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Frank Heinrich (Chemnitz): Es geht um ein Sowohl-als-auch

Rede zum Menschenrecht auf Frieden

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich habe mir Mühe gemacht, als ich den Titel „Menschenrecht auf Frieden“ gelesen habe, zumal es – das haben einige Kollegen gesagt – um eine Selbstverständlichkeit geht.

Aber ich bin letzter Redner. Ich möchte dazu ein paar grundsätzliche Gedanken äußern. Ich bin gegen Krieg. Diesen Satz wird hier wohl jeder unterschreiben können. Ich selber war Wehrdienstverweigerer, nicht aus Glaubensgründen, sondern aus persönlichen Gründen. Das heißt, da habe ich schon meine Schwierigkeiten.

Den grundsätzlichen Wunsch auf Frieden bejahen wir natürlich. Allerdings beginnt dieser Wunsch nicht erst bei Einsätzen der deutschen Bundeswehr. Wann pfeifen Sie mit so einem Antrag in so einem Tonfall mal Ihre Genossen vom Schwarzen Block

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Schwarzer Block? Noch nie gehört!)

oder die gewalttätigen Protestler und ihr Umfeld in Leipzig, in Hamburg oder bei mir in Chemnitz vor einem Jahr zurück,

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Frankfurt!)

die übrigens weit mehr Angst verbreitet haben als viele andere und gewalttätig unterwegs sind?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Schwarzer Block? Was ist denn „Schwarzer Block“?)

Natürlich haben wir an dieser Stelle vor Augen, was da passiert ist. Aber wir haben natürlich auch vor Augen, was in den Weltkriegen, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, passiert ist. Wir haben Myanmar vor Augen, das Gemetzel von Banden, von Milizen, von kleinen und großen Diktatoren, also Konflikte in Regionen und in ganzen Ländern. Wir haben Jemen vor Augen, Syrien und die ganzen Ungerechtigkeiten, aus denen heraus die Kriege entstanden sind.

(Zaklin Nastic [DIE LINKE]: Da schicken Sie noch Waffen hin!)

Dann habe ich auch noch etwas vor Augen – das war einer der ersten Gedanken in meinem Kopf, als ich von diesem Thema hörte und dann das las, was Sie in Ihrem Antrag so einseitig schreiben –, nämlich die Normandie. Ich bin dem Himmel dankbar, dass das auch zu unserer Geschichte gehört,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und der Abg. Gabriela Heinrich [SPD])

dass nämlich eingegriffen wurde bei diesem Diktator, der unser Land vernichtet hat und für den Ruf verantwortlich ist, den wir teilweise noch heute haben.

Ich habe auch vor Augen – Sie haben dem widersprochen – die NGOs in Afghanistan. Keine der NGOs hat mir gesagt: Es ist nicht gut, dass ihr als Bundeswehr hier seid.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Oh nee!)

Die einen haben gesagt: Wir brauchen euch direkt bei uns, um uns zu schützen. – Andere haben gesagt: Gut, dass ihr generell das Terrain absichert. – Das waren sowohl Menschen aus Deutschland als auch aus anderen europäischen Ländern.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das sagen Ihnen alle NGOs?

– Ich sage nicht, dass es alle waren.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ein bisschen Differenzierung! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sie reden über die Ausnahmen, wir reden über die Mehrheit! – Gegenruf der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE] – Gegenruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Bisschen differenzierter! – Gegenruf der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Sie verhandeln lieber mit den Taliban! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ich würde jetzt gern zuhören!)

Ich bin dankbar. Mir haben Frauen aus dem Parlament in Afghanistan und auch aus den NGOs gesagt: Wir hätten sonst nicht in die Schule gehen können, wir hätten als Mädchen so nicht leben können, wir hätten keine Erziehung genossen und wären heute nicht im Parlament.

Dankbar bin ich zudem persönlich, dass wir inzwischen nicht mehr so aufgerüstet leben, wie das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Ich bin dankbar für Europa, für Frieden. Dann kommt man natürlich in diese große Ethikdebatte. Ich erinnere an die Frage von Max Weber: Ist das Gesinnungsethik oder Verantwortungsethik? Hin und wieder waren zwischen den Zeilen der Kollegen diese Überlegungen herauszuhören. Es geht aber nicht um Entweder-oder. Es geht um ein Sowohl-als-auch. Es geht um den schweren Weg zum besten Erfolg. Dieser Weg ist hin und wieder nicht ohne ein Einschreiten möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit der Zielsetzung, Frieden zu haben und Frieden zu stiften, sind wir unterwegs; darin sind wir uns sogar einig. Aber der Weg dahin ist etwas komplexer, als Ihr Antrag den Anschein erweckt.

Natürlich sind wir für Abrüstung. Ich bin in Westdeutschland aufgewachsen. Ich lebe jetzt in dem anderen Teil Deutschlands. Ich habe den Kalten Krieg in der Region, in der Atomwaffen am dichtesten stationiert waren, in West wie Ost, gefühlt. Wir haben abgerüstet. Das geht ja!

(Zurufe von der LINKEN)

Ich habe noch ein Zitat von Einstein im Hinterkopf; es ist nicht bestätigt, ob es wirklich von ihm ist. Er soll auf die Frage, wie denn der Dritte Weltkrieg geführt werden würde, geantwortet haben: Das weiß ich nicht. Aber ich weiß: Der Vierte wird mit Stöcken und Steinen geführt.

Wir sind anders geworden. Aber es gibt da diejenigen, von denen Sie nichts einfordern. Ich nannte gerade die linken Truppen in Deutschland. Aber da gibt es auch Maduro, da gibt es China und Nordkorea.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber da finden Sie gewalttätige Demonstrationen toll!)

Da sagen Sie das nicht so deutlich. Von uns wird auch ziviles Engagement gefordert. Dafür brauchen wir – Kollege Altenkamp hat das gerade gesagt – die Leitlinien, die die Bundesregierung 2017 verabschiedet hat: „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“. Aber wenn ein Land nicht bereit, willens oder in der Lage ist, die eigene Bevölkerung zu schützen, dann haben wir als VN eine Verantwortung – und damit auch dort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bundeswehr hat dann die wesentliche Aufgabe, Sicherheit und Stabilität weltweit zu fördern. Frieden, damit mehr Einzelne dort Frieden haben können!

(Pascal Kober [FDP]: So ist es!)

Natürlich geschieht das nicht nur dadurch, sondern auch durch zivilgesellschaftliches Engagement und Krisenprävention. Aber Frieden – das hat mein Kollege vorhin gesagt – ist eine Frucht der Gerechtigkeit. Das gilt es abzuwägen. Das ist nicht nur eine Weihnachtsbotschaft. Im ersten Moment habe ich das ja gedacht: „Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“; so spricht ein Engel zu Personen. Mein Menschenbild sagt aber auch – und damit komme ich zum Schluss –, dass der Frieden – so meine Ethik – in uns und unter uns beginnen muss.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.

 

Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU):

Und so, wie Sie sich gerade angegiftet haben, Ihre Augen, Ihre Reaktion – das war nicht unbedingt friedvoll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Es gibt eine Gauß’sche Normalverteilung von guten und schlechten Menschen auf der Welt.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.

 

Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU):

Ganz ehrlich, solange es noch eine gewisse Anzahl von Menschen gibt, die als Arschlöcher in diesen Positionen sind, will ich, dass wir an der Seite der Schwächsten stehen, möglicherweise auch mit der Bundeswehr.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)