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Jens Lehmann: Wir müssen die politische Bildung in den Streitkräften weiter stärken

Rede zum Jahresbericht 2016/2017 des Wehrbeauftragten

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da mein Fraktionskollege Hahn mit seinem Bundesligaverein begrüßt worden ist, möchte ich darauf hinweisen, dass auch wir in Leipzig einen Bundesligaverein haben.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja.

Jens Lehmann (CDU/CSU):

Jetzt zur Sache.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Bundestages – das hört sich für viele Menschen nach einer trockenen Materie an. Dahinter verbergen sich jedoch nicht weniger als der Zustand der Bundeswehr und die persönlichen Anliegen der deutschen Soldatinnen und Soldaten. Sie leisten ihren Dienst für die Sicherheit Deutschlands sowie für Frieden und Freiheit weltweit unter Einsatz von Leib und Leben. Dies ist eben kein Beruf wie jeder andere.

Der Bericht des Wehrbeauftragten ist Gradmesser für zweierlei Dinge: erstens, ob es uns gelungen ist, für zeitgemäße Rahmenbedingungen und bestmögliche Ausstattung beim Dienst in der Bundeswehr zu sorgen, und zweitens, ob sich unsere Soldaten mit ihren Sorgen ernst genommen fühlen; eine Kombination also aus Erfolgskontrolle und Stimmungsbarometer.

Bei allen Problemen hinsichtlich Personal und Material: Die überwiegend negative öffentliche Bewertung der Berichtsergebnisse übersieht erstens grundlegende Zusammenhänge und zweitens längst ergriffene Maßnahmen der Bundesministerin der Verteidigung, um Abhilfe zu schaffen. Jahrzehntelang wurden Ausrüstung und Material auf 70 Prozent Einsatzbereitschaft reduziert. Die Trendwenden Material, Personal und Budget sind nun eingeleitet, können aber selbstverständlich nicht von heute auf morgen wirksam werden. Es gibt also beileibe keinen Grund, den beschrittenen Weg in Bausch und Bogen zu verdammen.

Die vom Wehrbeauftragten geforderte „Trendwende Tempo“ halte ich bei den gegebenen Rahmenbedingungen für Augenwischerei.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Die Forderung des Wehrbeauftragten nach einer „Trendwende Mentalität“ teile ich dagegen, wenn auch differenziert; denn auch hier gibt es bereits nennenswerte Fortschritte. Wieso sage ich das? – Die Zahl der auf dem Dienstweg gemeldeten „meldepflichtigen Ereignisse“ ist erheblich gestiegen. Vorrangig geht es um Rechtsextremismus, sexuelle Belästigung und unangemessenes Führungsverhalten. Grund hierfür ist eine fortschreitende Sensibilisierung für das, was sein darf und was nicht sein darf. Diese Entwicklung ist mehr als zu begrüßen. Sie ist ein Beleg dafür, dass die Bundeswehr „im Heute“, in unserer freiheitlichen Gesellschaft fest verankert ist. Ich sage: Das ist maßgeblich auf die Initiative der Ministerin zurückzuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Vielzahl von Herausforderungen, denen sich die Bundeswehr gerade bei den Hauptwaffensystemen stellen muss, wird dies oft in der öffentlichen Debatte übersehen.

Generell halte ich es für geboten, die politische Bildung in den Streitkräften weiter zu stärken. Die Bundeswehr vertritt unseren Staat und steht für dessen Werte ein. Dies müssen Zeit- und Berufssoldaten verinnerlichen. Rechts- und Linksextremismus, Frauen- und Judenfeindlichkeit oder Homophobie haben in einer demokratischen Armee keinen Platz.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich würde mir wünschen, dass die oft zu Unrecht kritisch dargestellten Fakten zum Zustand der Bundeswehr endlich ausgewogen dargestellt werden. Unsere Soldaten arbeiten sehr hart. Sie setzen ihr Leben für unser Land ein. Sie verdienen Respekt und Anerkennung. Deshalb dürfen wir nicht hinnehmen, dass sich in der Öffentlichkeit ein negatives Bild der Truppe verfestigt. Zugleich ist die vom Wehrbeauftragten angestoßene Debatte sehr wichtig. Genau betrachtet, bestätigt sein Bericht die Bedeutung der Trendwenden und damit die Politik der Union. Ich stimme Ihnen zu, dass diese konsequent und zügig umgesetzt werden müssen, gerade mit Blick auf die Bündnisverpflichtungen.

(Marianne Schieder [SPD]: „Koalition“ wollten Sie sagen, oder?)

– Ja.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD – Florian Hahn [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Wird schon!)

Auch.

Der Wehrbeauftragte rügt, dass bei der „Trendwende Personal“ und der „Trendwende Material“ noch keine ausreichenden Fortschritte erzielt worden sind. Dass Personalaufbau und Rekrutierung Zeit benötigen und dass die Bundeswehr sich im Wettbewerb um Fachkräfte befindet, sollte jedoch auch jedem klar sein. Für moderne Technologien brauchen wir gut ausgebildetes Personal. Das fällt nicht vom Himmel. Gleiches gilt für den Bereich Material. Jahre des Abbaus und Sparens können nicht über Nacht wiedergutgemacht werden.

Auch an einem anderen Punkt bestätigt der Bericht die Politik der – Koalition.

(Beifall bei der SPD – Marianne Schieder [SPD]: Sehr gut!)

Zu Recht mahnt dieser stärkere Investitionen in die Bundeswehr an. Gesellschaft und Politik müssen erkennen, dass sie mehr Geld für die Verteidigung bereitstellen müssen. Um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr aufrechtzuerhalten, müssen wir deutlich mehr investieren. Das gilt auch für die Gewinnung und Ausbildung von Personal. Ganz und gar kein Verständnis habe ich für jene, die sich Zeit ihres Lebens gegen höhere Ausgaben für Verteidigung gesträubt haben und nun mit Häme der Bundeswehr Mängel bescheinigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich so formulieren: Vor uns liegt kein Sprint, sondern die Fortsetzung eines Marathons. Es gilt, den stetig wachsenden Anforderungen der Truppe gerecht zu werden – natürlich mit höchstmöglichem Tempo. Heute sind wir dank der Initiative der Ministerin auf einem sehr guten Weg. Das muss deutlich gesagt werden.

Schließen möchte ich mit einem Dank an den Wehrbeauftragten und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die geleistete Arbeit. Herzlichen Dank auch an die Soldaten, die Eingaben geschrieben haben. Zögern Sie auch weiterhin nicht, Ihre Anliegen zu formulieren. Damit helfen Sie uns, unsere Arbeit zu tun – für das Wohl aller Soldatinnen und Soldaten und für die Sicherheit unseres Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)