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Dr. Johann David Wadephul: Nachhaltige Außen- und Sicherheitspolitik besteht immer auch darin, humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe zu leisten

Rede des Bereiches Verteidigung zum Haushaltsgesetz 2019

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier den Verteidigungshaushalt, und deswegen möchte ich vorausschicken, dass die Unionsfraktion natürlich der Auffassung ist, dass wir die Herausforderungen, die wir international sicherheitspolitisch haben, niemals allein militärisch lösen können, sondern dass unsere diplomatischen Anstrengungen, unsere entwicklungspolitischen Anstrengungen, unsere humanitären Anstrengungen immer im Vordergrund stehen, im Übrigen auch in der vergangenen Legislaturperiode im Vordergrund der Politik dieser Koalition gestanden haben.

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Nicht in der Finanzplanung, Herr Wadephul! – Dr. Marie-­Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wo ist denn das Geld für die Diplomatie? – Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Es hätte mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit das Abkommen mit dem Iran über die Nuklearwaffen und das Klimaabkommen, um nur mal zwei große wirklich erfolgreiche Abkommen zu nennen, nicht gegeben, wenn die deutsche Diplomatie, die deutschen Außenminister und die deutsche Bundeskanzlerin sich nicht dafür eingesetzt hätten.

Wir haben uns in diesem Koalitionsvertrag, der unserer Arbeit zugrunde liegt, deshalb verpflichtet – da wir jetzt über Geld reden, will ich zu diesem Punkt kommen –: Wenn wir die finanziellen Mittel im Verteidigungsetat aufstocken, was nach unserer Auffassung dringend notwendig ist – dazu werde ich gleich etwas sagen –, dann werden wir auch die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit, die sogenannten ODA-Mittel, im Entwicklungshilfeetat ebenso wie die humanitären Mittel im Etat des Auswärtigen Amtes entsprechend eins zu eins erhöhen.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Sie machen genau das, was im Koalitionsvertrag drinsteht, eben nicht!)

Für diese Koalition – für CDU, CSU und SPD – besteht eine nachhaltige Außen- und Sicherheitspolitik immer auch darin, humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe zu leisten und die Staaten, die verunsichert sind, die labil sind, die sich einer inneren und äußeren Bedrohung ausgesetzt sehen, innerlich zu erstarken und ihnen die Möglichkeit zu geben, Stabilität selber herbeizuführen. Das ist Grundlage unserer Arbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD])

Aber es lässt sich überhaupt nicht leugnen, dass wir in den letzten Jahren – das ist auch unter Verantwortung von Ministern meiner Partei und unserer Schwesterpartei und ebenso in Koalitionen mit Freien Demokraten geschehen – den Verteidigungsetat zu stark haben abschmelzen lassen.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Richtig!)

Dabei haben wir uns der Illusion hingegeben – das betrifft uns ebenso wie viele andere in diesem Hause und auch in vergangenen Legislaturperioden –, es würde keine dringende Notwendigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung mehr geben. Dem hat das Weißbuch Rechnung getragen, aus dem letzten Endes das Fähigkeitsprofil entwickelt und jetzt vorgelegt worden ist – übrigens in einem organischen Prozess, nicht überraschend oder in taktischen Manövern; sondern das ist schlicht und ergreifend eine organische Entwicklung.

Nun ist natürlich vollkommen klar, dass wir uns innerhalb Europas wünschen, dass sich das Verhältnis zu Russland positiver gestaltet. Nur, Herr Kollege Neu, sich hierhinzustellen und zu sagen, dass es überhaupt keine Bedrohung aus russischer Sicht gibt, leugnet das, was kriegerisch noch immer jeden Tag in der Ostukraine geschieht, und leugnet, dass die NATO jeden Tag, zum Beispiel im Luftverkehr mit Rotten, an denen sich auch die deutsche Luftwaffe beteiligt, darauf reagieren muss, dass unser NATO-Gebiet und baltische Staaten verletzt werden.

Vor dem Hintergrund dessen, was in der Ukraine geschehen ist, gibt es eine neue Notwendigkeit, Landes- und Bündnisverteidigung ernst zu nehmen und die Bundeswehr entsprechend auszustatten. Das ist einfach ein Zeichen der Zeit, das wir erkennen. Darauf müssen wir reagieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Wadephul, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU):

Nein, ich würde gerne fortfahren.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie haben mich direkt angesprochen!)

Zum Thema „Ausstattungssituation in der Bundeswehr“. Einige der Transporthubschrauber – das ist von Herrn Lucassen hier vollkommen zu Recht angesprochen worden – müssen modernisiert werden. Es gibt andere Notwendigkeiten, die unstrittig sind. Wir müssen die Digitalisierung, auch im Bereich der Kommunikation, fortschreiben und dort etwas tun.

Zwar ermöglicht der Ausrüstungsstand der Bundeswehr die Erfüllung ihres Auftrages, aber wir sind an mancher Stelle wirklich an der Grenze. Man muss ehrlicherweise sagen – das müssen wir auch als Abgeordnete, die die Soldatinnen und Soldaten in Einsätze schicken –: Wir bewegen uns an der Grenze, und wir muten Soldatinnen und Soldaten an einigen Stellen vieles zu. Vieles wird mit Kreativität und Einsatzbereitschaft ausgeglichen; das dürfen wir nicht übertreiben. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten. Sie haben eine bessere Ausstattung, eine modernere Ausstattung, eine sichere Ausstattung verdient. Und sie haben es auch verdient, dass wir neueste Ausrüstungsgegenstände beschaffen. Dafür brauchen wir die hinreichenden finanziellen Mittel, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dazu bekennen wir uns.

Es geht dabei um zwei Aspekte – ich finde, hier sollten wir uns die Schuld nicht gegenseitig zuschieben –: einerseits die finanziellen Mittel und andererseits die Umsetzung.

Zum ersten Aspekt, den finanziellen Mitteln, liebe Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion, gehört, dass wir uns unter Außenminister Steinmeier in der NATO verpflichtet haben, bis 2024 das 2-Prozent-Ziel zu erreichen. Ich bin zwar Jurist und kein besonders guter Rechner, aber 1,5 Prozent bis 2024 sind eben nicht 2 Prozent. Wir müssen unsere Bündnisverpflichtungen an dieser Stelle einhalten. Die Unionsfraktion steht dazu. Wir wollen 1,5 Prozent am Ende dieser Legislaturperiode erreichen, und da müssen wir noch Geld draufpacken, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das schulden wir unseren Bündnispartnern, das schulden wir unseren Soldatinnen und Soldaten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Das sagen Sie mal Ihrem Finanzminister!)

Und das Zweite – und da will sich niemand wegdrücken – ist das Thema der Umsetzung; das ist vollkommen klar. Das hat die Ministerin auch erkannt. Wir müssen etwas machen. Niemand will übrigens eine Privatisierung. Malen Sie nichts an die Wand. Aber wir müssen natürlich auch das eine oder andere mit Privaten machen. Dann wird gesagt: Da gibt es riesige Beraterhonorare. – Das ist an der einen oder anderen Stelle für die Professionalität auch notwendig, weil Ausschreibungen – das haben Sie selber berichtet – von Top-Kanzleien angefochten werden. Darauf müssen wir eingestellt sein.

Wir müssen auch mal darüber nachdenken – das sage ich dem Haushaltausschuss –, ob die 25-Millionen-Euro-Grenze für Beschaffungsvorhaben immer noch notwendig ist. Die 25-Millionen-Euro-Grenze trägt der Inflationsrate nicht Rechnung. Das bürdet dem Ministerium und allen Behörden sehr viel Arbeit auf und verzögert schlicht und ergreifend auch Beschaffungsvorhaben. Das heißt, das Parlament ist für eine gewisse Trägheit in diesen Prozessen mitverantwortlich.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja der größte Quatsch! – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Das ist unglaublich, was Sie sagen!)

Auch dem müssen wir uns stellen.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Es lebe die Intransparenz!)

– Nein, nein, nein, Intransparenz will niemand.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Doch!)

Es wird alles auf den Tisch gepackt. Es gibt keine Armee, die transparenter ist als die Bundeswehr. Dazu stehen wir. Malen Sie nichts an die Wand. Das ist eine Parlamentsarmee. Da kommt alles auf den Tisch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen gilt insgesamt: Wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, dass wir das notwendige Geld im Haushalt zur Verfügung stellen und dass es dann auch sinnvoll verwendet wird, um unsere Soldatinnen und Soldaten vernünftig auszustatten, und dafür zu sorgen, dass Deutschland ein verlässlicher Bündnispartner ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das ist das Wichtigste!)