alle, das zu tun – die Einlassungen der russischen Abgeordneten in der vergangenen Woche der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einmal anhören, werden Sie feststellen: Das ist unbeschreiblich. Ich möchte fast sagen: Dort werden die von Russland so stark in Mitleidenschaft gezogenen Länder geradezu verhöhnt. – Insofern: Wir schaffen damit Öffentlichkeit.

Ich bin auch sehr dankbar – übrigens auch dem Kollegen Schwabe, der noch sprechen wird –, dass wir in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates jetzt ein strukturiertes Verfahren zwischen Parlamentarischer Versammlung und Ministerkomitee gefunden haben im Umgang mit Mitgliedstaaten des Europarates, wenn dort schwerwiegende Verletzungen dauerhaft festgestellt werden. Wir wollen das jetzt gemeinsam machen. Wir wollen uns nicht auseinanderdividieren lassen, sondern wir wollen uns mit diesem gemeinsamen Verfahren, dessen Ausgestaltung Kollege Schwabe ja auch in der Berichterstattung schon skizziert hat, gemeinsam auf den Weg machen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Toll!)

– Ja, Herr Hampel, Sie sagen: „Toll!“. Ich will mal so sagen – ich will das ganz schnell noch ergänzen –: Russland hat eine Verfassung auf den Weg gebracht, die besagt, es würde sich gar nicht an internationale Verträge und Verpflichtungen halten, wenn ihm das gerade nicht passt. Nun ist Russland aber im Europarat, und wir werden es auch daran messen müssen, ob es sich an internationale Verträge und Verpflichtungen hält oder nicht.

Von Ihrer Seite kam gerade, das sei Einmischung in innere Angelegenheiten; aber das ist es ja gerade nicht, weil Russland als Mitglied des Europarates sich ja dessen Prinzipien, nämlich der Europäischen Menschenrechtskonvention, unterworfen hat

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Schwabe [SPD])

Deswegen, glaube ich, ist es richtig, dass wir Russland im Europarat Tag für Tag stellen und dass wir aus diesem Grunde seine Mitgliedschaft, so lange es möglich ist, aufrechterhalten.

Herr Außenminister, vielen Dank für Ihr Engagement im Vorsitz in dieser Zeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)