Skip to main content

Markus Koob: Wir werden kein besseres Abkommen bekommen

Völkerrecht einhalten – Atomabkommen mit dem Iran verteidigen

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA, oder, wie wir es vielleicht der Einfachheit halber nennen, das Iran-Abkommen, ist in der politischen Debatte. Es ist ein Abkommen, das über Monate intensiv vorbereitet wurde mit zähen Verhandlungen und vielen intensiven Beratungen, die sich aber gelohnt haben. Denn die Internationale Atomenergiebehörde hat festgestellt, dass der Iran sich an die Auflagen, die ihm gegeben worden sind, hält.

Zugegebenermaßen: Dieses Abkommen hat keineswegs alle Probleme der Region gelöst, und es gibt auch weitere Punkte, die wir sehr kritisch betrachten müssen, unter anderem und vor allem die iranische Destabilisierungs- und Hegemonialpolitik, die wir unter anderem in Syrien und auch im Jemen leider jeden Tag beobachten können, aber auch die offenen Aggressionen gegen Israel, zu denen ich später in meiner Rede noch einmal komme.

Außerdem hat dieses Abkommen in der Tat Defizite, die ja auch von den amerikanischen Partnern angesprochen worden sind: unter anderem das Fehlen von Vorgaben zum iranischen Ballistikprogramm, aber auch die Sunset Clause.

Auch wenn ich mich trotz dieser Punkte für weitergehende Verhandlungen mit dem Iran ausspreche, möchte ich an den Realitätssinn appellieren. Ich sehe nicht, dass wir ein Abkommen bekommen werden, das diese kritischen Punkte lösen wird. Wir werden kein besseres Abkommen als dieses, das uns heute vorliegt, bekommen.

Trotz aller Bedenken, die viele Menschen aufgrund dieser Punkte teilen, ist dieses Abkommen eine bedeutende Wegmarke eines mehrstufigen Problemlösungsprozesses, was zumindest die Urananreicherung und das nukleare Gefährdungspotenzial des Iran einhegen und kontrollieren sollte. Gerade weil es einen international getragenen Konsens gab, wurde dieses Abkommen durch den UN-Sicherheitsrat gebilligt. Das war nicht nur ein echtes multilaterales Ergebnis, sondern in der Tat auch ein diplomatisches Erfolgserlebnis. Es unterstrich einmal mehr die Bedeutung dieses Abkommens als wichtiges Sicherheitselement in einem ohnehin von fortdauernder Unsicherheit geprägten Nahen Osten. Deswegen bekennen sich die europäischen Staaten ungeachtet des US-amerikanischen Rückzugs weiterhin zu diesem Abkommen.

Es zeigt sich in den Anträgen der FDP und auch der Linken, dass das Bekenntnis zum JCPOA auch in diesem Haus von einer breiten Allianz getragen wird. Wir freuen uns über diese Unterstützung und auch darüber, dass in diesem Bereich die Haltung der Bundesregierung unterstützt wird. Insbesondere der FDP-Antrag erwähnt tatsächlich unterstützenswerte Ziele, zum Beispiel die Begrenzung des Nuklearprogramms auf zivile Nutzung, den Erhalt umfassender IAEA-Inspektionen und die Verhinderung der nuklearen Weiterverbreitung im Nahen Osten. Das sind die obersten Ziele, die auch dem entsprechen, was die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen sich zum Ziel gesetzt haben.

Aber trotz der herausgehobenen Bedeutung dieses Vertrags für die internationale Sicherheit muss man auch offen Unbehagen adressieren können. Mich besorgt und befremdet sehr, dass der Iran dieser Tage eine Serie von unerträglichen Provokationen zu verantworten hat. Das betrifft nicht nur die Ankündigung, den Bau leistungsstarker Zentrifugen vorzubereiten. Das religiöse Oberhaupt des Iran hat vor wenigen Tagen via Twitter Israel als „bösartiges Krebsgeschwür“ bezeichnet, das entfernt und ausgelöscht werden muss. In einem deutschen Parlament müssen wir das mit Nachdruck verurteilen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Wir akzeptieren solche Ausfälle nicht. Es gilt, wozu sich dieses Haus im Beschluss zu dem Antrag „70 Jahre Gründung des Staates Israel“ bekannt hat: Israels Existenzrecht und Sicherheit sind für uns nicht verhandelbar.

Noch etwas besorgt mich sehr: der offene Konflikt mit unserem Partner USA in dieser Frage. Es ist ausgesprochen bedauerlich, dass die Vereinigten Staaten sich aus diesem internationalen Abkommen, das sich in sehr seltener Einigkeit internationaler Akteure entwickelt hat, zurückziehen. Einmal mehr werden der Wert und die Notwendigkeit internationaler Abkommen zur Lösung von Konflikten nicht erkannt und stattdessen durch nationale Alleingänge ersetzt. Ich halte diesen Weg für einen Irrweg, erst recht dann, wenn die an dem Abkommen festhaltenden Partner durch Sanktionsdrohungen unter Druck gesetzt werden sollen.

Das verdeutlicht auch der gemeinsame Brief an die USA, der von deutschen Regierungsmitgliedern unterzeichnet wurde und Ausnahmen für EU-Unternehmen von den Sanktionen gegen den Iran fordert. Deshalb halte ich die von der EU-Kommission bekanntgegebene Reaktivierung des sogenannten Blocking Statutes, einem Gesetz zur Abwehr der US-Sanktionen, für konsequent; denn wir dürfen uns nicht erpressen lassen. Dies sage ich nicht auf dem Fundament eines weit verbreiteten Antiamerikanismus, sondern als glühender Transatlantiker, der auch weiterhin für eine stabile und vitale Partnerschaft mit den USA kämpfen wird.

Was wir dieser Tage im Nahen Osten erleben, die Transformation von vorsichtiger Annäherung zurück zu Konfrontation, schürt die Angst in der Region und in der Welt, dass verbales Wettrüsten in bewaffneten Auseinandersetzungen mündet.

Wir Europäer müssen hier weiter mit allen Mitteln der Diplomatie Einfluss nehmen – mit Besonnenheit, aber auch mit einer Stimme, die unsere Interessen selbstbewusst formuliert. Diesen Weg sollten wir als Deutscher Bundestag gemeinsam gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)