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Jürgen Hardt: Wir wissen, dass in dieser Welt chemische Waffen weiterhin existieren

Rede zum Jahresabrüstungsbericht 2017

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht ein erfreuliches Beispiel dafür ist, dass man durch Präzision und gebündelte Information den Erkenntnisfortschritt im Parlament tatsächlich fördert. Ich finde den vorgelegten Bericht ausgezeichnet. Ich finde es gut, dass wir solche Debatten hier im Deutschen Bundestag haben und regelmäßig darüber beraten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte auf drei besondere Aspekte eingehen.

Der erste Aspekt betrifft die Frage der nuklearen Aufrüstung von Iran und Nordkorea. Deutschland hat an der Seite der fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat intensiv an führender Stelle für das Nuklearabkommen mit dem Iran gekämpft. Wir haben natürlich auch weitere Fragen an die iranische Politik bezüglich ihrer Aggressivität gegenüber Israel und ihrer Unterstützung der Terroristen im Jemen. Aber wir sind der Meinung, dass dieser Vertrag ein Fortschritt gegenüber dem Zustand ist, der vor dem Vertrag bestanden hat. Deswegen kämpfen wir dafür, dass dieser Vertrag erhalten bleibt. So hat er ja auch die Sicherheit des Staates Israel gegenüber dem Zustand, der vorher herrschte, erhöht.

Wir werden am 12. Mai eine wichtige Entscheidung in Amerika erleben. Ich danke der Bundesregierung dafür – sie hat die volle Unterstützung der Regierungskoalition –, dass sie mit den Amerikanern gemeinsam einen Weg sucht, der es dem amerikanischen Präsidenten trotz der Dinge, die er im Wahlkampf gesagt hat und seinen Wählern versprochen hat, letztlich ermöglicht, an diesem Vertrag festzuhalten. Wenn man mit Generalen und Politikern in Israel spricht – die israelische Regierung ist diesem Vertrag gegenüber ja negativ eingestellt –, hört man hinter den Kulissen eben oft auch: Wir würden uns mehr wünschen, aber diesen Vertrag über Bord zu werfen, ist keine gute Politik im Sinne der Sicherheit des Staates Israel. – Dieser begeht ja in diesen Tagen seinen 70. Geburtstag, zu dem wir herzlich gratulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Aspekt, auf den ich eingehen will, ist die Frage nach chemischen Waffen. Wir haben ein völkerrechtlich sehr strenges Regime, was das Verbot chemischer Waffen angeht. Aber wir wissen, dass in dieser Welt chemische Waffen weiterhin existieren. Wir haben Beispiele dafür, dass sie leider auch eingesetzt werden: entweder im Krieg wie in Syrien in den vergangenen Wochen und in vielen Fällen davor oder im Bereich krimineller Handlungen, wie wir es im Fall Skripal in Großbritannien erlebt haben.

Das völkerrechtliche Regime gegen Chemiewaffen ist nur dann wirksam durchsetzbar, wenn alle Vertragsparteien, wenn alle Partner, die den Vertrag von 1997 unterschrieben haben, Unterstützung dabei leisten, dass dieser Vertrag durchgesetzt werden kann, dass sie dann, wenn die Behörde in Den Haag ermittelt, woher eine chemische Waffe kommt, die Türen von Instituten, Laboren und Lagern öffnen, in denen möglicherweise solche Waffen hergestellt worden sind und vielleicht noch entsprechende Bestände vorhanden sind. Wenn einzelne Partner, in diesem Zusammenhang sei namentlich Russland genannt, den Zugang und die Öffnung ihrer entsprechenden Labore verweigern, dann ist es natürlich nicht möglich, einen so sicheren Beweis über die Herkunft des Stoffes zu führen, wie wir uns das wünschen würden. Das wäre möglich, wenn die Inspektoren tatsächlich in die entsprechenden Labore gehen könnten. Insofern ist es die Pflicht eines jeden Unterzeichners dieses Abkommens, nicht nur die entsprechenden chemischen Waffen zu vernichten bzw. entsprechend dem Abkommen gar nicht zu produzieren, sondern auch das Verifikationsregime, das dahintersteht und erforderlich ist, nach Kräften zu unterstützen. Das ist mein Appell an Russland.

Der dritte Aspekt, auf den ich eingehen möchte, ist die Frage des Mittelstreckenraketenvertrags aus den 80er-Jahren zwischen den USA und Russland bzw. damals der Sowjetunion. Die Frage der Stationierung von atomaren Mittelstreckenwaffen in Europa hat Anfang der 80er-Jahre die öffentliche Meinung in Deutschland und in anderen Teilen Europas gespalten, und sie hat zum Bruch einer Bundesregierung geführt. Es war ein enormer Quantensprung in der Friedenspolitik, dass es gelungen ist, die landgestützten Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5 000 Kilometern in Europa komplett abzuschaffen. Im Übrigen hätten die Anhänger der Friedensbewegung Anfang der 80er-Jahre gar nicht zu erträumen gewagt, dass tatsächlich schon wenige Jahre später diese Waffen komplett verschwinden.

Wir haben jetzt Anzeichen dafür, dass durch neue Technologie und Modernisierung möglicherweise dieser Vertrag infrage steht. Ich plädiere und appelliere an die Bundesregierung und alle Beteiligten, mit aller Effizienz und Sorgfalt zu untersuchen, ob die Vorwürfe, die im Raum stehen, tatsächlich berechtigt sind, dass nämlich die SSC-8-Raketen Russlands möglicherweise diesen Vertrag verletzen, oder ob das eben nicht der Fall ist. Ich appelliere, dass wir uns diesem Thema intensiv widmen, weil es für die Sicherheit Deutschlands und Europas von so großer und tragender Bedeutung ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)