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Dr. Johann David Wadephul: Wir müssen Regelverletzungen klar ahnden

Fortsetzung der Aussprache zur Regierungserklärung Außen, Europa und Menschenrechte

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht auf alle Punkte Ihrer Rede, Herr Kollege Hampel, eingehen.

(Zuruf von der SPD: Nein, bitte nicht!)

Aber so viel will ich sagen: Dass Sie, nachdem Abgeordnete der AfD die Dummheit besessen haben, bei den Wahlen auf der völkerrechtswidrig annektierten Krim aufzutreten,

(Michael Georg Link [FDP]: Ganz genau!)

meinen, den deutschen Außenminister daran erinnern zu müssen, dass er dem deutschen Volk verpflichtet ist, fällt auf Sie zurück. Sie sind als Abgeordnete dem deutschen Volk verpflichtet und haben nicht rechtswidrige Annexionen der Russen durch Ihre Anwesenheit zu legitimieren. Das hat dem deutschen Parlament geschadet.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach! Du liebe Zeit!)

Ich möchte diese Grundsatzdebatte nutzen, Herr Bundesaußenminister, um Ihnen namens der CDU/CSU-Fraktion die vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit anzubieten. Wir wünschen Ihnen alles Gute, Glück und Erfolg in diesen von Ihnen richtig beschriebenen schwierigen Zeiten. Ich denke, ich kann im Namen aller Kolleginnen und Kollegen der Koalition anbieten – es mag Ausnahmen geben –, dass wir den großen außenpolitischen Konsens, den es in diesem Hohen Haus in der Vergangenheit gab, versuchen aufrechtzuerhalten.

Die Lage ist in der Tat schwierig. Obwohl sich die Welt wie auch Europa nach zwei Weltkriegen und nach weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen wie auf der koreanischen Halbinsel eigentlich besonnen hatte, sich zusammenzuschließen, die Vereinten Nationen zu bilden und Verträge zu schließen – die Europäische Union wurde geboren und Freihandelszonen sind entstanden –, scheinen wir in diesen Tagen mit dem Einsatz chemischer Kampfmittel und mit tagtäglich Tausenden Cyberangriffen wie auch schon mit der Annexion der Krim, die ich schon angesprochen hatte, in alte Zeiten zurückzufallen. Ich glaube, darauf braucht es eine klare Antwort. Der Bundesaußenminister hat es vollkommen richtig gesagt: Wir können die Legislaturperiode nicht vorherplanen, aber hier braucht es auch eine klare Strategie des Deutschen Bundestages und der Bundesrepublik Deutschland als wichtigem Land in Europa und in der Europäischen Union.

Ich sage als Erstes: Wir müssen Regelverletzungen klar ahnden.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Fangen wir mal bei uns an! Deutschland sollte bei sich anfangen! – Zuruf von der AfD)

– Ja, das will ich gerne an beide Seiten gerichtet sagen; ich komme gleich zu dem Punkt, den Sie angesprochen haben. – Regelverletzungen sind Regelverletzungen. Russland hat viele Regelverletzungen begangen – die Annexion der Krim, die eindeutig völkerrechtswidrig ist, die militärischen Aktivitäten in der Ostukraine und vieles mehr –,

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Und der Jugoslawien-Krieg? – Zuruf von der AfD: Was ist mit Kosovo?)

und deswegen sage ich nach der Wahl in Russland: Wir werden diese Regelverletzungen nicht akzeptieren. Der Koalitionsvertrag spricht von Achtsamkeit und Resilienz. Die Hand bleibt ausgestreckt, aber es ist an Herrn Putin, einen Kurswechsel herbeizuführen und zurückzukehren in die europäische Friedensordnung des Helsinki-Vertrages. Dazu sind wir bereit. Russland muss handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Erzählen Sie doch keine Märchen! Habt ihr doch 1989 und folgende Jahre versäumt!)

Das Zweite ist: Es ist vollkommen richtig – das ist von der Bundeskanzlerin und auch vom Bundesaußenminister eindeutig angesprochen worden –, dass im Auswärtigen Ausschuss große Einigkeit darüber besteht, dass wir uns trotz der Mitgliedschaft der Türkei in der NATO, die ich nach wie vor für richtig halte – ich weise ausdrücklich darauf hin, dass wir damit nicht leichtsinnig umgehen sollten; wir sollten der Türkei keinen Anlass geben, unser Bündnis zu verlassen –, bei Regelverletzungen klar positionieren müssen. Es ist für mich keine Frage: Wenn die türkische Flagge in Afrin gehisst wird, dann hat das mit dem Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der VN-Charta nichts mehr zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. So etwas muss klar angesprochen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mich beschäftigt schon – und auch das Hohe Haus muss es beschäftigen –, dass die Jesiden, die schlimme Misshandlungen im Nordirak erlebt haben, jetzt ein ähnliches Schicksal erleiden könnten.

Die Bilder und Nachrichten, die wir aus Afrin erhalten, belegen, dass sich dort auch wieder Extremisten herumtreiben, die nichts Gutes im Schilde führen, und dass dort wieder die jesidische Minderheit, insbesondere die Frauen, an Leib und Leben bedroht ist. Das darf uns nicht gleichgültig sein.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ist es uns auch nicht! Die Kurden auch nicht)

Deswegen müssen wir unseren NATO-Partner Türkei an dieser Stelle deutlich darauf hinweisen, umzukehren und die Sache zu ändern.

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Auch bei den Kurden!)

– Ich weise Sie, Herr Kollege, nur darauf hin: Seien Sie seitens der Linksfraktion doch in Sachen Krim-Annexion einmal genauso deutlich wie in Sachen Afrin! Seien Sie doch nicht auf einem Auge blind, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Entweder hat man Grundsätze oder man hat keine. Zu den Grundsätzen gehört, dass wir die Bündnisse, die wir haben, verteidigen müssen. Ich bin dem Bundesaußenminister ausdrücklich dankbar dafür, dass er die transatlantischen Beziehungen angesprochen hat. Sie sind älter und sind tiefer, als dass wir sie der Deutungshoheit des aktuell gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika überlassen dürften.

Die USA sind die ältere Demokratie, da sollten wir als Deutsche mit Werturteilen vorsichtig sein. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben uns von der Naziherrschaft befreit.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die Sowjetunion auch! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Die Sowjetunion! Die Rote Armee!)

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben uns den Aufbau Deutschlands ermöglicht. Und wenn man in der Geschichtsbetrachtung ehrlich ist,

(Zuruf von der LINKEN: Wären Sie doch einmal ehrlich!)

muss man sagen: Es waren entscheidend die Vereinigten Staaten von Amerika, die uns die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglicht haben, nachdem Herr Gorbatschow die Tür geöffnet hatte. Das sollten wir nicht vergessen. Deswegen: Freundschaft mit Amerika ist wichtig. Sie muss unsere Politik weiter bestimmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Wadephul, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU):

Ich würde gern fortfahren, Frau Präsidentin. – Dazu gehört, dass wir auch manch Kritisches sagen können. Herr Maas hat zu Recht das Iran-Abkommen erwähnt. Es ist kein bilaterales Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Iran. Deswegen richten wir als ein Land, das dieses Abkommen mit ausgehandelt hat, auch die klare Aussage an Washington: Die Folge der Kündigung des Abkommens – die Saudis haben es angekündigt – wäre eine weitere atomare Aufrüstung. Dann fängt Saudi-Arabien auch noch an, aufzurüsten. Die Möglichkeiten via Pakistan haben sie gegebenenfalls. Deshalb das klare europäische Plädoyer: Dieses Atomabkommen wird, solange es von Teheran eingehalten wird, von Europa verteidigt. – Das muss auch Washington beachten. Es ist wichtig, und es ist neben dem Klimaschutzabkommen ein weiterer großer Erfolg, dieses Atomabkommen geschlossen zu haben. Für diesen Erfolg sollten wir in der internationalen Ordnung gemeinsam eintreten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das bedeutet, dass auch der Iran wissen muss, dass er eine daraus erwachsende Verantwortung in der Region hat. Und natürlich hat das unmittelbaren Einfluss auf Israel. In dieser Debatte möchte ich auch sagen – das steht auch in unserem Koalitionsvertrag –: Wir haben aufgrund unserer Historie ein ganz besonderes Verhältnis zu Israel und eine besondere Verantwortung. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird in den nächsten Jahren auch schwierig werden. Es gibt manche Kritik an der aktuellen Regierungspolitik Israels – Stichwort Siedlungen –, die wir auch weiter werden üben müssen. Klar muss aber in den nächsten vier Jahren sein: Deutschland steht zum israelischen Staat. Deutschland steht hinter dem Existenzrecht Israels, und daher bleiben wir ein unverrückbarer Partner aller Menschen, die in diesem Staat leben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Abschließend möchte ich sagen – der Bundesaußenminister hat gesagt, wir werden gebraucht; alle erinnern sich an die großen Reden, die auf der Münchener Sicherheitskonferenz gehalten worden sind –: Die außenpolitische Verantwortung Deutschlands ist gewachsen. Der müssen wir gerecht werden. Der müssen wir nicht zuletzt, weil Haushaltsberatungen anstehen, auch finanzpolitisch gerecht werden. Deswegen fand ich es richtig, dass die Bundeskanzlerin heute die ODA-Quote angesprochen hat; denn wir würden nicht ein einziges Problem in Afrika beispielsweise lösen und nicht eine einzige Fluchtursache beseitigen, wenn wir nicht an dieser Stelle Geld ausgäben. Deswegen sind die 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes gut ausgegebenes Steuergeld aus dem deutschen Haushalt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Kehrseite der Medaille ist, dass wir auch Verteidigungsausgaben zusammenbringen müssen. Ich möchte an der Stelle ausdrücklich noch etwas weiter gehen als die Bundeskanzlerin in ihrer Rede vorhin. Seien wir uns alle gewiss: Auch wenn Präsident Obama eine weitere Amtsperiode gehabt hätte, hätte er uns mit gleicher Unnachgiebigkeit aufgefordert, unseren Verteidigungsverpflichtungen nachzukommen. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen unsere Verpflichtungen in der NATO erfüllen. Wir müssen unsere Zusagen von Wales einhalten. Auch das ist ein Beitrag zu Frieden und Freiheit in Europa.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)